Wissenschaft:Kleben wie die Geckos

Feine Härchen sollen wie bei den Füßen der Reptilien-Kletterkünstler Haftstreifen ermöglichen, die beliebig oft verwendbar sind.

Von Katharina Hien

Wer Geckos mit dem Mikroskop unter die Füße schaut, der fühlt sich an eine Zahnbürste erinnert. Dicht an dicht stehen hier Büschel feiner Haare. Sie helfen dem Tier, sich an glatten Flächen festzuhalten. Und womöglich können mit ihrer Hilfe demnächst auch Heimwerker Garderobenhaken ohne Bohrmaschine an der Wand befestigen.

Wissenschaft: Mit ihren Haftfüßen laufen Geckos, als gäbe es keine Schwerkraft.

Mit ihren Haftfüßen laufen Geckos, als gäbe es keine Schwerkraft.

(Foto: Foto: dpa)

Forscher von der Universität in Manchester, England, sowie vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart haben jedenfalls Prototypen von Haftstreifen entwickelt, die wie Geckofüße funktionieren.

Die Reptilien nutzen weder Klebstoff noch Saugnäpfe, um senkrechte Flächen zu erklimmen, sondern feinste Härchen. "Die Haft-Ballen unter ihren Füßen haben auf engstem Raum eine so große Oberfläche, dass zwischen ihnen und dem Untergrund feine Anziehungskräfte zwischen den Molekülen, die Van-der-Waals-Kräfte, eine enorme Wirkung erzielen", erklärt der Biologe Stanislav Gorb.

Diese Härchen müssen um so feiner sein, je schwerer das Tier ist: Mit abnehmendem Durchmesser der Haare steigt ihre Zahl schneller an, als die Kontaktfläche jedes einzelnen Haars abnimmt.

Grob hat mit Forscherkollegen in Stuttgart und Andre Geim von der Universität Manchester einen Haftstreifen mit elastischen Plastikhaaren entwickelt. Um ihn herzustellen, haben die Forscher die Haare per Hand aufgebracht.

In Zukunft, vermuten sie, können man auch einen speziellen Kunststoff in eine Form gießen, die lauter winzige Löcher enthält; hier erstarrt das Material. An einer Flasche befestigt kann ein solcher Streifen ein Gewicht von 40 Gramm pro Quadratzentimeter halten.

Es ist dazu weder ein Gegenpart wie beim Klettverschluss nötig, noch verbraucht sich der Kleber wie bei handelsüblichen Produkten. Der Gecko-Haftstreifen ist beliebig oft wiederverwendbar.

Auch andere Tiere inspirieren Forscher, nach besseren Klebstoffen oder Haltemechanismen zu suchen. Zum Beispiel mischen Spinnen aus mehreren Drüsen ihre unterschiedlich klebrigen Fäden.

Köcherfliegenlarven kleben ihre Röhrenbehausungen aus Sand und Steinchen unter Bachkiesel. Andrew Parker und Abigail Ingram von der Universität Oxford orientieren sich an den winzigen Häkchen, mit denen sich die Puppe eines Schmetterlings in Costa Rica an Blättern festhält. Der Glasflügler Greta oto trotzt damit sogar Tropenstürmen.

Auch Kieselalgen regen Forscher an. Die Einzeller kleben sogar an Glasscheiben im Salz- und Süßwasser extrem fest. Mit Zugversuchen bestimmt Ilse-Christine Gebeshuber von der Technischen Universität Wien die Charakteristiken dieses Bioklebers.

Und Herbert Waite von der Universität in Santa Barbara, Kalifornien, versucht den Klebstoff der Miesmuscheln zu entschlüsseln. Dabei geht es weniger darum, ihn für eine technische Anwendung zu nutzen, sondern vor allem will man Mittel gegen den Muschelbefall von Schiffsrümpfen finden.

Dieser bremst die Schiffe und kostet Reeder viel Geld. Waite konnte bisher allerdings erst eine Vorstufe des Miesmuschel-Klebers enträtseln .

Die "Gecko-Forscher" um Stanislav haben ihre Prototypen dagegen bereits zum Patent angemeldet. Menschen allerdings können mit solchen Haftstreifen ausgerüstet bislang noch nicht wie Geckos klettern. Um eine 80 Kilogramm schwere Person an eine Wand zu hängen, müsste der Klebestreifen fast so groß sein wie eine Seite der Süddeutschen Zeitung.

Nach dem heutigen Stand der Technik würde es mehrere Jahre dauern, auf dieser Fläche all die nötigen Härchen aufzubringen. "Und wer die Wand hoch will, müsste sich auch noch eine spezielle Gecko-Lauftechnik angewöhnen", sagt Gorb.

Dazu müsste der Mensch wie das Reptil die einzelnen Zehen nach hinten abrollen, bevor er einen Schritt nach vorn machen könnte. Bis die Menschheit also auf diese Weise ohne Treppen oder Aufzüge in den nächsten Stock kommt, ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig.

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