Wien:Mann in Wiener Keller: Möglicher Freiheitsentzug bislang unbestätigt

Ein Mann behauptet, seine Mutter hätte ihn monatelang in ihrem Keller gefangen gehalten. Aber stimmt das auch? Nun ermittelt die Polizei.

Ein 45-jähriger Mann in Wien ist nach eigener Aussage von seiner Mutter seit April im Keller ihres Einfamilienhauses gefangen gehalten worden. Die Polizei ermittelt wegen des Anfangsverdachts einer Freiheitsentziehung. Der Verdacht hat sich aber zunächst nicht erhärtet. "Im Zuge einer Hausdurchsuchung konnten bis dato keine eindeutigen Beweise auf ein kriminelles Verhalten gefunden werden", teilte die Polizei am Freitag mit.

Laut Zeugenaussagen habe sich der 45-Jährige vor den Sommerferien zeitweise im Garten des Hauses aufgehalten. Die 77-jährige Mutter bestreitet die Vorwürfe. Ihr Sohn habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, den Keller zu verlassen und sei auch ausreichend von ihr versorgt worden. Da letzte Zweifel an der Aussage des Mannes aber nicht ausgeräumt seien, werde gegen die 77-Jährige weiter wegen möglicher Freiheitsentziehung ermittelt, hieß es.

Die Mutter hatte am Mittwoch die Sanitäter wegen des bedrohlichen Gesundheitszustands ihres Sohnes alarmiert. Die Sanitäter wiederum riefen die Polizei wegen des "sanitären Übelstands". Der Schwerkranke erzählte dann auf dem Weg in die Klinik, dass er von seiner Mutter in einem Kellerabteil eingesperrt worden sei. Er war laut Polizei anfangs in Lebensgefahr, dann habe sich sein Zustand etwas stabilisiert.

Wie die Polizei am Freitag nach der Einvernahme der Mutter mitteilte, hätte der Mann den Aussagen der Frau zufolge jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Kellerabteil - ein Außenkeller, der an das Haupthaus angrenzt - zu verlassen. Er wurde angeblich auch ausreichend von ihr versorgt.

Fälle von häuslicher Freiheitsentziehung werden in Österreich stets besonders beachtet, denn in der Öffentlichkeit sind die Schicksale von Natascha Kampusch und der Tochter von Josef Fritzl noch sehr präsent. Kampusch wurde 1998 entführt, acht Jahre lang von ihrem Peiniger in einem Kellerverlies festgehalten, bis sie sich befreien konnte. Fritzl sperrte seine Tochter 24 Jahre lang in ein unterirdisches Versteck in seinem Haus und zeugte mit ihr insgesamt sieben Kinder, von denen drei ebenfalls im Keller lebten.

Der Fall Fritzl kam 2008 auf ähnliche Weise ans Licht wie der jetzige Fall in Wien. Fritzl brachte damals eines der Kinder, das sich in einem ernsten Zustand befand, ins Krankenhaus.

Dieser Text ist zuerst am 10. September 2020 in der SZ erschienen und wurde am 11. September 2020 aktualisiert.

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