Süddeutsche Zeitung

Wladimir Putin und seine Scheidung:Land ohne First Lady

Wladimir Putin lässt sich von seiner Frau Ljudmila scheiden. Über sie ist kaum etwas bekannt. Das Präsidentenpaar grenzte sich mit dieser Haltung deutlich von prominenten Vorgängern ab. Das ist nicht nur eine Frage des Umgangs mit der Privatsphäre, sondern sagt viel über die Rolle der Frau in der aktuellen russischen Politik.

Von Hannah Beitzer

"Unsere Liebe war einzigartig" - Mit derart rührenden Worten erinnert sich Michail Gorbatschow, der letzte Präsident der 1991 untergegangenen Sowjetunion, an seine Frau Raissa. Unvergessen sind die Bilder, die nach ihrer Beerdigung im Jahr 1999 um die Welt gingen: Der frühere sowjetische Staatschef neigt sich über den offenen Sarg seiner Frau, berührt ihren Kopf.

Wie nüchtern und sachlich ging nun hingegen die Beziehung zwischen seinem Nach-Nachfolger Wladimir Putin und seiner Frau Ljudmila zuende. Man habe sich scheiden lassen, verkündete der russische Präsident in knappen Worten im Staatsfernsehen: "Das war unsere gemeinsame Entscheidung, unsere Ehe ist am Ende." Dann das übliche: Jeder lebe sein Leben, man sei stolz auf die beiden Töchter.

Viel mehr, das ist klar, wird da auch nicht kommen - jedenfalls nicht öffentlich. Russische Medien berichten kaum über das Privatleben des Präsidenten, es sei denn, er will es. Sicher, es gibt jene berüchtigten Fotos, die Putin beim Jagen, Fischen und Sporteln zeigen. Doch über seine Frau ist fast nichts bekannt, selten trat sie gemeinsam mit ihrem Mann auf und wenn, dann schwieg sie. Die gemeinsamen Töchter schirmte Putin vor der Presse ab, es gibt kaum Fotos von den beiden jungen Frauen. Die Familie, auf diesem Standpunkt beharrt Putin, gehört nicht ins Rampenlicht und schon gar nicht in den politischen Diskurs.

Damit grenzt er sich deutlich von seinen Vorgängern ab. Von Boris Jelzin zum Beispiel, dessen Tochter Tatjana zu seinen engsten Beratern gehörte - und die lange Zeit als oberste Strippenzieherin im Kreml galt. Vor allem aber von Michail Gorbatschow, jenem unglücklichen Präsidenten, der im Westen als Reformer verehrt wird, dem die Landsleute jedoch den Zerfall der Sowjetunion und den damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Niedergang Russlands in den neunziger Jahren anlasten.

Politik ist Männersache

Gorbatschows Frau Raissa war eine First Lady ganz nach westlichem Geschmack. In extravaganter Kleidung trat sie stets an der Seite ihres Mannes auf, pflegte internationale Freundschaften, gründete Stiftungen und tat ihre Meinung kund. Sie galt als wichtigste Beraterin ihres Mannes - klug, eigenständig und gewitzt. Vor allem im Ausland bewunderte man die gutaussehende, weltläufige Frau an Gorbatschows Seite.

Anders sah das in ihrer Heimat aus. Dort nahmen ihr die Bürger gerade die schicken Klamotten und die internationale Orientierung übel - ging es doch dem Rest der Sowjetunion in den achtziger Jahren wirtschaftlich schlecht. Dass sich Gorbatschow, nachdem er 1985 Generalsekretär der Kommunistischen Partei geworden war, ganz selbstverständlich dazu bekannte, alles mit seiner Frau zu besprechen, auch politische Fragen, missfiel nicht nur der Partei. Negativ wurde Raissa Gorbatschowa auch ausgelegt, dass sie sich zu gern gemeinsam mit Staatsvertretern aus dem Westen zeigte, wie zum Beispiel mit der Familie Bush, während die einst so stolzen Sowjetbürger darunter litten, dass Ihr Land zerfiel und mehr und mehr an internationaler Bedeutung verlor.

Lieber im Hintergrund bleiben, nach dieser Regel agierten seitdem die Ehefrauen der russischen Präsidenten - und nicht nur sie. Politik ist in Russland, mehr noch als in anderen Ländern, eine reine Männerangelegenheit. Es gibt derzeit in der russischen Regierung nur zwei Frauen - Olga Golodez, eine von sieben Stellvertretern von Premierminister Dmitrij Medwedjew, und Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa, die als einzige Frau eines von 21 Ministerien innehat.

Dabei steht Russland eigentlich in Sachen Gleichberechtigung gar nicht so schlecht da - zum Beispiel, was die Wirtschaft angeht. Eine Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass 40 Prozent aller Management-Positionen mit Frauen besetzt sind, das Land belegt in einer Liste von 30 Staaten den dritten Platz hinter Litauen und Bulgarien. (Deutschland steht auf einem nicht besonders glorreichen 28. Platz.)

In der Politik sieht das ganz anders aus: Wo es um repräsentative Posten geht, herrscht ein traditionelles Rollenverständnis. Wladimir Putin genießt nicht zuletzt deswegen große Beliebtheit im Volk, weil er ein - für deutsche Augen grotesk anmutendes - archaisches Männerbild verkörpert, öffentlichkeitswirksam wilde Tiere erlegt, mit nacktem Oberkörper durch Flüsse watet und bei jeder Gelegenheit seine durchaus ansehnlichen Muskeln ablichten lässt.

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