Süddeutsche Zeitung

Wiener Opernball:Zwischen Reichen, Superreichen und Megareichen

Welcher Satz beim Wiener Opernball am häufigsten fällt? "Entschuldigen Sie, Sie stehen auf meinem Abendkleid." Erkenntnisse einer Nacht mit vielen Schönheitsoperateuren, kleinen Gemeinheiten und einem Ende am Grill.

Von Martin Zips, Wien

Am Ende dieses Abends sind draußen, am Fernseher im Würstelstand, noch einmal die Höhepunkte des Wiener Opernballs 2018 zu sehen. Und die Frau, die einem den Käsekrainer mit süßem Senf garniert, sagt: "Das ist eh immer der gleiche Schaaaas." Danach wendet sie sich einem Artikel in der Apothekenzeitung zu.

Aber das mit dem "Schaaaas" kann man wirklich nicht so sagen. Schließlich wird der Opernball von österreichischen Medien als das "Gesellschaftsereignis des Jahres" beschrieben. Unter den 5000 Gästen ist diesmal auch Petro Poroschenko, der ukrainische Staatspräsident, gegen den dieser Tage Tausende in seinem Land auf die Straße gehen. "Sag ihnen, sie sollen die Autos wegen Manipulationen checken, bevor sie ihn zurück zum Flughafen bringen", hört man an der Freitreppe der Staatsoper den einen dunkel dreinblickenden Frackträger zum anderen sagen. Und dann ist da ein Moment der Unruhe: Eine Femen-Frau hat es vor die Kameras am Roten Teppich geschafft. "Poroshenko get the Fuck out" ist auf ihren Brüsten zu lesen, was Ortskundige sofort als "Poroschenko, schleich Dich" übersetzen.

Ansonsten ist es das übliche Getümmel aus Megareichen, Superreichen und Reichen, die sich vom Keller bis zum Dachboden in den verwinkelten Gängen der Staatsoper zwischen Roulette-Tisch und Crystal-Bar zu verlieren scheinen. Der am häufigsten geäußerte Satz lautet so: "Entschuldigen Sie, Sie stehen auf meinem Abendkleid." Nur in der Herrentoilette, wo die Reinigungskraft Rosanna aus Serbien die Austretenden begrüßt, hört man ihn nicht. Bis fünf Uhr morgens sitze sie noch hier, sagt Rosanna. Ab acht sei ihre Arbeitskraft dann wieder woanders gefragt. Aber auf dem Opernball gibt es viel Trinkgeld, oder? "Nein", sagt Rosanna, "unsere Firma erlaubt uns kein Trinkgeld."

In der Mitarbeiterkantine unter dem Bühnenboden haben sich derweil Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz zu einem letzten Espresso vor dem Abtauchen ins ORF-Kommentatoren-Zimmer eingefunden. Seit Jahren würzen die beiden - Hohenlohe ist Autor, Wagner-Trenkwitz Chefdramaturg an der Wiener Volksoper - mit bissigen Kommentaren die Fernseh-Live-Übertragung.

Am Stehtisch werden nun allerlei Gemeinheiten ausgetauscht. Wagner-Trenkwitz nennt den Ball eine "Folklore-Veranstaltung", die "ebenso wie die österreichische Tourismuswerbung mit Sigmund Freud oder dem Kaiser den Menschen Dinge vorgaukelt, die es gar nicht mehr gibt". Hohenlohe beklagt sich, dass um 0.30 Uhr, wenn er sein Kommentatoren-Zimmer verlassen darf, alle derart angeheitert sind, dass "man mit dem Trinken nicht mehr nachkommt". Danach geht es um den "ukrainischen Schokoladenkönig Poroschenko", der angesichts der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe ausgezeichnet hierhin passe, und um den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz, 31, der heute zum ersten Mal in seinem Leben für etwas zu alt sei. Die Tänzer, die den Opernball eröffnen, dürfen höchstens 24 sein.

Zum Beispiel die angehende Medizinstudentin Constanze Rath: Sie ist 18. Sie wartet auf ihren Auftritt und trägt, wie alle Debütantinnen, ein hübsches Krönchen, das von zwei italienischen Designern entworfen wurde (die, das Gerücht macht nicht nur in der Mitarbeiterkantine die Runde, aus Angst vor fiskalischen Nachforderungen die Reise nach Wien doch nicht antraten). "Unsere Eltern können sich das leider nur im Fernsehen anschauen. Die Opernballkarten sind sehr teuer und über Jahre hinweg ausverkauft", sagt sie.

Man müsste halt Heiner Lauterbach sein, der sich vom österreichischen Immobilien-Tycoon Klemens Hallmann zum Opernball hat einladen lassen. Oder der irische Ministerpräsident und ehemalige Arzt Leo Varadkar, der gemeinsam mit seinem Lebensgefährten den erstmalig anwesenden Kanzler Kurz und dessen ehemalige Mitschülerin Susanne Thier (sehr ernst dreinblickend) begleiten darf.

Mediziner scheinen hier ohnehin sehr gefragt zu sein. Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner, 85, hat gleich vier von ihnen in seiner Loge, drei davon seien, so erklärt er gerne, Schönheitsoperateure. Auch sein diesjähriger Einkauf, die Schauspielerin Melanie Griffith, 60, die mal mit Don Johnson und Antonio Banderas verheiratet war, ist mit dem ein oder anderen Lugnerschen Mediziner gut bekannt, wie sie sagt. In der Mitarbeiterkantine sprechen die ORF-Kommentatoren Wagner-Trenkwitz und Hohenlohe in diesem Zusammenhang von Lugners "rascher Eingreiftruppe, für den Fall, dass einem mal ein Körperteil herunterfällt".

Überhaupt sind viele bekannte Gesichter da, Harald Glööckler, Jens Spahn, der neue Hoffnungsträger der CDU. Und dieser schlanke, große, wichtige deutsche Medienmanager. Und der ehemalige deutsche Arbeitgeberpräsident.

Nur die Sache der rechtspopulistischen FPÖ scheint die Veranstaltung nicht zu sein. Eine einzige Ministerin haben sie geschickt. Vizekanzler Strache twittert am Abend ein Kerzenlicht-Foto aus dem Ski-Urlaub mit Ehefrau Philippa. Dazu schreibt er: "Kontrastprogramm".

So rauscht die Nacht vorüber, "um fünf Uhr morgens fangen wir schon wieder an, abzubauen", stöhnt im ersten Stock Eventorganisator Klaus, während er ein Würstchen isst, das in Deutschland Wiener, in Wien aber Frankfurter heißt. "Wenn ich Glück habe, liege ich um 13 Uhr im Bett." Schon am Nachmittag gibts in der Staatsoper dann zwei Aufführungen mit Papageno in der "Zauberflöte für Kinder". Die bunten Vögel sterben eben niemals aus.

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SZ.de/min/feko
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