Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei":"Der Nackte ist Teil unseres Jahresprogramms"

Modellbahn-Miniatur-Hersteller Richard Storch über seine neueste Figur: Den Nudisten vom Berliner Teufelssee, der einem Wildschwein hinterherjagte, welches ihm den Laptop geklaut hatte.

Interview von Martin Zips

Eine Wildsau entführt einem nackten Mann den Laptop - das Foto von Adele Landau vom FKK-Strand am Teufelssee in Berlin-Grunewald ging im vergangenen Sommer um die Welt. Nun bietet der Viernheimer Modellbau-Hersteller "Busch" exakt diese Szene an - als Miniatur für Hobby-Eisenbahner. Ein Gespräch mit dem Designer und Assistenten der Geschäftsleitung, Richard Storch.

SZ: Herr Storch, wie hoch ist die Auflage des Nudisten mit Bache?

Richard Storch: Also, wir haben mehrere Hundert Stück gefertigt, in der Modellbahngröße H0. Genauer möchte ich es Ihnen aber nicht sagen, Betriebsgeheimnis.

Gehen Sie denn häufig so vor, dass Sie Fotos als Vorlage verwenden?

Das ist eine miniaturisierte Darstellung einer Originalszene. Das ist ja nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt worden. Und so etwas haben wir zum ersten Mal nachgebildet. Wir haben zwar auch Figuren zum Berliner Mauerfall im Sortiment, aber die bilden keine echten historischen Szenen ab.

Wie macht man aus einem Foto eine Eisenbahnfigur?

Das wird gezeichnet und mit einem speziellen 3-D-Computerprogramm bearbeitet und dann werden die Figuren konstruiert ...

... und in China fertigen und bemalen lassen?

Nein, nein. Europäisches Ausland. China, das dauert zu lange.

Aber jetzt sagt die Fotografin: Das geht so nicht. Die haben ein Foto von mir verwendet, ohne etwas dafür zu bezahlen.

Ja, gut. Aber wir haben ja kein spezielles Foto für die Szene verwendet, sondern Bilder und Filme, die bereits seit einiger Zeit öffentlich zu sehen sind, als Anregung genommen. Wenn Sie die Figur mal unter die Lupe nehmen, dann sehen Sie, wie rau die Oberfläche ist. Da kann man meines Erachtens keine Urheberrechte geltend machen. Und andere Hersteller produzieren sogar Politiker oder den Papst. Sollen die jetzt alle klagen, weil sie ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen? Nein, das hier ist einfach ein nackter dicker Mann, von dem es weltweit ganz viele gibt. Man kennt ja noch nicht mal seinen Namen.

Haben Sie einen Hausjuristen, dem Sie Ihre Figuren vorher vorlegen?

Bis der alles geprüft hat, da wäre ja der Markt verlaufen, wie man in meiner Branche so sagt. Aber bei einer zwei, drei Zentimeter kleinen Figur, da funktioniert eine exakte Abbildung auch gar nicht. Höchstens bei Autos. Und da zahlen wir tatsächlich Lizenzen.

Was, wenn die Fotografin nun doch klagt?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wissen Sie, der Nackte ist ja Teil unseres Jahresprogramms. In unserer Reihe haben wir auch einen Nudisten, der mit Schürze am Grill steht. Und wir haben auch eine Nackt-Wandergruppe, weil das ja gerade so eine Trendsportart ist.

Eine Trendsportart?

Besonders gut gefällt mir unser Verkaufsschlager 2020: Damen im Bikini shampoonieren ein amerikanisches Auto in der Waschanlage. Also, das war ein echter Renner bei unseren Kunden.

Interessant.

Wir haben auch ein Corona-Ensemble: Zwei Frauen mit Einkaufswagen, die sich um die letzte Toilettenpapierpackung streiten. Lustiges verkauft sich immer gut. Ganz besonders aber mag ich unser Jugendstil-Stromkraftwerk, das in Wirklichkeit in der Nähe von Bad Bayersoien steht, wo ich oft Urlaub mache. Das habe ich mal vorgeschlagen und bin jetzt unglaublich stolz, dass es das bei uns nun auch in klein gibt.

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