Winnie-the-Pooh:Nonsens der Spitzenklasse

Die herrlich absurden Geschichten über Winnie-the-Pooh, den berühmten Bären von geringem Verstand, werden endlich fortgesetzt.

Birgit Weidinger

Persönlichkeiten wie er können nicht in die Jahre kommen - sie sind immer da, heute, gestern und übermorgen. Deshalb ist keine Überraschung, was nun gemeldet wird: Die berühmten Pu-Geschichten des englischen Journalisten und Redakteurs A.A.Milne werden fortgesetzt.

Winnie-the-Pooh: Winnie-the-Pooh: Persönlichkeiten wie er können nicht in die Jahre kommen - sie sind immer da.

Winnie-the-Pooh: Persönlichkeiten wie er können nicht in die Jahre kommen - sie sind immer da.

(Foto: Foto: Reuters)

Autor ist der gebürtige Londoner David Benedictus, Jahrgang 1938. Er hat in Eton, Oxford und an der State University von Iowa studiert, hat in verschiedenen Funktionen für den Rundfunk gearbeitet, zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht und an Schauspielschulen unterrichtet.

Der Vater von vier Töchtern ist mit dem Pu-Thema sehr vertraut, weil er einschlägige CDs und Hörkassetten bearbeitet hat; er versichert, wie stolz ihn die Aufgabe gemacht habe, den Faden von Milnes Erzählungen weiterzuspinnen.

Harry Rowohlt, dessen erfolgreiche Übersetzung ins Deutsche alle Fans kennen und lieben, hat auch die Benedictus-Stories übertragen - und findet sie "ganz organisch anmutend". Im Herbst soll die deutsche Fassung bei Dressler erscheinen, gleichzeitig kommt in England und in den USA die englische Version heraus.

Die erste öffentliche Nachricht über den "Bären mit dem geringen Verstand" erschien zu Weihnachten, am 24. Dezember 1925, in der englischen Zeitung Evening News. In großen Lettern zog sich die Schlagzeile über eine Seite: "Eine Geschichte für Kinder von A.A.Milne." Sie wurde exklusiv in der Zeitung gebracht und am Tag darauf im Radio gesendet.

Am 14. Oktober 1926 erschien das Buch "Winnie-the-Pooh" in London, am 21. Oktober wurde es in New York veröffentlicht. Die New York Herald Tribune war begeistert: "Das ist Nonsens der Spitzenklasse, in bester Tradition".

"Meinungen und Deinungen eines Bären von geringem Verstand "

Der Illustrator Ernest H. Shepard schuf die unverwechselbaren Zeichnungen zu den Pu-Geschichten. Gleich im ersten Jahr der Veröffentlichung wurden eine Million Exemplare verkauft. Auch die weiteren Bände erreichten hohe Auflagen. 1960 kam die lateinische Fassung "Winnie ille pu" auf den Markt, 1973 die griechische Ausgabe, Übersetzungen in zahlreichen anderen Sprachen kamen dazu.

In den englischen Sprachgebrauch sind einige von Pus Spielgefährten eingegangen. So wissen die Engländer, was es heißt, wenn sich jemand so benimmt wie der eingebildete Tigger oder wenn von einem ganz besonderen I-Ah-Tonfall die Rede ist.

"Meinungen und Deinungen eines Bären von geringem Verstand "schrieb Harry Rowohlt als Untertitel zur deutschen Übersetzung, er habe ihn geträumt, behauptet er. Und Autor Milne fragte sich: Wie kann man behaupten, dass man irgend etwas über jemanden weiß? Was also wiegen Pus Träume? Wieviel zählen seine Fragen? Auf dieser schwankenden Ebene balanciert ein Teil von Pus großem Erfolg: Der wunderbare Bär will sich nicht mit der Latte des IQ messen lassen und ist damit unsterblich geworden.

Eine seiner vielen Fan-Gemeinden hat sich vor einigen Jahren über einen Forschungsbericht aus Berlin amüsiert, der sich dem aktuellen Stand der sogenannten Pu-Philologie widmete und unter anderem die wichtige Frage erörterte, woher der Bestandteil Pu in des Bären Namen Winnie-der-Pu stamme; so lautet Pus vollständiger Name.

Vater Milne schenkte Sohn Christopher, der im Buch als Christopher Robin eine Hauptrolle spielt, zum Geburtstag einen Bären, der hieß zunächst Eduard Bär. Der Namensteil Winnie, das weiß man, geht auf Christophers geliebten Eisbären im Zoo zurück. Und was ist mit "Pu"? Als der Bär einmal mittels eines raffinierten und erfolglosen Manövers den Bienen ein wenig Honig abluchsen wollte, brauchte er seine Puste zur Abwehr einer Fliege, die sich auf seine Nase gesetzt hatte. Seine Hände und Arme waren nämlich damit beschäftigt, einen Luftballon zu halten. Also blies er: Pu, pu, pu.

Das Kind Christopher zieht seinen Bären immer hinter sich her, wenn es die Treppen hinuntergeht, dabei schlägt Pu mit dem Hinterkopf auf - rumpeldipumpel. Milne beobachtete solche Abgänge genau. Der studierte Mathematiker legte sich auf die Lauer, wenn sein Sohn mit seinen Tieren fantastische Abenteuer erlebt: Wer, bitte, hat schon mal einen Heffalump getroffen oder wer könnte die wahrhaftige Geschichte über den Verlust eines Eselschwanzes berichten?

Auf "Pu der Bär" folgte zwei Jahre später "Pu baut ein Haus". Pu macht den Autor Milne reich und berühmt, doch er lässt ihn auch nicht mehr los: Die Werke für Erwachsene, die er schreibt, werden an den Bärengeschichten gemessen - und verrissen. Die Biographin Anne Thwaite hat das in Milnes Lebensbeschreibung einfühlsam geschildert.

Auf kindliche Schultern geklettert

Dem Sohn geht es ähnlich: Schon als Jugendlicher hasst er es, dauernd nach seinen Kuscheltieren gefragt zu werden. Er zieht sich als Buchhändler nach Devon zurück, schreibt eine bittere Autobiographie: "Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater dahin gekommen war, wo er war, indem er auf meine kindlichen Schultern kletterte, dass er mir meinen guten Namen gestohlen hatte und mich mit nichts als dem leeren Ruhm, sein Sohn zu sein, zurückließ."

Pus Erfolg wird dadurch nicht beeinträchtigt: Als Milne 1956 stirbt, haben seine Kinderbücher eine Auflage von sieben Millionen erreicht. In den 60er Jahren machen die Disney-Studios den Bären zum Trickfilmstar. Mittlerweile gibt es alle möglichen Poohphernalia, wie der Pu-Gedenk-Kitsch genannt wird.

Der Bär selbst und vier seiner Spiel- und Kampfgefährten sind in der New Yorker History and Social Science Library wie echte VIPs zu besichtigen: das ängstliche Ferkel, der melancholische Esel, das alerte Känguru Kanga mit dem kleinen Ru und der vorlaute Tigger.

Ob der berühmte Pu nun nochmal einen Karriereschub macht? Harry Rowohlt hat die Benedictus-Story gutgeheißen, und das heißt schon etwas. "Man könnte sagen, Christopher Robins Geist sei über Benedictus gekommen", meint er einem Interview.

Und wie findet Pu die Sache? Typisch: Er antwortet mit einem Lied. "Fragen, Fragen, immer nur Fragen. Ein Fisch kann nicht pfeifen, und ich kann nicht klagen. Gib mir ein Rätsel auf, ich werde sagen: Du musst jemand anders fragen."

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