Das entscheidende Wort an diesem Dienstagnachmittag, keine 24 Stunden nachdem in einem muslimischen Gebetsraum drei Menschen angeschossen wurden, lautet: Okkultismus. Wenn der mutmaßliche Täter einem Weltbild nahestünde, dann könnte das die schwarze Magie sein, sagte Christiane Lentjes Meili, Chefin der Zürcher Kriminalpolizei. Das würden zumindest gewisse Symbole in seiner Wohnung nahelegen.
Verbindungen zum "Islamischen Staat" oder anderen islamistischen Gruppierungen? Könnten nach derzeitigem Ermittlungsstand ausgeschlossen werden. Verbindungen zu den fast gleichzeitigen Vorkommnissen in Berlin und der Türkei? Ebenfalls. Auch ein rechtsextremistischer Hintergrund, den zuletzt viele vermutet hatten, sei unwahrscheinlich. Der mutmaßliche Täter, ein 24-jähriger Schweizer, soll sich am Montagabend selbst getötet haben.
Schweiz:Zürich: Polizei identifiziert Toten als mutmaßlichen Attentäter
Mitten im Gebet hatte der Mann auf Betende in einer Moschee geschossen. Am Nachmittag will die Polizei weitere Details bekannt geben.
Die Behörden fahndeten bereits nach dem Mann - informierten die Öffentlichkeit aber nicht
Nach bisherigen Erkenntnissen hatte er zu diesem Zeitpunkt einen regelrechten Amoklauf hinter sich. Schon am Sonntagmorgen soll er das erste Mal getötet haben: Auf einem Spielplatz im Zürcher Stadtkreis Schwamendingen wurde die brutal zugerichtete Leiche eines früheren Freundes des mutmaßlichen Täters von einem Spaziergänger aufgefunden.
Die Polizei fahndete am Sonntag und Montag mit Hochdruck nach dem Mann, der durch diverse Spuren am Tatort identifiziert werden konnte. Die Öffentlichkeit wurde in dieser Zeit noch nicht informiert - auch um eine Panikreaktion des Gesuchten zu verhindern. Man sei dem Mann auf der Spur gewesen, habe seine Wohnung durchsucht, mit seinen Angehörigen Kontakt gehabt, hieß es am Dienstag von der Kantonspolizei.
Den brutalen Angriff auf das islamische Zentrum konnten die Fahnder jedoch nicht verhindern. Dort soll der 24-jährige Schweizer mit ghanaischen Wurzeln am späten Nachmittag drei Männer angeschossen haben. Die Opfer, 30, 35 und 56 Jahre alt, wurden zum Teil schwer verletzt. Alle mussten im Krankenhaus notoperiert werden, befinden sich aber inzwischen außer Lebensgefahr.
In dem islamischen Zentrum in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs kommen vor allem Somalier zum Gebet zusammen. Viele Gemeindemitglieder fanden sich am Montagabend auf der Straße vor ihrem Gotteshaus ein, sie schienen fassungslos zu sein. Es handle sich um ein friedliches Haus, in der religiösen Auslegung moderat, berichteten die Gläubigen übereinstimmend.
Nach und nach sickerte durch, was sich im Gebetsraum abgespielt hatte - neben den drei Opfern waren zum Tatzeitpunkt noch andere Gläubige im Gebetshaus. Sie beschrieben den Täter als etwa 30-jährigen, dunkel gekleideten Mann. Auch von einer dunklen Hautfarbe war die Rede. Ob es tatsächlich Videoaufnahmen von der Tat gibt, wie die Gläubigen erzählten oder ob der Täter tatsächlich "Raus aus unserem Land!" gebrüllt hatte, wie es vereinzelt hieß, wollte die Polizei am Dienstag nicht bestätigen.
Man befinde sich "in einem sehr frühen Ermittlungsstadium" und habe noch nicht alle Zeugenaussagen auswerten können, hieß es von der Kantonspolizei. Die Spurensicherung an den Tatorten sei aber schon weit fortgeschritten. Aus diesem Grund könne man auch mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass der leblose Mann, der am Montagabend an einem Fluss unweit des Gebetshauses gefunden worden war, sowohl für die Tat in Schwamendingen als auch für den Angriff auf das islamische Zentrum verantwortlich sei. Zudem spreche alles dafür, dass sich der Mann selbst getötet habe.
Für die Schusswaffe, die er für diese Tat verwendet hatte, besaß er einen offiziellen Waffenschein. Der Tote vom Spielplatz in Schwamendingen wies dagegen zahlreiche Messerstiche auf.
Der mutmaßliche Täter war zuletzt 2009 als Jugendlicher polizeilich in Erscheinung getreten. In seinem Strafregister finden sich Fahrraddiebstähle und eine Tätlichkeit. Seine Anstellung in einem Geschäft soll er am vergangenen Freitag gekündigt haben.
"Warum unsere Moschee", fragen sie
Die Gläubigen des islamischen Zentrums, die zahlreich zu der Pressekonferenz erschienen waren, stellten vor allem die Frage nach einem Motiv. "Warum unsere Moschee?", fragten sie immer wieder, doch die Ermittler blieben die Antwort schuldig. Man habe "bisher keine Erkenntnisse" über eine mögliche Verbindung des mutmaßlichen Täters zu dem Gebetshaus, könne im Moment nicht einmal davon ausgehen, dass sich der Schütze gezielt diesen Ort ausgesucht habe. Aus diesem Grund sei ein stärkerer Schutz der muslimischen Gotteshäuser in Zürich derzeit nicht geboten. Genaueres würden aber die Ermittlungen zeigen. Vieles sei noch sehr vage.
In einem Punkt aber zeigten sich die Ermittler absolut überzeugt: Es gebe keine Anzeichen, wirklich gar nichts, was diese Taten in Verbindung mit internationalen Terroristen bringen könnte.