Dauerregen im Mai:"Der Deutsche ist ein Wetternörgler"

Regen in Stuttgart

Deftiger Regen im Mai: Dämpfer für das Mittelmeer-Bedürfnis vieler Wetternörgler.

(Foto: dpa)

Tief "Axel" ärgert Deutschland mit Dauerregen und Überschwemmungen, und das wenige Wochen nach der Angst vor einem neuen Dürresommer. Ein Gespräch mit Wettermoderator Sven Plöger über Witterung und Wahrnehmung.

Interview von Max Sprick

Seit zwei Tagen regnet es in Deutschland. Und das zum Teil sehr heftig. Gewässer treten über die Ufer, Felder und Straßen werden überschwemmt. Im Mai, von dem man doch eigentlich Sonnenschein und Wärme erwartet. Das wirft Fragen auf. Nach dem Warum vor allem, nach unserer eigenen Wahrnehmung aber auch. Sven Plöger weiß Antworten. Er ist einer von Deutschlands bekanntesten TV-Wettermoderatoren.

SZ: Herr Plöger, Sie behaupten auf Ihrer Website, Regenwetter sei kein schlechtes Wetter?

Sven Plöger: Ich will nicht den langweiligen Satz mit der schlechten Kleidung sagen, aber ich kann eben mit deftigen Schauern leben. Wenn dabei niemand verletzt wird, finde ich Hagel und Graupel toll. Klar: Jetzt kommt gerade etwas mehr Regen als man gebraucht hätte - aber die Natur freut sich und die Landwirte gleich mit. Regen ist so wichtig!

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Verstehen Sie die Menschen, die Ihre Meinung nicht teilen?

Natürlich, ich verstehe auch, dass die meisten Leute schönes Wetter mit Sonne verbinden. Aber: Der Deutsche ist ein Wetternörgler. Wir haben sehr hohe Ansprüche.

Hochwasser Nordhessen

So sieht es aktuell in Nordhessen aus: Die Losse ist in Kaufungen nach schweren Regenfällen über die Ufer getreten.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Wie meinen Sie das?

Ich weiß nicht, was für uns die richtige Temperatur wäre. 23,148299 Grad? Wenn es davon abweicht, wähnen wir uns gleich in einer Problemlage. Aber klar: Gerade im Mai haben wir große Hoffnungen auf schönes Frühlingswetter nach dem Winter. Ich verstehe da jeden, der sagt: Meine Güte, wieso ist das jetzt einer der kältesten Mai-Monate seit x Jahren?

Ja, wieso denn?

Das gehört halt dazu. Gäbe es solche Phasen wie jetzt nicht, könnte man sich auf gar nichts mehr freuen. Dann hätte man jeden Tag das Gefühl, es muss immer wärmer und toller sein. Aber das geht nicht. Das Wetter schwankt.

Haben Sie eine Erklärung für das ständige Nörgeln?

Ich habe keine Untersuchung, nur meinen subjektiven Eindruck durch Gespräche: Ich glaube, wir Deutschen haben zu viel Freizeit. Das ist zwar schön, aber wir versuchen in der heutigen Welt unser Leben auf allen Ebenen zu optimieren. In diesem Denken ist schlechtes Wetter unerwünscht.

Dauerregen im Mai: Sven Plöger, 52, Diplom-Meteorologe, wusste schon als Schüler, dass er später vom Wetter erzählen will. Seit 20 Jahren tut er das vor allem als Moderator von „Das Wetter im Ersten“ und Autor mehrerer Bücher.

Sven Plöger, 52, Diplom-Meteorologe, wusste schon als Schüler, dass er später vom Wetter erzählen will. Seit 20 Jahren tut er das vor allem als Moderator von „Das Wetter im Ersten“ und Autor mehrerer Bücher.

(Foto: Sebastian Knoth)

Spielt auch das sich wandelnde Klima eine Rolle?

Seit 23 Jahren gab es mit Ausnahme eines einzigen Monats, des Dezembers 2010, kein zu kaltes Jahr mehr gegenüber dem langjährigen Mittel. In Deutschland waren alle Jahre zu warm. So langsam entsteht so ein Mittelmeer-Bedürfnis. Wir erwarten bei uns Wetter wie im Mittelmeerraum - und wenn wir dann so ein normales durchschnittlich-mitteleuropäisches Wetter haben, zu dem Gott sei Dank Regen dazugehört, dann nörgeln wir gleich los.

Um auch mal zu nörgeln: Gerade scheint das Wetter gar nicht zu schwanken. Der viele Regen scheint vor allem hier in Süddeutschland unendlich zu sein.

Die aktuelle Regenperiode ist eine völlig normale Schwankung. Es ist aber tatsächlich so, dass wir spüren, wie sich unser Klima verändert. Sachen, die früher eine Ausnahme waren, passieren heute häufiger, Hochs und Tiefs ziehen langsamer. Und gerade haben wir einen relativ tiefen Luftdruck, ein Tief nach dem anderen dümpelt über uns hinweg.

Woran liegt das?

Entscheidend für unser Wetter ist der sogenannte Jetstream, der um unseren Planeten weht und den Temperaturunterschied zwischen den Polen und dem Äquator ausgleicht. Da dieser Unterschied durch die immer wärmer werdenden Pole aber abnimmt, wird auch der Jetstream im Mittel schwächer und die Luft am Boden bewegt sich langsamer. So wie vergangenen Sommer, als die Dürre lange nicht weiterzog.

Vor ein paar Wochen noch gab es Warnungen, diese Dürre könnte in diesem Sommer noch schlimmer werden.

Und das hat mich unglaublich aufgeregt. Diese Meldungen waren Ergebnis der unglaublichen Kakofonie eines aufgeregten medialen Wahns. Die zentrale Aussage war: Würde 2019 vom Wetterablauf wieder so trocken wie 2018, dann würde die Dürre 2019 noch problematischer. Ist ja auch logisch, die Folgen von 2018 sind längst nicht korrigiert. Aber in einer medial überschäumenden Wahnsinnsphase wurde oft einfach der Konjunktiv weggelassen.

Dieser viele Regen jetzt: Reicht er schon, um die Folgen der Dürre zu bekämpfen?

Das Wasser ist längst nicht in tieferen Bodenschichten angekommen. In 1,80 Meter Tiefe herrscht weiter Dürre. Deswegen können die Böden die plötzlichen Wassermassen nicht aufnehmen und es entstehen Überschwemmungen. Tiefe Schichten aber brauchen noch viel mehr Wasser.

Ist der regnerische Mai ein Vorbote für einen verregneten Sommer?

Das jetzige Wetter heißt überhaupt nicht, dass der Sommer schlecht wird. Noch kann kein Mensch verlässlich sagen, wie er wird. Er kann ein wunderschöner mit viel Sonne werden (und hoffentlich ausreichend Regen) - oder auch nicht. Alles reine Spekulation.

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