Süddeutsche Zeitung

Vor Gericht:Das böse Bild vom Großvater

Ein deutscher Tourist stößt sich an einem Bild in einem Hoteleingang - und hinterlässt eine negative Bewertung auf einem Onlineportal. Jetzt ist der Fall vor Gericht gelandet und wirft eine brisante Frage auf: Wann darf man jemanden Nazi nennen?

In Österreich ticken die Uhren anders - manche sagen, sie gehen - politisch gesehen - mitunter arg nach. In dieser Ansicht fühlte sich möglicherweise auch ein deutscher Tourist bestätigt, der auf dem Rückweg von Italien zusammen mit seiner Frau in einem familiengeführten Vier-Sterne-Hotel im Zillertal nächtigte. Dort hing im Eingangsbereich ein gerahmtes Foto, das beim Touristen Anstoß erregte: Die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines älteren Herrn in Wehrmachtsuniform, die mit dem damals obligatorischen Hakenkreuz-Aufnäher versehen war.

Der Tourist hinterließ nach seinem Besuch im Zillertal eine Bewertung auf der Online-Buchungsplattform Booking.com. Die Überschrift lautete: "Am Hoteleingang: Bild vom Nazi-Opa". Gleiches schrieb er auf der englischen Seite Tripadvisor, in beiden Fällen anonym.

Der Hotelbesitzerin gelang es dennoch, den Namen des Mannes herauszufinden - und sie verklagte ihn prompt wegen Beleidigung und falscher Tatsachenbehauptung. An diesem Freitag gab es im Landesgericht in Innsbruck einen ersten Termin in der Sache. Der Streitwert beträgt formal 20 000 Euro, aber faktisch gehe es vor allem um die Frage, ob die Bewertung gelöscht werden müsse, erklärt Wolfram Salzer, der Anwalt des Angeklagten.

Die Klage um das Bild im Hoteleingang berührt eine Frage, in die Zeiten des Aufstiegs rechtspopulistischer und rechtsradikaler Politiker aktueller denn je ist: Wann ist es gerechtfertigt, jemanden "Nazi" zu nennen?

Die Hotelbesitzerin wollte die Bezeichnung auf jeden Fall nicht stehen lassen. Bei dem Mann auf der Fotografie handele es sich um ihren Großvater, sagte sie in der Verhandlung. Das Tragen einer Wehrmachtsuniform mache noch keinen Nazi aus, so ihre Argumentation. Der Tourist, der die Bewertung abgegeben hatte, hielt dagegen: Er könne beweisen, dass der Mann auf der Fotografie sehr wohl Mitglied in der NSDAP gewesen war, genauso wie ein weiterer Mann auf einem weiteren Foto im Eingangsbereich des Hotels.

Eine Parteimitgliedschaft ihres Großvaters hatte die Klägerin zu Beginn des Prozesses noch bestritten. "Das kann man einfach im Bundesarchiv in Berlin nachschauen", sagt Anwalt Salzer. Er sieht die Online-Bewertung - unabhängig von der Frage, ob der auf dem Foto abgebildete Mann damals Parteimitglied war - ohnehin durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Ob er mit seiner Einschätzung recht hat, wird sich aber erst im Hauptsacheverfahren klären, für das noch kein Termin angesetzt ist.

Die Hotelbetreiber haben das Bild inzwischen abgehängt. Vielleicht, weil die Causa schädlich fürs Geschäft sein könnte. So schädlich, dass ein naher Verwandter der Hotelbetreiber - bereits bevor diese rechtliche Schritte unternahmen - auf andere Art versucht haben soll, den ehemaligen Gast dazu zu bewegen, die Bewertung freiwillig von der Plattform zu nehmen. Er soll den Deutschen Dutzende Male angerufen haben, "auch zu Nachtzeiten" wie dessen Anwalt sagt. Dagegen wurde übrigens ebenfalls Klage eingereicht.

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