Zum Tod von Hugh Hefner:Jeder Mensch ist ein Hase

Auf Marilyn Monroe baute er sein Imperium auf, nun wird er wohl neben ihr begraben: Playboy-Gründer Hugh Hefner ist tot.

Nachruf von Ruth Schneeberger

Die meisten noch lebenden Menschen können sich das heute nicht mehr vorstellen, trotzdem ist es wahr: Es gab einmal eine Zeit ohne allzeit verfügbare Bilder nackter Frauen.

In diese Zeit prallte 1953 mitten in das prüde Amerika ein junger Mann mit einem IQ von 152 und gründete nach Psychologiestudium, Stationen als Werbetexter, Journalist und Vertriebsmitarbeiter - wo ihm angeblich eine Gehaltserhöhung um fünf Dollar verweigert worden war - kurzerhand seine eigene Zeitschrift: den "Playboy".

Es sollte ein spezielles Magazin für Herren sein. Den Vater konnte er von seiner Idee nicht überzeugen, doch seine Mutter lieh ihm 1000 Dollar. Auch sie war nicht begeistert, doch sie glaubte an ihren Sohn und dessen Durchsetzungsvermögen. Und sie sollte recht behalten.

Auf die Titelseite packte Hugh Marston Hefner, am 9. April 1926 in Chicago als Lehrerkind geboren, ein für damalige Verhältnisse freizügiges Foto der gerade bekannt gewordenen Schauspielerin Marilyn Monroe. In der Mitte des Heftes erschien die damals 27-Jährige sogar nackt. Die Hälfte von Mutters Leihgabe ging allein für diese Bilder drauf, die Hefner einem kleinen Verlag für erotische Fotos abgekauft hatte. Der Monroe selbst brachten die Aufnahmen damals nur 50 Dollar ein.

In den prüden fünfziger Jahren, zumal im oberprüden Amerika, zeigte man sich allerdings als Schauspielerin nicht einfach so im Playboy. Erstens sollte es noch Jahre dauern, bis die Zeitschrift auch in besseren Kreisen akzeptiert war und zweitens galt zu viel nackte Haut in der Öffentlichkeit als handfester Skandal. Es gab sogenannte Schmuddelheftchen, die unter der Ladentheke gehandelt wurden, in großen Zeitschriften oder Filmen war Nacktheit tabu. Keine Schauspielerin, die etwas auf sich hielt, wollte mit Pornografie in Verbindung gebracht werden. Schlagfertig reagierte Marilyn Monroe auf die Frage eines Reporters, ob sie denn wirklich nichts anhatte, mit der Antwort: "Doch, das Radio!"

Aber Hugh Hefner gelang es, die Bilder nackter Frauen vom damaligen Schmutzimage zu befreien - indem er drumherum ein dann doch irgendwie stilvolles Männermagazin gestaltete. Mit edler Optik, echten Reportagen und halbwegs ernstzunehmenden Tipps für den Mann von Welt. Autos, Design, Architektur, Stilberatung, Karrieretipps - alles, was Männer, die auch über ein funktionstüchtiges Hirn verfügen, interessieren könnte, packte er zu den Nacktbildern dazu. Die bei Pornografie traditionell eher unterbelichteten Texte ersetzte er durch güldene Worte von Edelfedern wie Vladimir Nabokov oder Norman Mailer, die im Laufe der Zeit zu vorzeigbaren Autoren wurden.

In den sechziger und siebziger Jahren wuchs sich der Playboy durch diese Mischung zu einem Imperium aus, in dessen Mitte der ewige König der Hasen thronte: Hugh Hefner wurde älter, heiratete mehrfach, setzte sechs Kinder in die Welt - und blieb doch wie in einem Jungbrunnen von niemals alternden und fast immer blonden "Bunnies" umgeben.

In Interviews erzählte er, dass in seiner Familie sehr wenig Kontakt geherrscht habe, sowohl körperlich als auch emotional, dafür ein ausgeprägter Wasch- und Putzzwang. Diese "Mysophie" habe dazu geführt, dass "Hef" schon früh Fantasien und Sehnsüchte entwickelte, die er später in seinen Männermagazinen zu Milliarden machte.

Ein Leben im Seidenpyjama

Um den Macho-Stil zu vervollkommnen, wurden Playboy-Clubs, TV-Shows, Pyjama-Parties und Festivals ausgerichtet. Dass dafür Frauen mit Hasenohren und Hasenschwänzen versehen und in ihrer Rolle als Sexobjekt degradiert wurden, wurde dabei im Überschwang der Reize stets gönnerhaft übersehen. 26 Millionen Leser und Playboy-Fans konnten ja nicht irren. Das war der ultimative amerikanische Männer-Traum - und Hugh Hefner war sein Schöpfer und gleichzeitig großes Vorbild.

