Wetterstationen:Zweifel am Rekord

  • Im niedersächischen Lingen wurden an einer Messstation des Deutschen Wetterdienstes am Donnerstag 42,6 Grad Celsius gemessen. Der Wert wurde inzwischen offiziell bestätigt.
  • Unter anderem der Meteorologe Jörg Kachelmann äußert Zweifel an der Messung.
  • Um außergewöhnlich hohe Werte zu prüfen, gleicht der DWD sie mit Stationen in der Umgebung ab. Auch eine Stationsverlegung wird unter Umständen geprüft.

Von Julian Erbersdobler

Fast im Stundentakt gab es am Donnerstag Meldungen, dass der nächste Hitzerekord geknackt wurde (hier der Hitze-Liveblog vom Donnerstag). Städte und Ortsteile wie Geilenkirchen und Weilerswist-Lommersum schafften es in die Fernsehnachrichten. Am heißesten war es am Donnerstag in Lingen: Die Stadt im Emsland stellt nun den deutschen Hitzerekord - mit 42,6 Grad Celsius.

Dass die bisherige Spitzentemperatur aus dem Jahr 2015 so deutlich übertroffen wurde und gleich an mehreren Orten höhere Werte erfasst wurden, erstaunte auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Die twitterte: "Ein Tag, der Wettergeschichte schreiben wird."

Aber wie verlässlich sind die Messungen? Und welche Rolle spielen die jeweiligen Standorte der Wetterstation? Mit solchen Fragen setzt sich Detlef Aßmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD) jeden Tag auseinander. Er ist für alle Wetterstationen in Bayern und Baden-Württemberg zuständig. "Unsere Stationen werden regelmäßig kontrolliert", sagt er. "Unser Job ist es, dass die Messungen unter möglichst realen Bedingungen ablaufen." Es könne aber durchaus sein, dass sich Stationen mit der Zeit nicht mehr als Messstandort eignen.

"Es gibt Stationen, die standen mal am Ortsrand auf einer grünen Wiese und jetzt entsteht dort plötzlich ein Industriegebiet, das viel Schatten wirft", sagt Aßmann. In solchen Fällen müsse man sich darüber Gedanken machen, ob ein Umzug nötig sei. Es sei aber gar nicht so einfach und könne lange dauern, einen neuen Standort zu finden.

Gemessen wird immer zwei Meter über dem Erdboden - und zwar über Grünflächen, also nicht über heißem Asphalt oder Beton. Die beiden Fühler stecken in einem Gehäuse, das von Lamellen umgeben ist, damit die Sonne nicht direkt auf die Thermometer scheint, aber andererseits auch keine Stauhitze entstehen kann. Außerdem muss ein Mindestabstand zu Bäumen und Gebäuden eingehalten werden. Diese Standards entsprechen den Vorgaben der WMO.

Ob die von der Wetterstation gemessenen Werte plausibel sind oder doch Fehler enthalten, wird zunächst von Computern geprüft. Dabei werden auch andere Stationen in der Umgebung mit einbezogen. "Erst wenn die Werte geprüft wurden, dürfen wir sie freigeben", erklärt Aßmann.

Der Meteorologe Jörg Kachelmann hat Zweifel an dem Rekordwert, der in Lingen gemessen wurde. Auf Twitter schrieb er: "Man sieht hier schön, wie die lokalen Gegebenheiten in Lingen den Rekord möglich gemacht haben, der Fehler durch die ventilationshemmende Umgebung ist rund drei Grad, wie man an den umgebenden Stationen sieht."

Der DWD hat etwa 2000 Stationen in Deutschland

Mit anderen Worten: Die Erhebung sei verfälscht, weil die Luft an der Messstation quasi steht. Wie der NDR berichtet, liegt die Station mit 22 Metern über dem Meeresspiegel verhältnismäßig tief, zudem noch in einer kleinen Senke, so dass nur wenig Wind aufkommt, der eine Luftzirkulation herbeiführen kann. Auf der einen Seite sei eine kleinere Straße, auf der anderen ein Kanal.

Der DWD hat den neuen deutschen Hitzerekord von 42,6 Grad in Lingen am Freitag jedenfalls bestätigt. Der am Donnerstag gemessene Wert sei korrekt, sagte ein Sprecher. Aßmann will sich zu der Station in Lingen nicht äußern, weil sie nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt. Insgesamt gibt es in Deutschland ungefähr 2000 Messstellen des Deutschen Wetterdienstes.

Schon am Mittwoch war der bisherige deutsche Allzeitrekord von 2015 gebrochen worden. Im unterfränkischen Kitzingen wurden damals 40,3 Grad gemessen. Diesmal waren es in Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen 40,5 Grad. Dieser Rekord hielt aber nicht einmal einen Tag. Der Donnerstag wurde dann zum Tag der Ausnahmewerte: An 25 Messstationen stiegen die Temperaturen auf 40 Grad oder mehr, an 15 Stationen wurden Werte gemessen, die den Kitzinger Wert überschritten.

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