Wissenschaft:Blubbern vor Bermuda

Schiffe verschwinden im berüchtigten Bermuda-Dreieck möglicherweise, weil sie von Methangas-Ausbrüchen in die Tiefe gerissen werden.

(SZ vom 30.10.2003) - Die Geschichte klingt nach Seemannsgarn: Riesige Gasblasen sollen sowohl im Bermuda-Dreieck als auch in der Nordsee ganze Schiffe in die Tiefe reißen. Aus physikalischer Sicht erscheint das durchaus möglich, wie australische Forscher nun ermittelt haben. Sobald der Schiffsrumpf und der Radius einer aufsteigenden Luftblase etwa gleich groß sind, sieht es für Kapitän und Besatzung schlecht aus.

Schuld an der blubbernden Gefahr sind organische Stoffe tief unter dem Ozean. Sie produzieren Methan, das sich im Laufe der Jahrtausende durch die Ablagerungen nach oben kämpft. Knapp unterhalb des Meeresgrundes sammelt sich das Gas in Form eisiger Methanhydrate an - festgehalten von dem darüber liegenden Gestein und dem Gewicht der Wassermassen. Wird der Gasdruck zu groß oder entstehen Risse im Meeresboden, kommt das Methan schlagartig frei.

Die Gefahr ist durchaus real: So finden sich am Grund der Nordsee nicht nur große Vorkommen an Methanhydraten, sondern auch Spuren vielfältiger Gasausbrüche. Vor drei Jahren haben Forscher im Zentrum einer solchen Kraterlandschaft, dem "Witch's Hole" vor der schottischen Küste, sogar das Wrack eines vor langer Zeit gesunkenen Dampfschiffes entdeckt. Der 22 Meter lange Fischkutter sitzt aufrecht auf dem Meeresgrund und ist kaum beschädigt.

Eine große oder viele kleine Blasen

Ob eine große oder viele kleine Blasen die Tragödie ausgelöst haben, bleibt indes unklar. Aus physikalischer Sicht ist beides verheerend. Große Blasen heben das Schiff zunächst wie ein Wasserkissen an, konnten Joseph Monaghan und David May von der Monash University im australischen Melbourne zeigen - sowohl in Simulationen wie auch in Laborexperimenten (American Journal of Physics, Bd. 71, S. 842, 2003).

Doch wo ein Wellenberg, da auch ein Wellental: Rings um die Blase tun sich Gräben auf, in die das in die Höhe gedrückte Wasser fließt - mitsamt dem Schiff. Zerplatzt die Blase, entstehen zusätzlich gefährliche Wirbel. Entscheidend ist dabei die Position des Schiffes. "Befindet sich das Boot exakt über der Blase, ist es sicher", erklärt Monaghan. "Doch einmal am Rand, wird es ins Wellental gezogen. Der Untergang ist unvermeidlich. "

Das beweisen auch Tests vor der Küste Floridas. Ende Juli dieses Jahres hat dort Phil Beck, der als Experte für Spezialeffekte bereits im Film "Waterworld" Kähne versenkte, mit Luftblasen experimentiert. Zusammen mit Physiker Bruce Denardo von der amerikanischen Marine ließ Beck ein Gitter aus Luftröhren in den Golf von Mexico hinab. Direkt darüber wurde die sieben Meter lange Jacht Sea Ray in Position gebracht, berichtet die Lokalzeitung Sarasota Herald Tribune. Fünf Mal trotzte das Boot den aufsteigenden Luftblasen. Erst als die Sea Ray an den Rand der Turbulenzen gezogen wurde, sank sie.

Viele kleine Bläschen sind nicht minder gefährlich, wie Denardo zusammen mit Kollegen von der Postgraduate School der US-Navy vor zwei Jahren im Labor demonstrierte. Die Blasen steigen ungestört an die Oberfläche, die Dichte der obersten Wasserschichten nimmt ab - ähnlich wie in einem Schaum. Damit ein Gegenstand schwimmen kann, muss seine Dichte jedoch geringer sein als die der Flüssigkeit. Fällt diese plötzlich, sinkt ein Schiff wie ein Stein zu Boden.

170 Schiffe, Boote und Flugzeuge verschwunden

Auf der Atlantik-Seite der Florida-Halbinsel sind solch mysteriöse Untergänge fast an der Tagesordnung - zumindest, wenn man der Legende glaubt. Im berüchtigten Bermuda-Dreieck, das sich zwischen Florida, Puerto Rico und den Bermuda-Inseln erstreckt, sollen in den vergangenen Jahrhunderten über 170 Schiffe, Boote und Flugzeuge unter ungeklärten Umständen verschwunden sein.

Auch in dieser Region haben Forscher des US-amerikanischen Geological Surveys (USGS) große Methanhydrat-Vorkommen entdeckt, die immer wieder für das Verschwinden der Schiffe verantwortlich gemacht werden.

Die Theorie ist jedoch umstritten. Bereits während der letzten großen Eiszeit, als der Meeresspiegel und dadurch der Wasserdruck über den Methanablagerungen stark absank, dürften die meisten Gase explosionsartig freigesetzt worden sein, vermutet der emeritierte USGS-Geologe Bill Dillon. "Das geschah zu einer Zeit, als selbst die Schiffe der technologisch am weitesten fortgeschrittenen Kultur nicht mehr waren als ausgehöhlte Baumstämme."

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