Wirbelsturm:Heftiger als "Harvey"

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Hurrikan "Irma" gilt mit 300 Kilometern pro Stunde Geschwindigkeit als einer der stärksten Stürme, die je über dem Atlantik gemessen wurden. Nun ist er auf Land getroffen, mindestens zwei Menschen sind gestorben.

Von Friederike Zoe Grasshoff und Jonathan Ponstingl

Morgens um 1.47 Uhr war Irma da. Der Hurrikan der Stufe fünf traf die Insel Barbuda in der Karibik, riss Dächer von den Häusern, ließ Telefonleitungen zusammenbrechen. Ein Wirbelsturm mit einer Ausdehnung der Größe Frankreichs gegen eine kleine Insel mit 1700 Einwohnern, die man auf Google Maps sehr nah heranzoomen muss, um sie überhaupt zu erkennen. Weitere Details über das Ausmaß dieses ungleichen Aufeinandertreffens sind bisher nicht bekannt. Was bekannt ist: Hurrikan Irma zog weiter - und wird noch weiterziehen.

Weiter Richtung Nordwesten, erst zu den Karibikinseln Saint-Bathélémy und Saint-Martin, wo der als "potenziell katastrophal" eingestufte Sturm enorme Schäden anrichtete. So wurde auf Saint-Martin das Präfektur-Gebäude teils zerstört, auf beiden Inseln wurden ganze Küstenabschnitte verwüstet. Mindestens zwei Menschen starben hier durch das Unwetter, wie die französische Regierung in Paris am Abend mitteilte. Dann nahm Irma Kurs in Richtung Jungferninseln und Puerto Rico auf. Aller Voraussicht nach sollte der Hurrikan anschließend die Dominikanische Republik und Haiti erreichen. Sehr wahrscheinlich ist zudem, dass Irma weiter über Kuba und die Bahamas ziehen wird. Wie alle Inseln und Inselstaaten rüstete sich auch Florida schon zu Beginn der Woche für die Katastrophe.

Denn Irma ist einer der stärksten Stürme, die jemals über dem Atlantik gemessen wurden. Als er in der Nacht auf Mittwoch auf Barbuda traf, lagen die Windgeschwindigkeiten bei 295 Stundenkilometern, in Böen erreichte er Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern. Damit ist er deutlich stärker als Harvey, der bereits zum Tropensturm herabgestuft worden war, bevor er Ende August die US-Bundesstaaten Texas und Louisiana unter Wasser setzte. Und just nach Harvey und während Irma warnte das National Hurricane Center (NHC) in Miami vor Katia und José , ebenfalls Tropenstürme. Dass derzeit in der Region ein Hurrikan auf den nächsten folgt, liegt an den Bedingungen: Das warme Oberflächenwasser liefert den Tiefdruckgebieten Energie. Nach aktuellen Vorhersagen wird José am Wochenende auf die ersten Karibikinseln treffen, wo man momentan noch mit Irma beschäftigt ist, jenem Wirbelsturm, der nicht nur als "potenziell katastrophal", sondern laut Experten des NHC schon als historisch gilt.

Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst sagt, Irma bringe drei Hauptprobleme mit sich: Wind, Sturmfluten und große Regenmengen. "Auf Puerto Rico werden vereinzelt 500 Liter Niederschlag pro Quadratmeter erwartet. Das ist in etwa so viel, wie in Berlin im Jahresmittel fällt." Auf der Insel könne auch die Topografie zum Problem werden: Im Norden ist Puerto Rico bergig, durch die großen Niederschlagsmengen könnte es zu Erdrutschen und Sturzfluten kommen.

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(Foto: AFP)

Satelitenaufnahmen der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) zeigen Hurrikan "Irma" am Mittwoch, nachdem er Barbuda erreicht hatte.

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(Foto: Hector Retamal/AFP)

In der gesamten Region bereiteten sich die Menschen auf das Eintreffen des Hurrikans vor, wie hier im Norden von Haiti.

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(Foto: Allen Eyestone/dpa)

Am Wochenende könnte der Hurrikan den US-Staat Florida erreichen. In Palm Beach werden die Schaufenster der Läden vernagelt.

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(Foto: Brian Blanco/AFP)

Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde könnte "Irma" in flachen Küstengebieten Sturmfluten von sechs Metern Höhe verursachen. In St. Petersburg, Forida, werden deshalb Sandsäcke aufgefüllt.

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(Foto: Olivier Toussaint/AFP)

Am Freitag soll der Sturm Kuba erreichen, wohin er sich dann wendet, lässt sich nur schwer vorhersagen. Auch auf der Karibik-Insel Saint-Barthélemy, französisches Überseegebiet, wappnen sich die Menschen.

Irma hat enormes Schadenspotenzial, überall, wo der Hurrikan wütet und wüten wird. Ein Hurrikan der höchsten Stufe fünf kann Bäume entwurzeln und Dächer abdecken. Selbst stabile Häuser aus Beton sind bedroht. Die Windgeschwindigkeiten werden insbesondere für arme Staaten in der Karibik zum Problem. In Haiti etwa ist die Bauweise kaum vergleichbar mit der in Europa oder den USA; die Bausubstanz gilt als marode und ungeeignet, solchen Windgeschwindigkeiten zu trotzen. Fegt Irma über Haiti hinweg, könnte eine Katastrophe die Folge sein. Man denke nur an das Erdbeben 2010 oder den Hurrikan Matthew 2016, infolge derer viele Menschen ihr Zuhause verloren. Daher bezeichnen Behörden Irma schon jetzt als katastrophal.

In den kommenden vier bis fünf Tagen wird sich Irma laut Experten kaum abschwächen. Nachdem er am Donnerstag die Nordküsten der Dominikanischen Republik und Haitis streifen soll, wird er am Freitag auf Kuba erwartet. Über den Florida Keys, jener Kette von Koralleninseln vor der Südspitze Floridas, erwartet das NHC Irma am Sonntag. Touristen wurden aufgefordert, das Gebiet Key West zu verlassen.

Welche Richtung der Hurrikan dann einschlägt, ist noch unklar. Es bestand die Möglichkeit, dass er in den Golf von Mexiko abdreht. Dass er auf Texas und die von Harvey gebeutelte Stadt Houston zusteuert, war auch nicht ausgeschlossen. US-Präsident Donald Trump rief für Florida, Puerto Rico und die Amerikanischen Jungferninseln den Notstand aus.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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