Süddeutsche Zeitung

Wunderheilung:"Mein Körper war nicht mehr schmerzend"

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Die Nonne, an der Johannes Paul II. ein Wunder vollbracht haben soll, berichtet im Seligsprechungs-Verfahren. Der Pontifex soll sie von der eigentlich unheilbaren Parkinson-Krankheit geheilt haben.

Stefan Ulrich

Für viele Gläubige war es sofort nach seinem Tod klar: Papst Johannes Paul II. ist ein Heiliger. "Santo subito" riefen die Pilgermassen nach dem Tod des Pontifex im Frühjahr 2005 in Rom. Ihr Ruf wurde gehört, wenn auch nicht sofort.

Vor einer Heiligsprechung kommt im Kirchenrecht die Seligsprechung, und diese erfordert ein langes kompliziertes Verfahren. Die Rufe der Gläubigen bewirkten aber, dass dieser Prozess drastisch verkürzt wurde. Kommenden Montag, exakt zwei Jahre nach dem Tod des Pontifex, endet der erste, von der Diözese Rom geführte, Teil. Das dürfte Rekord in der neueren Kirchengeschichte sein.

Zu der Feier in der Lateranbasilika wird eine Frau erwartet, die eine Sonderrolle dabei einnimmt, Johannes Paul zur Ehre der Altäre zu erheben: die französische Ordensschwester Marie-Simon-Pierre. An ihr soll der Papst ein Wunder bewirkt haben.

Ein solches Werk ist nötig, damit die katholische Kirche einen Menschen selig spricht. Die Kirche wollte den Namen der Nonne ursprünglich am Sonntag bekannt geben. Französische Zeitungen fanden ihn schon jetzt heraus. An diesem Freitag wird sie nun in einer Pressekonferenz vorgestellt.

Sie soll 45 Jahre alt sein und der Kongregation der "Kleinen Schwestern der katholischen Mutterschaft" angehören. Sie arbeitet derzeit am Sainte-Félicité-Krankenhaus in Paris.

Marie-Simon-Pierre schreibt ihre Genesung von der eigentlich unheilbaren Parkinson-Krankheit Johannes Paul zu. "Dieser Freund, der unsere Erde verlassen hat, ist meinem Herzen nun sehr nahe", meint sie in einem handschriftlichen Bericht, der bei den Akten des Seligsprechungsprozesses liegt.

In dem Brief erzählt die Frau, wie die Krankheit ihr immer mehr zusetzte, mit Zittern, Steifheit der Glieder, Schmerzen und Schlaflosigkeit. Ein Trost war ihr, wie der Papst, der ebenfalls an Parkinson litt, sein Schicksal ertrug. "Ich bewunderte seine Kraft und seinen Mut", schreibt die Nonne.

In den Wochen nach dem Tod des Pontifex am 2. April 2005 verschlechterte sich ihr Zustand schnell. "Ich war völlig ausgelaugt", erzählt sie. "Es war ein täglicher Kampf." Am 13. Mai ordnete der neue Papst Benedikt XVI. unter dem Eindruck der Santo-Subito-Rufe an, das Seligsprechungsverfahren für seinen Vorgänger einzuleiten. Nach dem Kirchenrecht hätte das erst fünf Jahre nach dem Tod geschehen dürfen.

Vom 14. Mai an beteten dann alle Mitschwestern von Marie-Simon-Pierre zum toten Johannes Paul für die Kranke. Doch am 2. Juni ging es ihr schlechter denn je. Ihre Ordensoberin ermutigte sie, durchzuhalten. "Johannes Paul II. hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen."

Dann drückte sie der Kranken einen Stift in die zitternde Hand und forderte sie auf, den Namen des Papstes aufzuschreiben. Doch ihre Schrift war kaum mehr zu lesen. In der Nacht schreckte die Nonne aus dem Schlaf und merkte: "Mein Körper war nicht mehr steif und schmerzend." Sie ging in die Kapelle, um zu beten. "Ich empfand tiefen Frieden und Wohlbefinden."

Am nächsten Tag konnte sie problemlos laufen und schreiben. Sie setzte alle Medikamente ab. Ihr Arzt, der sie seit Jahren behandelte, stellte fassungslos fest, dass alle Symptome der Krankheit verschwunden waren. "Nichts ist unmöglich für Gott", schließt die Schwester ihren Bericht.

Don Slawomir Oder, der den Seligsprechungsprozess für die Diözese Rom führte, ließ den Fall genau prüfen - im "Processo super miro"'. Die Nonne wurde von Ärzten und Psychiatern untersucht, ihre Schrift vor und nach der Heilung von Kalligraphen begutachtet.

Nun werden die Berichte zusammen mit vielen Zeugenaussagen über Johannes Paul II. an die Heiligsprechungskommission im Vatikan weitergereicht. Zu den Akten gehören die Untersuchungen von Theologen und einer Historikerkommission, die die Schriften des Verstorbenen prüften.

Bei all dem geht es um die Frage, ob Johannes Paul vorbildlich aus dem Glauben heraus gelebt hat und deshalb als Seliger gelten kann. Die Heiligsprechungskommission wird das jetzt erneut begutachten. Das dürfte weitere zwei Jahre dauern. Dann kann Papst Benedikt seinen Vorgänger selig sprechen. Erst danach könnte ein Verfahren zur Heiligsprechung beginnen.

Die Abertausenden Gläubigen in aller Welt, die Gnaden- und Wunderberichte an die Kirche schicken, um ihr "Santo subito" zu untermauern, werden sich also noch gedulden müssen. Don Slawomir aber hat schon heute eine Idee, was Johannes Paul werden könnte: der Schutzheilige unfruchtbarer Paare.

Unter den Berichten, die Oder in seinem Büro im Lateranpalast sichtete, sind auffallend viele, die von der wunderbaren Erfüllung eines scheinbar hoffnungslosen Kinderwunsches berichten. "Das kann kein Zufall sein", glaubt Don Slawomir Oder.

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SZ vom 30.03.2007
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