Doch dann kamen die achtziger Jahre und die Konkurrenz schlief nicht länger. Erst machte Penthouse dem Playboy ernsthafte Probleme und dann kam Ronald Reagan. Der damalige US-Präsident setzte eine Kommission zur Bekämpfung der Pornografie ein. Schließlich wollte Hugh Hefners Tochter Christie, eine Literaturwissenschaftlerin, die seit 1982 das operative Geschäft des Imperiums leitete, den Hasendamen männliche "Rabbits" zur Seite zu stellen und "Zärtlichkeit und Romantik" als neue Losung des Heftes ausgeben. Das war zu viel auf einmal für den Playboy. 1986 mussten die Clubs in New York, Los Angeles und Chicago aus Kostengründen schließen. Hugh Hefner legte seine Präsidentschaft nieder. Nach einem leichten Schlaganfall übergab er die Firmenleitung komplett an seine Tochter.

Playboy magazine founder Hugh Hefner poses for a portrait at his Playboy mansion in Los Angeles

Immer im Schlafrock: Der Herrscher über die Hasen, Hugh Hefner.

(Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Doch Hefner blieb Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift, ließ sich mit einem geschätzten Vermögen von 100 Millionen Dollar zum Alterspräsidenten machen und wählte weiterhin höchstpersönlich das "Playmate des Monats" aus. Außerdem zeigte er sich und seinen auch im Alter höchst ausschweifenden Lebenswandel nun immer öfter im TV: Nach Auftritten bei "Sex and the City" (wo sonst?) und in seichten Kinokomödien ließ er sich und seine "Hasen" kurzerhand per Reality-TV in die Welt übertragen. "The Girls of the Playboy Mansion" zeigte von 2005 bis 2010 das Leben in seiner berühmtem Villa mit diversen Playmates und Lebensgefährtinnen, die während der sechs Staffeln mehrfach ausgetauscht wurden. Teil des Formats war auch Crystal Harris, die Hugh Hefner nach ein paar Irrungen und Wirrungen an Silvester 2012 heiratete. Sie ist seine dritte Ehefrau und 60 Jahre jünger als er.

Hefners Tochter schied 2009 aus dem Konzern aus. In dieser Zeit machte die Zeitschrift häufig Verluste. Als die wirtschaftliche Situation immer schwieriger wurde, drohte der Playboy von den Besitzern der Penthouse übernommen zu werden. Doch um der ärgsten Konkurrenz zuvorzukommen, kaufte Hefner selbst das Blatt 2011 noch einmal auf.

Im hohen Alter rettete Hefner außerdem noch eine andere amerikanische Institution. Er spendete 900 000 Dollar für den berühmten Hollywood-Schriftzug und hinderte damit einen Investor daran, die Hügel in Los Angeles stattdessen mit Nobelvillen zu bebauen.

Berufsbekleidung: Morgenrock

Im Gegensatz zu anderen Grauhaarigen war Hugh Hefner in der Öffentlichkeit schon weit vor den üblichen Alterserscheinungen oder Ruhestandsverwahrlosungen fast nur noch im Seidenpyjama und samtenen Morgenrock bekannt, für ihn eine Art Berufsbekleidung. In den vergangenen Jahren wurde es sehr still um ihn. Die Playboy Mansion wurde nach seinem 90. Geburtstag im Jahr 2016 für 100 Millionen Dollar verkauft - und Hefner ein "lebenslanges" Wohnrecht eingeräumt. Auf der letzten dort gefeierten Party war der Herr der Hasen aber schon nicht mehr dabei. Er sei stark abgemagert und schaue vorwiegend alte Filme, so die Gerüchte.

Hugh Hefner war ein Mann der Extreme. Er verkaufte die billigsten Träume mit den blondesten Busenwundern an Männer auf der ganzen Welt - und wollte doch stets den urbanen Stil eines James Bond verkaufen: "Work hard, play hard - aber bitte mit Stil!"

Hefner ist nun im Alter von 91 Jahren gestorben - "friedlich und unter natürlichen Umständen in seinem Haus 'The Playboy Mansion' im Kreis geliebter Menschen", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Seine ewige Ruhe wird der Rastlose - zum Gesamtkonzept passend - nicht neben einer seiner Ehefrauen finden, sondern neben keiner geringeren als Marilyn Monroe. Hefner hat sich beizeiten einen Platz neben ihrem Grab gesichert, so endet sein Lebenswerk, wie es anfing. Hefner bleibt eben doch ein Ästhet, stilvollendet bis zum Tod - und darüber hinaus. Und sagte nicht schon Josef Beuys: Jeder Mensch ist ein Hase?

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