Zwischenbericht zu MH17:Malaysias Premier fordert Zugang zur Absturzstelle

File photo of a Malaysian air crash investigator inspecting the crash site of Malaysia Airlines Flight MH17, near the village of Hrabove

Malaysische Ermittler waren Ende Juli schon einmal an der Absturzstelle.

(Foto: REUTERS)

Warum ist Flug MH17 in der Ukraine abgestürzt? Niederländische Ermittler kommen zu dem Schluss, dass das Flugzeug der Malaysia Airlines von außen "durchsiebt" wurde. Angesichts der zahlreichen offenen Fragen im Zwischenbericht findet Malaysias Premier deutliche Worte.

  • Der erste Zwischenbericht des niederländischen Ermittlungsteams liegt vor. Er kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, dass der Flug MH17 von "mehreren in Hochgeschwindigkeit fliegenden Objekten durchsiebt" worden ist.
  • Die Beschädigungen könnten Experten zufolge auf Einschläge einer Buk-Rakete hindeuten.
  • Nur sechs Tage konnten die internationalen Experten das Gebiet durchkämmen, ihre Ermittlungen wurden von prorussischen Rebellen behindert.
  • Bei dem Absturz der Passagiermaschine des Fluges MH17 der Malaysia Airlines in der Ostukraine kamen 298 Menschen ums Leben.

Auswertung der Blackbox

Die Untersuchungen des Cockpit Voice Recorders, der Blackbox und der Daten von Flugsicherheitskontrollen legen laut der Untersuchungskommission nahe, dass der Flug MH17 bis 13:20:03 mitteleuropäischer Zeit ganz normal verlief, ehe die Maschine abstürzte. Nichts in den Aufnahmen der Stimmen deute daraufhin, dass es technische Schwierigkeiten oder einen Notfall gegeben habe. Auch die Blackbox habe keine technischen Probleme aufgegeben. Es gab auch keinen Notruf aus dem Flugzeug an die ukrainische Flugüberwachung (Hier der komplette Bericht).

MH-17 Funkprotokoll

Auszug aus dem MH17-Funkprotokoll. Die letzte Übertragung aus dem Cockpit fand um 13:19:56 statt und dauerte drei Sekunden.

(Foto: Quelle: Dutch Safety Board)

Wahrscheinliche Absturzursache

Die Platzierung der Wrackteile auf dem Boden deuteten daraufhin, dass das Flugzeug während des Fluges in mehrere Teile zerbrochen sei. Aufgrund der technischen Daten des Flugzeuges sei davon auszugehen, dass die Maschine flugfähig war, als sie in Amsterdam startete und dass es keine bekannten technischen Probleme gab. Die Mannschaft des Flugzeugs sei qualifiziert und erfahren gewesen.

Bis jetzt sei es nicht möglich gewesen, eine detaillierte Untersuchung der Wrackteile am Boden durchzuführen. Doch die vorliegenden Bilder zeigten, dass Teile des Wracks an vielen Stellen durchsiebt waren. Die Schäden an Rumpf und Cockpit entsprächen denen, die entstehen, wenn ein Flugzeug von mehreren Objekten in Hochgeschwindigkeit durchsiebt werde. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Schäden das Flugzeug zerstörten und zu dem Absturz führten. Das erkläre auch, warum die Datenübertragung so plötzlich aufhörte, der Kontakt zur Flugsicherheit abbrach und zugleich das Flugzeug vom Radar verschwand.

Beschädigungen durch Buk-Rakete?

Die Schäden am Wrack könnten nach Ansicht von Luftfahrtexperten auf Einschläge einer Buk-Rakete hindeuten. Diese russischen Boden-Luft-Raketen explodieren unmittelbar vor Erreichen ihres Ziels und treffen dieses dann mit einem Splitterhagel. Das unterscheidet sie von Raketen, die von Flugzeugen aus abgefeuert werden und könnte die vielen kleinen Löcher in den Wrackteilen erklären.

