Wetter in Deutschland:Ein Winter, wie er lange nicht mehr war

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Nach einer scheinbar endlosen Kältesaison wird es endlich wärmer - doch war die frostige Jahreszeit wirklich schlimmer als in den Jahren davor?

C. Schrader

Schon der Blick auf die Wetterkarte genügte diese Woche, um vielen Menschen die Laune zu verderben. Da lag ein großes, stabiles Hoch über Spanien und nördlich davon zog ein Tief nach dem anderen vom Nordatlantik nach Mitteleuropa.

Die Vorboten des Frühlings sind da: Im Münchner Hofgarten blühen die Schneeglöckchen. (Foto: Foto: ddp)

Wie auf einer schiefen Ebene kamen Herbert, Ingolf und Jens herbeigerollt und entluden sich wie Wasserbomben über Deutschland. Das letzte der drei Tiefdruckgebiete brachte drei Tage nach dem kalendarischen Frühlingsanfang 22 Zentimeter Neuschnee nach Oberstdorf, ließ Straßen überfrieren und viele Unfälle geschehen.

Selbst Meteorologen, die die Kapriolen des Wetters sonst mit weiser Abgeklärtheit verfolgen, beginnen schon, die Ungeduld ihrer Zeitgenossen zu teilen. "Der Frühling hat bei uns zumindest bisher viele Wünsche offen gelassen, um es einmal moderat auszudrücken", schreibt Jens Hoffmann vom Deutschen Wetterdienst in einer Kolumne auf der DWD-Webseite. "Die Leute lechzen nach Frühling", sekundiert seine Kollegin Dorothea Paetzold.

Es mag sein, so deuten es die Wetterkundler an, dass in dieser Woche der gefühlte Winter tatsächlich zu Ende geht. "Frühstens Anfang April kann es mit viel Glück Frühlingstemperaturen um die 15 Grad geben", sagt Jörg Kachelmann vom privaten Wetterdienst Meteomedia. "Das Wetter könnte von der West- auf eine Südströmung umschwenken", ergänzt Gerhard Müller-Westermeier vom DWD.

Aber dann hat der Winter eben gefühlt auch vier Monate gedauert. Die Grundlage für dieses Gefühl zeigt sich in Zahlen, die Müller-Westermeier für den Wetterdienst zusammengestellt hat.

Dabei vergleicht er das aktuelle Jahr mit dem Durchschnitt über die vergangenen Jahrzehnte.

Trübselige Stimmung ohne Föhn

Allerdings muss man die Details studieren, mit den Temperaturen allein ist die miese Laune der nach Frühling Lechzenden nicht zu erklären. Tatsächlich war in ganz Deutschland der meteorologische Winter, also die Monate Dezember bis Februar, um 0,5 Grad Celsius kälter als das langjährige Mittel.

Das ist nicht viel, die Werte können um etliche Grad nach oben oder unten schwanken. An den wissenschaftlichen Belegen für die globale Erwärmung ändert ein kühlerer Winter daher nichts. Aber er war auch deswegen zu spüren, weil die beiden vorigen Winter mild ausfielen.

Vor allem der Januar hat den Winter 2008/2009 unter den Durchschnitt gezogen. Der Monat lag um 1,8 Grad unter dem Mittelwert. Dazu hat vor allem eine strenge Frostperiode vom 6. bis 16. Januar beigetragen, als es Bilderbuchwinter gab: Sonnenschein über weißverschneiten Landschaften. Der Dezember und Februar waren hingegen sogar etwas wärmer als frühere Vergleichsmonate. Und das gilt nach vorläufigen Zahlen auch für den März, der 0,7 Grad über dem Mittel liegt.

Auf der nächsten Seite: Die Gewinner und die Verlierer des Winters - und welche Rolle der Frühling für die Gefühle spielt.

Dennoch kann Müller-Westermeier die Enttäuschung der Menschen beim Blick durch das Fenster nachvollziehen. "Es war jetzt einfach sehr lang trübe und feucht", sagt er. Im Februar und März schien die Sonne seltener als gewöhnlich, sie erreichte nur 65 und 78 Prozent ihres Stundensolls. Zudem gab es mehr Niederschläge, 115 und 140 Prozent der erwarteten Mengen.

