Süddeutsche Zeitung

Zimmerman und der Fall Trayvon Martin:Ein Freispruch empört das schwarze Amerika

Vor Gericht ist der Fall entschieden: George Zimmerman hat keine Schuld, er hat den Jugendlichen Trayvon Martin nach Meinung der Geschworenen aus Notwehr erschossen. Bei den Bürgern löst das Urteil Bestürzung aus. Sie gehen in mehreren Großstädten auf die Straße, prangern den Freispruch als rassistisch an. Auf Twitter wird der Schütze mit dem Tod bedroht.

"Jetzt ist er frei und kann ein weiteres Kind töten": Seit der Freispruch George Zimmermans verkündet ist, laufen minütlich wütende und fassungslose Nachrichten auf Twitter ein. Der Nachbarschaftswächter ist im Fall des getöteten Jugendlichen Trayvon Martin nicht schuldig, entschieden die Geschworenen. Die Reaktionen der Bevölkerung im Internet entwerfen ein gegensätzliches Bild. Sie reichen von Trauer bis hin zu Todesdrohungen: "George Zimmerman, dead man walking", schreiben einige Nutzer und neben dem Hashtag #RipTrayvon kursiert nun auch ein weiterer: #RipZimmerman. Der Nachbarschaftswächter, der während des Prozesses auf Kaution frei war, hält sich versteckt und trägt einem Bericht der New York Times zufolge eine kugelsichere Weste.

Zwar hatten mehrere Organisationen bereits vor der Urteilsverkündung zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen, doch zu mächtig sind offenbar die Emotionen in dem Fall, der Amerika spaltet: Viele Menschen drängt es auf die Straße, in mehreren Städten des ganzen Landes haben sie sich zu Protesten formiert. Auch die afroamerikanische Organisation NAACP teilte mit: "Wir sind empört und untröstlich über das heutige Urteil."

In San Francisco verlaufen die Demonstrationen "laut, aber friedlich", schreibt ein Nutzer auf Twitter und veröffentlicht ein Bild der etwa 200 Menschen, die ihre Bestürzung über das Urteil kundtun. In einem Video des gleichen Twitterkanals ist die skandierende Menge zu sehen. Zahlreiche Polizisten begleiten den Protestmarsch. Schilder mit Aufschriften wie "Das ganze System ist rassistisch" zeigen deutlich, warum der Prozess für so viel Aufregung sorgt: Die Demonstranten und die Eltern des Erschossenen werfen den Behörden vor, den Fall nicht angemessen zu behandeln, weil Martin schwarz war.

Der Jugendliche befand sich am 26. Februar vergangenen Jahres auf dem Nachhauseweg, als Zimmerman auf ihn aufmerksam wurde. Der Nachbarschaftswächter beteuert, dass Martin ihn zuerst attackiert habe und er nur sein - in Florida besonders weitreichendes - Recht auf Notwehr durchgesetzt habe. Das Gericht gab dem 29-Jährigen letztendlich recht, konnte aber bis zum Ende der Verhandlungen keine Gewissheit darüber erlangen, was in der Nacht passiert war.

Auch in Atlanta, Los Angeles und Washington gingen Demonstranten auf die Straße. Die gleichen Plakate tauchen auf, die schon wenige Tage nach Martins Tod von Zehntausenden Menschen bei Protesten hochgehalten wurden, als junge Menschen in Kapuzenpullis - wie Martin ihn in der Nacht trug - auf die Straße gingen und die Verhaftung Zimmermans forderten. Diese erfolgte erst eineinhalb Monate nach den tödlichen Schüssen.

"Wir sind alle Trayvon Martin", steht etwa auf einem Schwarzweißbild des Getöteten, das jemand in Los Angeles bei sich trägt. "Trayvon Martin wurde ermordet", rufen die Marschierenden in Washington. Und: "Keine Gerechtigkeit, kein Frieden." Auch in der Hauptstadt wurden noch keine Fälle von Gewalt bekannt, berichtet NBC Washington. Die Polizei sei zwar anwesend, mische sich aber nicht in den Protest ein.

Die Eltern des getöteten Teenagers waren während der Verkündung des Urteils nicht im Gerichtssaal. Später meldeten sie sich auf Twitter zu Wort: "Herr, in meiner dunkelsten Stunde verlasse ich mich auf dich", schreibt seine Mutter Sybrina Fulton. Ähnlich äußert sich auch der Vater des Toten: "Obwohl mein Herz gebrochen ist, ist mein Glaube unversehrt. Ich werde mein Baby Tray immer lieben."

Vor dem Gerichtssaal waren einige Menschen in Tränen ausgebrochen, als sie vom Freispruch erfuhren. Die Verteidigung hingegen feiert ihn als Triumph: "Ich bin begeistert, dass die Geschworenen verhindert haben, dass sich diese Tragödie in eine Travestie verwandelt", sagte Verteidiger Don West vor der Presse.

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