Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Viele Patienten haben für mich sogar eigene Pantoffeln"

Amin Ballouz ist als Jugendlicher aus Libanon geflohen, heute ist er Arzt in der Uckermark, fährt mit dem Trabi zu seinen Patienten - und ist Vorlage für eine ZDF-Serie.

Interview von Friedrich Conradi

"Dr. Ballouz" ist Chefarzt einer kleinen Klinik in der Uckermark, ein Arzt mit Trabi und libanesischen Wurzeln. Gerade ist die zweite Staffel der Wohlfühlserie im ZDF gestartet, den Doktor gibt es wirklich: Amin Ballouz floh als Jugendlicher nach Deutschland und studierte hier Medizin. 2016 wurde er durch das Buch "Deutschland draußen: Das Leben des Dr. Amin Ballouz, Landarzt" bekannt. Der 63-Jährige hat eine Praxis im brandenburgischen Schwedt. Und auch im echten Leben fährt er Trabi.

SZ: Herr Ballouz, wieso fahren Sie eigentlich Trabi?

Amin Ballouz: Der Trabi ist für mich mehr als nur ein Auto, er ist eine Art Verbindung zu den Menschen in der Uckermark. Das Auto habe ich von einem alten Mann in Templin gekauft, für 300 Euro. Die Leute hören ihn und wissen schon: Der Doktor kommt. Den Klang mag ich auch sehr, der Takt erinnert mich an mein Flugzeug.

Sie haben auch ein Flugzeug?

Ein ultraleichter Flieger mit Zweitaktmotor. Genau derselbe wie der des Trabants. Wenn ich die Zeit dazu habe, fliege ich über die Seenlandschaft und die Dörfer, in denen meine Patienten leben.

Wissen Ihre Patienten, dass Sie die Vorlage für eine Serie sind?

Ja. Sie fragen mich, wann die nächste Staffel kommt, um wie viel Uhr sie ausgestrahlt wird, oder sie schicken mir über Whatsapp Kritiken der Serie. Der Erfolg ist wirklich erstaunlich.

Wie gefällt Ihnen die Serie?

Am besten gefällt mir, wie mich Merab Ninidze spielt. Er kann das nur so einfühlsam spielen, weil er selbst erfahren hat, was es bedeutet, vor dem Krieg zu fliehen und als Fremder in einem neuen Land anzukommen. Ninidze kommt aus Georgien.

Worüber sprechen Sie mit ihm?

Über das Flüchtlingsleben und das Fußfassen in Deutschland. Das ist uns beiden gelungen, und das ist das Schönste, was es gibt. Meine Familie ist über die gesamte Welt verstreut, viele meiner Freunde aus Schulzeiten sind umgekommen, ich bin mit 17 nach Deutschland geflohen. Erst bin ich nach Syrien, von dort nach Ägypten und dann weiter über das Mittelmeer. Jetzt will ich hier nicht mehr weg.

Aus Beirut in die Uckermark ist wahrscheinlich eine ziemliche Umstellung. Gefällt Ihnen das Landleben?

Ja, unser Haus ist nicht so beengt wie die kleine Wohnung in Beirut damals, hier haben meine Kinder Platz, können Fahrrad fahren und draußen spielen. Beim Hausbau haben mir fast alle meine Patienten geholfen, oder das zumindest angeboten. Dachdecker, Maurer, Klempner, alle sind gekommen.

Was machen die Bilder aus der Ukraine mit Ihnen?

Ich kann im Moment keine Nachrichten gucken. Was dort passiert, erinnert mich zu sehr an den Krieg in Libanon. Es sind so viele gestorben damals, meine Schwester und mein Bruder wurden verletzt. Bis heute habe ich vor Augen, wie unser Haus aussah, als damals die Raketen einschlugen: ganz schwarz und verkohlt. Jetzt kommen einige geflüchtete Menschen aus der Ukraine in meine Praxis. Ich nehme mir viel Zeit für sie, versuche ihnen das zu geben, was ich hier erfahren habe.

Und wie fühlt es sich an, dass aus Ihrem Leben eine Unterhaltungsserie wurde?

Das ist schon auch eine Bestätigung, dass ich es geschafft habe, nach meiner Ankunft als traumatisierter Flüchtling, der zusammenzuckte, wenn eine Tür knallte. Die Serie erinnert mich an eine wichtige Sache: nie den Mut zu verlieren! Jetzt bin ich hier zu Hause. Viele Patienten haben für mich sogar eigene Pantoffeln, die ich anziehe, wenn ich vorbeikomme.

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