Neben Russland verfügen die Armeen vieler Ex-Sowjetrepubliken über Buk-Batterien, darunter die Ukraine. Aber auch Waffenkunden und Verbündete Moskaus besitzen das System, das je nach Modell Ziele in 45 Kilometer Entfernung und 25 Kilometer Höhe treffen kann. Die Bedienung des Systems gilt als schwierig, eine sechsmonatige Ausbildung gilt als Minimum, um es zu beherrschen.

Endgültiger Bericht zum Jahrestag des Crashs erwartet

Der vorläufige Bericht ist nach Angaben des Untersuchungsteams keinesfalls vollständig. Es seien weitere Untersuchungen notwendig, um genau festzustellen, was den Absturz der Maschine verursacht habe und wie die Maschine zerborsten sei. Die Kommission geht davon aus, dass sie in der nächsten Zeit Zugang zu neuen Beweismitteln bekomme und den endgültigen Untersuchungsbericht spätestens zum Jahrestag des Unglücks vorlegen könne.

Ermittlungsteam unter niederländischem Vorsitz

Die für die Flugunfalluntersuchung zuständige Behörde OVV koordiniert das Team von etwa 25 Ermittlern. Darunter sind Vertreter der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, sowie Experten aus den Niederlanden, der Ukraine, Malaysia, Australien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA und aus Russland.

Bei dem Absturz der Passagiermaschine MH17 der Malaysia Airlines in der Ostukraine starben 298 Menschen - darunter 189 Niederländer. Bisher wurden erst 183 Opfer identifiziert. Noch immer ist unklar, ob tatsächlich die Überreste aller Insassen geborgen werden konnten.

Zwischen den Trümmern an der Absturzstelle in dem umkämpften Gebiet liegen auch immer noch persönliche Dinge der Passagiere, wie niederländische Korrespondenten berichten. Nur sechs Tage konnten die internationalen Experten das Gebiet durchkämmen, bis die Suche wegen der eskalierenden Kämpfe abgebrochen werden musste. Sie konnten nur 3,5 der 60 Quadratkilometer durchsuchen, auf denen Teile des Flugzeugwracks verstreut sind. Bei ihrer Suche wurden die Ermittler von prorussischen Rebellen mit geladenen Kalaschnikows behindert, sagten Ermittler den Reportern. Sie durften nicht unter Trümmern suchen und keine Spürhunde einsetzen.

Strafrechtliche Ermittlungen gestalten sich schwierig

Auch die strafrechtlichen Ermittler konnten den Tatort noch nicht besuchen. Zehn Staatsanwälte und 200 Spezialisten der nationalen Kriminalpolizei arbeiten an dem Fall, es ist die größte strafrechtliche Ermittlung in der Geschichte der Niederlande. Dabei arbeiten die Niederlande eng mit zwölf weiteren betroffenen Ländern zusammen. Angesichts der heftigen Kämpfe scheint es ausgeschlossen, dass die Ermittler noch vor Einbruch des Winters die Spurensuche aufnehmen können. So sind sie angewiesen auf Informationen der Geheimdienste, sowie Videos und Fotos von Medien und Tausenden Privatpersonen aus der Region.

Abgehörte Telefongespräche und Tweets der Rebellen am Tag des Absturzes sind wichtige Indizien. Sie deuten darauf hin, dass der Abschuss ein folgenschweres Versehen war. Demnach hatten die Rebellen ein ukrainisches Militärflugzeug in Visier.

Malaysias Premier fordert Zugang zur Absturzstelle

Kurz vor der Vorstellung des Untersuchungsberichts sind zwei weitere Leichen nach Malaysia geflogen worden. Damit sind nach offiziellen Angaben nun die sterblichen Überreste von 34 der 43 Malaysier an Bord in die Heimat überführt worden. Der Premierminister des Landes, Najib Razak, fordert angesichts der offenen Fragen im Expertenbericht einen uneingeschränkten Zugang zur Absturzstelle. Es sei ausgesprochen wichtig, "alle sterblichen Überreste zu bergen, die Untersuchung abzuschließen und die Wahrheit zu ermitteln", erklärte Razak auf seiner Homepage.

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