Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der christliche Zen-Meister

Willigis Jäger wollte die östlichen und die christlichen Traditionen der Mystik und der Kontemplation vereinen, das machte ihn sehr populär - und umstritten. Jetzt ist der Mystiker gestorben.

Von Matthias Drobinski

Die letzten Jahre war es still geworden um den Benediktinermönch mit dem freundlichen Knittergesicht und den weißen Zauselhaaren; Willigis Jäger hatte sich, jenseits der 90, zurückgezogen, der "Benediktushof", das "Zentrum für spirituelle Wege" in der Nähe von Würzburg, arbeitete in seinem Geist weiter.

Sein Geist, das heißt: Die religiöse, spirituelle Erfahrung ist wichtiger als die Lehre einer Kirche. Und die Menschen begegnen dem Göttlichen in der Versenkung, der Meditation, dem Gebet - nicht in der intellektuellen Beschäftigung.

1946, mit 21 Jahren, trat Willigis Jäger in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein. Er bereiste die Welt, besonders Asien und Japan, wo er den Zen-Buddhismus kennenlernte und von 1969 an Zen-Meditation praktizierte; 1980 hatte er die Erlaubnis, Zen zu lehren, 1996 wurde er einer der wenigen christlichen Zen-Meister.

Der Mönch wollte die östlichen und die christlichen Traditionen der Mystik und der Kontemplation vereinen - das machte ihn populär bei vielen Menschen auf der Suche nach einer eigenen Spiritualität. Die verschiedenen Religionen waren für Jäger nicht mehr als Verstehhilfen des Göttlichen und Wege, sich der ewigen Weisheit zu nähern.

Das brachte ihn in Konflikt mit der Glaubenskongregation in Rom, die ihm Ende 2001 ein Rede-, Veröffentlichungs- und Auftrittsverbot erteilte. Aber auch bei seinen Mitbrüdern war Jägers Gottesverständnis umstritten. 2003 verließ er, beurlaubt, nicht ausgestoßen, das Kloster und gründete den Benediktushof.

Wenige Tage nach seinem 95. Geburtstag ist er nun gestorben. Er soll, auf seinen Wunsch hin, in Münsterschwarzach bestattet werden.

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