Zsa Zsa Gabor:Eine Frau von einem anderen Stern

Zsa Zsa Gabor tot

Eine der letzten Diven Hollywoods: Zsa Zsa Gabor ist im Alter von 99 Jahren verstorben.

(Foto: dpa)

In den Jahren vor der sexuellen Revolution verkörperte Zsa Zsa Gabor einen Grad an Verruchtheit, den Hollywood nur Importen aus der Alten Welt zugestand. Gabor spielte die Strip-Club-Besitzerin nicht nur, sie war sie.

Nachruf von Willi Winkler

Unter den vielen schlechten Filmen, die in gut hundert Jahren aus Hollywood kamen, ist das Science-Fiction-Märchen "In den Krallen der Venus" (1958) womöglich der schlechteste: Eine ausschließlich männliche Raumpatrouille landet auf dem Planeten Venus, der von einer bösen und auch noch männermordenden Königin beherrscht wird. Natürlich leben nur Frauen auf der Venus, Frauen, die bei Wind und Wetter herumlaufen, als wollten sie sich alle um den Titel der "Miss Oklahoma" bewerben. Weniger überraschend ist, wie sie darunter leiden, dass sie keine Männer haben, die sich für ihre imposanten Brüste interessieren. Die Amazonen, angeführt von Talleah, verbinden sich daher mit den Astronauten gegen ihre Chefin, um sie unschädlich zu machen. Die Natur kommt zu ihrem Recht, und der Zuschauer aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Talleah wurde von Zsa Zsa Gabor nicht etwa gespielt, sondern mit statueskem Ganzkörpereinsatz dargestellt: schön und blond und für heutige Begriffe recht kräftig gebaut. Sie war eine Sirene in Wasserstoffperoxid mit einem lustigen Akzent, der jedoch nicht aus dem Weltraum, sondern aus dem alten Europa kam und in amerikanischen Ohren unglaublich sexy klang.

Als Sári Gábor war sie 1917 in Budapest zur Welt gekommen, mit fünfzehn debütierte sie als Schauspielerin in Wien, wo das Mädchen, nicht ohne Tun der ehrgeizigen Mutter, dem berühmten Richard Tauber auffiel. 1936 wurde sie zur "Miss Ungarn" gekürt. Wie ihre jüngere Schwester Eva ging Zsa Zsa nach Amerika, aber keineswegs direkt nach Hollywood, sondern um möglichst reich zu heiraten. Das gelang ihr zum ersten Mal bei Conrad Hilton, dem Begründer der gleichnamigen Hotelkette. Liebe mochte auch eine Rolle spielen, doch die Diamanten, die Zsa Zsa Gabor zu sammeln begann wie andere Frauen vielleicht Handtaschen, lieferten bei den folgenden sechs Ehen ein womöglich doch kräftigeres Argument.

Eine Frau von einem anderen Stern

Es kam zu mehr als vierzig Filmen, die sie mit ihrer alteuropäischen Schönheit zierte, doch eine Schauspielerin wurde sie trotzdem nie; dafür war, bittäscheen, ihr eigenes Leben viel zu aufregend. Mit ihrem ersten Gatten, einem türkischen Geschäftsmann, hat sie angeblich gar nicht geschlafen, sondern ließ sich lieber von Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei, höchstpersönlich entjungfern. Während sie noch mit George Sanders verheiratet war, pflegte sie 1952 eine recht öffentliche Affäre mit dem seinerzeit weltbekannten Playboy Porfirio Rubirosa. Ihre Liebe muss wahrhaft leidenschaftlich gewesen sein, denn Gabor trat einmal mit einer Augenklappe vor die Presse und behauptete, ihr heißblütiger Liebhaber habe sie geschlagen.

Sie wiederum knallte dem Polizisten eine, der es gewagt hatte, sie anzuhalten, weil sie keine Fahrerlaubnis für ihren weißen Rolls-Royce besaß. Mit Frank Sinatra soll sie nur ins Bett gegangen sein, damit der endlich sein Auto von ihrer Auffahrt entfernte. Ein anderer Ehemann, Jack W. Ryan, war Ingenieur und entwickelte Spielzeugwaffen. Seine bekannteste ist die wegen ihrer Lebensnähe so geschätzte Barbie-Puppe.

Zsa Zsa hatte eine Tochter, der sie beizeiten ein Verfahren wegen angeblichen Betrugs anhängte; natürlich ging es auch hier um das viele Geld, das sie über die Jahre und Ehemänner angehäuft hatte. Insgesamt vier Autobiografien schrieb sie, in denen sie die Wahrheit jederzeit einer Pointe wie dieser opferte: "Ich wurde nicht geboren, sondern beim Room Service bestellt."

Zsa Zsa Gabor gehörte nie in die erste Reihe der Hollywood-Prominenz

Zsa Zsa Gabor, da gibt's keinen Zweifel, war eine Frau von einem anderen Stern, vielleicht sogar der Venus. Orson Welles engagierte sie neben Marlene Dietrich für seinen film noir "Touch of Evil" (1958). Sie spielte, nein, sie war die Besitzerin eines Strip-Clubs, aber sie hätte es jederzeit noch mal mit ihren Mädchen aufgenommen. Sie war der erste Star, der berühmt nur dafür war, dass er berühmt war. Wunderbarerweise konnte sie diesen prekären Status bis fast zuletzt bewahren. Sie wurde zum Vorbild für eine orientierungslose Jugend. Gut möglich, dass sich ihre Stief-Urenkelin, die zitronengelbe Paris Hilton, so manches von dieser einmaligen Hüfthalterin abgeschaut hat. In den bonbonfarbenen aber sonst so tristen Jahren vor der sexuellen Revolution verkörperte die professionell lispelnde Zsa Zsa einen Grad an Verruchtheit, den Hollywood nur Importen aus der Alten Welt zugestand.

Das lange skandalreiche Leben hatte sie schließlich in achter - je nach Zählung auch neunter Ehe - in die Arme des adoptierten Prinzen Frédéric von Anhalt geführt, der seinerseits recht ertragreiche Verbindungen einging, von denen die mit der Frau von der Venus sicherlich die ergiebigste war. Glaubhaften Berichten zufolge wurde die arme Zsa Zsa von ihrem Bunte-Prinzen wie ein exotisches Haustier gehalten und nur mehr ausgewählten Besuchern vorgeführt. Die Außer- und ein bisschen Überirdische unterschied sich nicht mehr von gewöhnlichen Sterblichen. Ihre Skandale beschränkten sich auf lebensbedrohende Stürze. Ein Autounfall vor zehn Jahren brachte ihr ein bescheidenes Ruhegeld von zwei Millionen Dollar, aber dafür saß sie fortan im Rollstuhl. Anfang 2011 musste sie sich das rechte Bein bis übers Knie amputieren lassen. Die Tochter wollte sie entmündigen lassen, dafür wünschte sich der unbezahlbare Prinz noch ein Kind von ihr.

Zsa Zsa Gabor gehörte nie in die erste Reihe der Hollywood-Prominenz, dafür waren ihre Filme zu schlecht und sie zu intelligent. Oder wie sie es formulierte: "Ich bin die perfekte Hausfrau. Jedes Mal, wenn ich einen Mann verlasse, behalte ich das Haus." Die große Selbstdarstellerin Sári Gábor starb am Sonntag im Alter von 99 Jahren in Los Angeles. Ungarn trauert, und die übrige Welt schaut weiter sehnsüchtig auf zum Planeten Venus.

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