Zahngold im Krematorium:Verlockender Griff in die Asche

Wem gehört das Zahngold von eingeäscherten Toten? Ein Mitarbeiter eines Krematoriums hat sich daran bereichert. Das Geld muss er nun wohl zurückgeben - aber nicht den Hinterbliebenen.

Von Detlef Esslinger

Auch so eine Frage, mit der man sich normalerweise nicht beschäftigt, die aber doch eines Tages beantwortet werden muss: Wenn man tot ist und falls man sich verbrennen lässt - wem gehört eigentlich das Zahngold, das von einem übrig bleibt? Den Hinterbliebenen? Dem Krematorium? Oder dürfen dessen Mitarbeiter es einstecken? Darauf muss das Bundesarbeitsgericht in Erfurt an diesem Donnerstag eine Antwort finden.

Das Krematorium aus dem Hamburger Stadtteil Öjendorf klagt gegen seinen früheren Mitarbeiter Walter L. auf 273 000 Euro Schadenersatz, plus Zinsen. Der Mann hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Aschekästen nach Gold und anderen Edelmetallen zu durchsuchen und anschließend zu verkaufen. Im Jahr 2010 flog das auf, und seitdem beschäftigen sich viele Gerichte mit L. sowie acht Kollegen (respektive Komplizen), die als "Zahngolddiebe aus dem Krematorium" durch die Lokalpresse gingen. Die Prozesse gegen ihre Kündigung verloren sie, und zudem verurteilte das Landgericht Hamburg sie im Juni zu Bewährungsstrafen, unter anderem wegen Störung der Totenruhe. Aber das Krematorium will auch, dass sie das Geld zurückzahlen. Der Fall von L. ist nun der erste, der beim Bundesarbeitsgericht angekommen ist. Was den Schadenersatz betrifft, ist er juristisch weniger eindeutig als vielleicht moralisch.

Das Arbeitsgericht Hamburg hatte die Klage des Krematoriums abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Hamburg gab ihr statt. Das Arbeitsgericht führte zur Begründung an, dem Krematorium könne schon deshalb kein Schaden entstanden sein, weil es an dem Gold gar kein Eigentum erworben habe. Das räumte auch das Landesarbeitsgericht ein: "Sowohl der Leichnam als auch die künstlichen Körperteile stehen in niemandes Eigentum."

Von Toten gesponserte Weihnachtsfeiern

Aber: Mit der Einäscherung ändere sich dies. Danach seien Zahngold und Prothesen "bewegliche Sachen" und somit "eigentumsfähig", zudem herrenlos - doch falls Walter L. da dachte, erneut recht zu bekommen, freute er sich zu früh: Die Richter griffen zu Paragraf 667 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der lautet: "Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält . . ., herauszugeben." Also auch das Gold. Schließen sich die Bundesrichter dieser Auffassung an, wäre Walter L. wohl ruiniert. Denn das Geld, das sie fürs Gold bekamen, haben er und seine Kollegen für Mexikoreisen, Autos und Spielhallenbesuche verbraucht.

Hätte das Krematorium auf die Idee kommen müssen, die Hinterbliebenen zu fragen, ob sie das Zahngold haben möchten? Inzwischen belässt der Betrieb das Zahngold in der Asche der Verstorbenen, es wird in der Urne beigesetzt. Aber früher, sagt der Anwalt des Betriebs, Jan Ruge, gab es weder diese Regelung noch wurden die Angehörigen gefragt - man wollte Trauernden nicht solch eine Entscheidung abverlangen. Also entschied sich das Krematorium fürs Verkaufen. Den Erlös aus dem Zahngold spendete es der Kinderkrebshilfe; den Erlös aus den Prothesen nutzte es "zur Verbesserung der Arbeits- und Dienstbedingungen", wie es in einer internen Verfügung hieß. Darunter wurde zum Beispiel verstanden, die Weihnachtsfeier des Krematoriums zu bezahlen.

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