Stilkritik 15 Minuten:Whatsapp entdeckt das "akademische Viertelstündchen"

Stilkritik 15 Minuten: 15 Minuten Zeit, um Tippfehler oder vielleicht auch seine Stimmung zu korrigieren.

15 Minuten Zeit, um Tippfehler oder vielleicht auch seine Stimmung zu korrigieren.

(Foto: Alamy Stock Photos / Anton Brehov/mauritius images)

Der Messengerdienst erlaubt das nachträgliche Bearbeiten von Nachrichten "innerhalb eines Zeitfensters von 15 Minuten". Das sind gute Aussichten für die Zukunft der Unverbindlichkeit!

Von Martin Zips

Es seien immer nur Viertelstunden, die über den Ausgang einer Schlacht entscheiden, soll Napoleon Bonaparte gesagt haben, und tatsächlich ist die Viertelstunde eine hochinteressante Maßeinheit. Der sympathische Meta-Kleinkonzern Whatsapp hat gerade erklärt, man dürfe künftig "innerhalb eines Zeitfensters von 15 Minuten" eine bereits abgeschickte Nachricht noch einmal bearbeiten. Zum Beispiel, wenn man irgendeine Schlacht im letzten Moment für sich entscheiden möchte. Auch Fotos haben beim ein oder anderen Messengerdienst mittlerweile ein Verfallsdatum, manchmal beträgt das noch nicht mal eine Viertelstunde.

Die Viertelstunde, die ideale Maßeinheit

Was die Unverbindlichkeit angeht - ist das eine tolle Entwicklung! Denn so wird das biblische "Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein!" endlich einmal aufgeweicht. Und, wer weiß, vielleicht hängt unsere generelle Liebe zu Viertel(stunden) ja mit den Mondphasen zusammen oder mit der Vierteilung, oder dem Viervierteltakt oder mit dem Westminsterschlag, der ja auch schon die Viertelstunden berücksichtigt. Selbst bei Goethe wird das Viertelstündchen als ideale Maßeinheit beschrieben: "Bis mich das Liebchen abgepflückt/Und an dem Busen matt gedrückt!/Ach nur, ach nur/Ein Viertelstündchen lang!" Aber klar, so etwas würde man heute natürlich bearbeiten, falls man es versehentlich gesendet hat.

Es ist schon nicht schlecht, dass die seit Jahrhunderten an den Universitäten bewährte Cum-tempore-Regelung, also das sogenannte "akademische Viertelstündchen", nun endlich auch Whatsapp erreicht. Denn so kann sich der Heißsporn, also wir, damit vielleicht den ein oder anderen Ärger ersparen oder der Wutbürger die Strafanzeige. Nur: Leider gilt analog auch weiterhin: Lieber erst denken, dann sprechen. So gesehen hilft einem langfristig letztlich wieder nur der römische Philosoph Boethius weiter: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Noch nie gehört? Ab jetzt haben Sie 15 Minuten Zeit, das nachzuschlagen!

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