Süddeutsche Zeitung

Yves Saint-Laurents Schätze:Milliardäre im Minutentakt

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In Paris wird die riesige Kunstsammlung des verstorbenen Modeschöpfers Yves Saint Laurent versteigert.

Johannes Willms

733 Objekte, ein erwarteter Umsatz von 300 Millionen Euro und ein Staatspräsident, der das Angebot vorab besichtigt hat: An diesem Montag beginnt in Paris eine Auktion, auf der alle Kunstgegenstände versteigert werden, die der im Juni 2008 gestorbene Modeschöpfer Yves Saint Laurent und sein Lebenspartner Pierre Bergé in fast fünfzig Jahren zusammengetragen haben. In Paris sprechen manche schon jetzt von der "Versteigerung des Jahrhunderts", was auch an der großen Summe des erhofften Erlöses liegen mag.

Die eine Hälfte der erwarteten 300 Millionen soll der Stiftung Bergé-Yves Saint Laurent, die andere der Aids-Forschung zugute kommen. "Ich mache diesen Verkauf nicht, um Geld zu verdienen", ließ sich ein sichtlich genervter Pierre Bergé wiederholt vernehmen. Wie bedeutend die Sammlung ist, die nun unter den Hammer kommt, verrät allein der Auktionskatalog: Er umfasst fünf Bände, kostet 200 Euro und wiegt zehn Kilo.

Das zeigt aber auch, wie groß die Erwartungen sind, die das Auktionshaus Christie's mit dieser Versteigerung verbindet. Entsprechend aufwendig wurde das Ereignis zuvor inszeniert. Dazu gehörte die exklusive Vorbesichtigung am vergangenen Freitagabend, zu der 2500 geladene Gäste in den Pariser Grand Palais gebeten wurden, um in Muße die hier in zwölf aufwendig gestalteten Schauräumen ausgestellte Sammlung zu begutachten.

Laetitia Casta, Charlotte Rampling und Dustin Hoffman hätten ihr Kommen angekündigt, so war zu hören. Offenbar nahmen die dann aber nur an dem sehr privaten Diner aus Anlass dieser Auktion teil, zu dem sich am Samstagabend die happy few an einem unbekannten Ort in Paris trafen.

Statt der Stars ließen sich dann Politiker wie der frühere Premierminister Laurent Fabius oder Ex-Außenminister Roland Dumas blicken. Zuvor war bereits Staatspräsident Nicolas Sarkozy zum Blitzbesuch erschienen - ohne seine Frau Carla Bruni, die derzeit in Megève Skiurlaub macht. So vermied Sarkozy auch die Begegnung mit den anderen Gästen und vor allem mit Moujik IV, der artgemäß bärbeißig dreinschauenden Bulldogge von Yves Saint Laurent, zu der das Publikum am Freitag respektvoll Abstand wahrte.

Gedämpfte Stimmung

Die Stimmung der keineswegs durch besondere Eleganz auffallenden Besucher, in der Mehrheit betuchte Sammler und Kunsthändler, aber auch viele frühere Mitarbeiter und Mannequins von Yves Saint Laurent sowie Angehörige des Tout-Paris, blieb indes erstaunlich gedämpft. Das festliche Ereignis, das man sich für diesen Abend erwartet hatte, mutete so eher wie eine Versammlung von Hinterbliebenen an, zumal Pierre Bergé kundtat, er wolle sich damit bei all jenen bedanken, "die ihm und Yves bei dem unglaublichen Abenteuer der Mode und der Sammlung geholfen haben."

Umso erstaunlicher, dass darauf verzichtet wurde, wie bei solchen Anlässen sonst üblich, Champagner auszuschenken und Häppchen zu reichen. Wenigstens aber sorgten Heizstrahler dafür, dass der ansonsten eiskalte Grand Palais wohl temperiert war.

Ein Geschenk an den Louvre

Einmal mehr bestätigte sich an diesem Abend die tiefe Weisheit von Georg Christoph Lichtenbergs Feststellung: "Auf einem Viehmarkt starrt alle Welt auf den fettesten Ochsen." Die größte Aufmerksamkeit zogen jene Objekte auf sich, die erwartungsgemäß zu den heftig umkämpften Höhepunkten der Auktion gehören werden. So etwa ein kubistisches Gemälde von Picasso, das mit einem Schätzpreis von 25 bis 30 Millionen Euro das teuerste Los der Versteigerung ist.

Ausgiebig bewundert wurde auch eine große Holzskulptur Constantin Brancusis, die 15 bis 20 Millionen Euro einspielen soll. Ein ebenfalls ausgestelltes Goya-Gemälde, das Porträt von Don Luis Maria de Cistué im Knabenalter, steht jedoch nicht zum Verkauf. Die beiden Sammler haben es dem Louvre geschenkt.

Auch mit hohen Taxen versehen sind Möbelstücke des Art-Deco, ein Stil, der sich in Frankreich besonderer Beliebtheit erfreut. Dazu gehört auch das von Jean-Michel Frank geschaffene Doppelbett, das Yves Saint Laurent als Schlafstatt diente oder ein von Eileen Gray 1917/19 geschaffener Sessel, für den ein Erlös zwischen zwei und drei Millionen Euro erwartet wird.

Schier unübersehbar schließlich das Angebot an exquisiter Kleinkunst wie Gemmen, Emaille-Arbeiten aus Limoges, die bis zu ihrem Verkauf 1971 zur Sammlung von Hubert de Givenchy gehörten, und verspielte Silberarbeiten, die aus der Schatzkammer der Welfen, des einstigen Königshauses von Hannover stammen.

Für die an diesem Abend beginnende Versteigerung, die ebenfalls im Grand Palais stattfindet und bis Mittwoch dauern wird, sind bereits alle 1200 Sitz- sowie sämtliche 300 Stehplätze reserviert. Mehr als 200 weitere Interessenten stehen auf der Warteliste. Zudem können über 100 Telefone Gebote abgegeben werden.

Wie groß trotz der Wirtschaftskrise das weltweite Interesse betuchter Sammler an der Auktion ist, zeigt sich auch daran, dass der von Privatmaschinen genutzte Flughafen von Le Bourget bei Paris am Wochenende 40 Prozent höher ausgelastet war als sonst um dieses Jahreszeit üblich. Die Milliardäre, so hat es den Anschein, schweben gerade im Minutentakt in Paris ein.

Die breite Masse hatte hingegen am Samstag und Sonntag Gelegenheit, das Angebot zu bestaunen. Die Schlange geduldig Wartender, die am Wochenende vor dem Grand Palais Einlass begehrten, war breit und hunderte Meter lang. Mehr als ein kurzer Blick auf jedes Stück dürfte kaum möglich gewesen sein. Dann schob sich der Pulk gnadenlos weiter. Und bieten werden ab heute ohnehin andere.

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Quelle:
SZ vom 23.02.2009/bilu
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