Zugunglück in Sachsen-Anhalt:Risiken der Strecke seit Jahren bekannt

Wäre das schwere Zugunglück in Sachsen-Anhalt vermeidbar gewesen? Einem Medienbericht zufolge wissen Bahn und Ministerium seit Jahren von den Gefahren.

Die Gefahren der Strecke zwischen Magdeburg und Halberstadt sind offenbar bereits seit Jahren bekannt gewesen. Einem Medienbericht zufolge wussten Deutsche Bahn, Eisenbahnbundesamt und Bundesverkehrsministerium seit 1997 von den Risiken, berichtet der Spiegel.

Trauer um Opfer des Zugungluecks von Hordorf

Trauer um die Opfer des Zugunglücks von Hordorf: Offenbar wissen Bahn und Ministerium seit mehreren Jahren von den Gefahren auf der Strecke.

(Foto: dapd)

Nach einem Unglück im Juni 1996 in Nordthüringen wollte das Bundesverkehrsministerium laut Spiegel die Bahnstrecken im Osten dringend mit punktförmiger Zugbeeinflussung (PZB) ausrüsten, die Züge beim Überfahren von Haltesignalen automatisch stoppt. Die Bahn habe sich im Oktober 2000 verpflichtet, 1.500 Kilometer Haupt- und 10.000 Kilometer Nebenstrecke mit dem System auszurüsten.

Der Bahn war laut Bericht bewusst, dass die Strecke "durch eine Ereignishäufung gekennzeichnet" sei. Der PZB-Einbau müsse "bis spätestens Ende 2008 erfolgen", soll es in einem Vermerk heißen. Die Kosten für die Ausrüstung der 52 Kilometer langen Strecke Halberstadt - Magdeburg hätten 533.000 Euro betragen.

Das Eisenbahnbundesamt habe das Geld für die Ausrüstung der Strecke mit PZB lange nicht bewilligt. Zwei Monate, nachdem die Gesamtkonzeption der Bahn vorgelegen habe, sei die Genehmigung erteilt worden.

Die Deutsche Bahn AG wies den Bericht umgehend zurück. Die Bahn habe seit Ende der 1990er Jahre mehrere Tausend Streckenkilometer vor allem in den neuen Bundesländern mit der PZB ausgerüstet, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Samstag. Das Streckennetz der Deutschen Bahn entspreche damit vollständig den gesetzlichen Anforderungen.

Trauerfeier für die Opfer des Zugunglücks

In Ostdeutschland sind laut Bahn nun insgesamt rund 6 600 Kilometer mit dem zusätzlichen Sicherungssystem ausgestattet. Solche Vorkehrungen fehlten allerdings an der Unglückstelle zwischen Magdeburg und Halberstadt. Vorgeschrieben ist das System nämlich nur auf Strecken, bei denen eine Höchstgeschwindigkeit über 100 Kilometer pro Stunde zugelassen ist.

Bei dem Zusammenstoß eines Personen- und eines Güterzugs auf eingleisiger Strecke bei Hordorf waren am vergangenen Samstag zehn Menschen getötet und 23 verletzt worden.

An diesem Samstag haben im Dom zu Halberstadt 800 Trauergäste der Opfer gedacht. "Unser Beileid gehört den Angehörigen, die noch fassungslos sind angesichts des Verlustes", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Das Mitgefühl gelte auch den Verletzten, denen Böhmer eine schnelle und möglichst weitgehende Genesung wünschte. Böhmer dankte auch den zahlreichen Helfern, die sich nach dem Unglück engagiert hatten. Insbesondere im Ort Hordorf habe es eine beeindruckende Welle der Hilfsbereitschaft gegeben, sagte Böhmer.

Hordorf sei daher nicht nur ein Ort des Erschreckens. "Es ist auch zu einem Ort gelebter Mitmenschlichkeit geworden", betonte der Ministerpräsident. Er warnte zudem vor vorschnellen Schuldzuweisungen und davor, das Unglück in der politischen Diskussion zu missbrauchen. Unter den Trauergästen waren auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bahnchef Rüdiger Grube.

Ramsauer nimmt Bahn in Schutz

Ramsauer hatte zuvor in einem Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn zurückgewiesen. Das Unglück gehe nicht auf das Versagen der Deutschen Bahn zurück, erklärte Ramsauer. Hätte der Güterzug nicht - wie es scheine - die Haltesignale überfahren und wäre er dem Aufruf zum Nothalt gefolgt, wäre dieser Unfall nicht passiert, betonte der Minister. Die Bahn rüste seit geraumer Zeit zahlreiche eingleisige Strecken mit einem Sicherheitssystem nach.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), hatte zuvor schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn erhoben: "Diese Zugkollision hätte mit Sicherheit verhindert werden können, wenn die Strecke mit dem entsprechenden Sicherheitssystem ausgestattet wäre", sagte Hermann der Zeitschrift Super Illu. Es sei skandalös, dass es gerade in Ostdeutschland immer noch viele Bahnstrecken gebe, die noch nicht mit dem automatischen Bremssystem PZB ausgerüstet sind, das die Züge automatisch stoppt, wenn sie ein Haltesignal überfahren.

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