Speziell in Bayern gab es noch stärkere Ausschläge: Beide Monate waren kälter als im Rest Deutschlands, und im März erlaubten die Wolken zwischen Main und Alpen nur 62 Prozent der üblichen Sonnenscheindauer, dafür gab es 154 Prozent der zu erwartenden Niederschläge. "Es wurde auch deshalb nie richtig warm, weil es keine Südströmung und keinen Föhn gab", sagt Müller-Westermeier. Die Stimmung war daher "trübselig".

Neben den Millionen Frustrierten in Büros und Betrieben produziert der lange Winter aber auch echte Verlierer und Gewinner. Sehr zufrieden sind zum Beispiel die Liftbetreiber in den Skigebieten. "Absolut super", sagen sie oder "sagenhaft viel Schnee". Bis Ostern können sie gute Bedingungen für den Wintersport garantieren.

Die ganze Saison über, so erklären es nämlich die Meteorologen, hätten sich die Wolken immer wieder an den Nordrändern der Mittelgebirge und der Alpen gestaut und große Mengen Schnee fallen lassen. Allerdings fehlte auch den Bergbahnen die Sonne: "Im März fährt keiner mehr bei schlechtem Wetter", heißt es - auch nicht, wenn der Schnee bombig ist.

Weniger gut ergeht es den Bauern. An vielen Orten liegt noch Schnee auf den Feldern, wo die Landwirte jetzt düngen und bald säen wollten. Landwirtschaftsämter berichten von Verstößen gegen die Düngemittelverordnung. Diese Vorschrift verbietet es nicht nur, bis Ende Januar auf Äcker und bis Mitte Februar auf Grünland Gülle zu verspritzen. Sie untersagt es auch, danach bei gefrorenem Boden oder wenn Schnee auf der Krume liegt.

Die Pflanzenwelt hinkt hinterher

Dennoch waren in vergangenen Tagen immer wieder Bauern mit Traktor und Güllefass auf dem Acker. Sie befürchten offenbar einen Engpass. "Wenn das Wetter endlich besser wird, müssen wir alles auf einmal machen", sagte Franz Lenz vom Bayerischen Bauernverband.

Obstbauern und Gärtner hingegen sollten eher die Vorteile des so lange trüben Wetters sehen. In diesem Jahr sei die Gefahr, dass die Blüten bei plötzlichem Frost erfrieren, niedriger als sonst, sagt Christine Polte-Rudolf. Sie arbeitet als Phänologin beim Deutschen Wetterdienst, beurteilt den Fortschritt der Frühlings also nach der Entwicklung der Pflanzenwelt.

Und die ist in diesem März noch nicht so weit wie in früheren Jahren - an Bäumen, die noch nicht blühen, können auch keine Blüten erfrieren. Im Vergleich zu früheren Jahren aber sei das Pflanzenwachstum insgesamt nicht eingeschränkt, so Polte-Rudolf. Nur die Forsythien seien leicht hinter dem Plan.

Für die Menschen trübt aber neben dem Mangel an Wärme und direktem Sonnenlicht auch der Mangel an Düften und Farbflecken die Stimmung - die gelben Blüten der Forsythie könnten sie aufhellen, wenn sie sich in einem sanften Wind wiegen. Wenn in den Fernsehnachrichten beim Bericht über Präsident Obama die Kirschblüten in Washington zu sehen sind, greift der Neid nach der Seele.

Eine dringend nötige Umstellung des Hormonhaushalts kann man für die miese Laune aber kaum verantwortlich machen. Was sich bei Frühlingsanfang in den diversen Drüsen des Körpers genau tut, wissen auch die Fachleute, die Endokrinologen nicht genau. Sie weisen den Hormonen einen geringen Anteil an den Frühlingsgefühlen zu, nach denen sich viele jetzt sehnen. Die Sehnsucht richtet sich auf einen beschwingteren Rhythmus des Lebens und nährt sich im grauen Licht des Winters von der Erinnerung.

© SZ vom 30.03.2009/bre - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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