Weltmeisterschaften:Acht kuriose Alternativen zur Fußball-WM

Mick Grimmett

Zehen drücken in Fenny Bentley, Großbritannien.

(Foto: picture-alliance)
  • Vom 14. Juni bis 15. Juli 2018 findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft statt.
  • Wer sich nicht für Fußball begeistert, hat Glück: Zahlreiche - überwiegend kuriose - Sportarten suchen im Sommer nach einem Titelverteidiger.
  • Die Termine für die alternativen Weltmeisterschaften:

Von Frederik Eikmanns

Gründe, sich nicht auf die Fußball-Weltmeisterschaft zu freuen, gibt es genug: Lärmende Fans beim Public Viewing, nervige Kommentatoren im Fernsehen, langweilige Gespräche in der Kantine. Die gute Nachricht: Diesen Sommer finden auch noch andere WMs statt, solche, bei denen man nicht anderthalb Stunden lang verschwitzten Millionären zugucken muss, wie sie einem Ball hinterherhecheln. Die schlechte Nachricht: Im Fernsehen übertragen werden die alternativen Weltmeisterschaften nicht, man muss also schon selbst hinreisen, um mitfiebern zu können.

Mick Grimmett

Zehen drücken in Fenny Bentley, Großbritannien.

(Foto: picture-alliance)

22. Juni: Zehen drücken

Die Sportart: Armdrücken ist ja schon bekannt, was sollte also dagegen sprechen, es mal mit den Füßen zu versuchen? Klar, einem fallen eine Menge Gründe ein, die skeptisch stimmen: Bedenken wegen der Körperhygiene aller Beteiligten zum Beispiel, oder die Frage, ob das nicht einfach ein bisschen umständlich ist. Solche Zweifel aber wischen die Organisatoren der Weltmeisterschaften im Zehendrücken genauso zur Seite wie gesundheitliche Einwände. Und doch: Regelmäßig endet der Wettkampf für die Teilnehmer beim Arzt. Diagnose: gebrochener Zeh.

Der Austragungsort: Das Hotel Bentley Brook Inn, in Fenny Bentley, Großbritannien.

Der Weg zum Sieg: Trainingsreich. Kurze, dicke Zehen sind aber von Vorteil. So wie die von Alan "Nasty" Nash, der bereits vierzehn Mal hier Weltmeister wurde. Um fit zu bleiben und auch 2018 seinen Titel zu verteidigen, geht er drei bis viermal die Woche ins Fitnessstudio. Dabei sei es entscheidend, sich nicht nur auf die Füße und Beine zu konzentrieren, sagt er. Genauso wichtig sei es, die richtigen Tricks zu kennen: "Ich habe eine ganze Liste offensiver und defensiver Manöver, die ich über die Jahre perfektioniert habe."

Weltmeisterschaften: Fragile Wurfgeschosse müssen in Swaton, Großbritannien, aufgefangen werden.

Fragile Wurfgeschosse müssen in Swaton, Großbritannien, aufgefangen werden.

(Foto: Lindsey Parnaby/AFP)

24. Juni: Eier werfen

Die Sportart: Bei den World Egg Throwing Championships wird das fragile Wurfgeschoss im besten Fall aufgefangen, ohne kaputt zu gehen. Das ist wichtig, denn nur dann zählt der Wurf. Profis knacken auch gerne mal die Achtzig-Meter-Marke. Garantierten Eier-Matsch gibt es dagegen beim russischen Eier-Roulette: Zwei Spieler klatschen sich hier abwechselnd insgesamt sechs Eier an die Stirn. Fünf sind hart gekocht, eins ist roh und keiner weiß, welches. Wie sich entscheidet, wer verloren hat, muss wohl nicht erklärt werden.

Der Austragungsort: Swaton. Natürlich wieder in Großbritannien.

Der Weg zum Sieg: Leichter - im Falle intensiver Handpflege. Weich müssen die Finger der Athleten nämlich sein, sagt Andy Dunlop, der Präsident der Welt-Eierwurf-Föderation, nur dann könne man die fragilen Wurfgeschosse so sanft fangen, dass sie nicht zerbrechen. Ansonsten gilt, was für alle Leistungssportarten gilt: "Üben, du musst üben", so Dunlop.

Wife Carrying World Championships in Sonkajarvi, Finland

Frauen tragen in Sonkajärvi, Finnland.

(Foto: Markku Ojala/dpa)

6.-7. Juli: Frauen tragen

Die Sportart: Nirgendwo in Europa wurde das Frauenwahlrecht früher eingeführt als in Finnland, und fast nirgendwo ist das Gender-Pay-Gap heute so klein wie dort. Dennoch: An einigen Orten scheinen sich die Finnen noch ein eher traditionelles Geschlechterverständnis bewahrt zu haben. Bei der Weltmeisterschaft im Frauentragen etwa sind die Rollen klar verteilt: Als beste Tragetechnik hat sich etabliert, dass der Athlet die Athletinnen kopfüber transportiert. Sie schlingt also ihre Beine um seinen Hals, sodass er ihre Füße vor der Nase hat, während sie an seinem Rücken baumelt. Herrlich. Ihr Mindestgewicht ist: 49 Kilo.

Austragungsort: Sonkajärvi in Finnland.

Der Weg zum Sieg: Hart. Er führt durch Wasserbecken, über Hindernisse und nach 253,5 Metern schließlich ins Ziel. Gefragt ist Vielseitigkeit. "Es reicht nicht, einfach nur schnell oder lediglich stark zu sein", sagt Taisto Miettinen, der seine Partnerin Kristiina Haapanen schon sechs Mal zum Weltmeistertitel geschleppt hat. "Die Kombination ist entscheidend."

Schuh-Weitwurf und Unkraut-Essen

Landwirt Ralf Krämer

Besonders funktional müssen die Stiefel für den Wettbewerb in Finnland nicht sein, Matsch ist für die perfekte Grifftechnik dennoch hinderlich. (Symbolbild)

(Foto: dpa)

7.-8. Juli: Gummistiefel werfen

Die Sportart: Es gibt gewiss Gegenstände, die sich besser dafür eignen, durch die Luft geschleudert zu werden als Gummistiefel. Den Finnen ist das aber egal. Mit großer Begeisterung veranstalten sie jährlich auch die Weltmeisterschaft im Gummistiefelweitwurf. Ebenso beliebt: Handyweitwurf. Dieses Jahr allerdings ohne WM-Termin.

Austragungsort: Die kleine Gemeinde Kinnula im Süden Finnlands.

Der Weg zum Sieg: Gesäumt von Wodkaflaschen. Traditionell benutzt man hier nämlich hochprozentigen Alkohol zur Leistungssteigerung. Dafür spricht zumindest, was Organisator Harri Kinnunen erzählte, als er von der BBC gefragt wurde, wie denn dieser Sport entstanden sei. "Ich glaube, es war so, dass einige Betrunkene nach der Sauna draußen saßen und einen Gummistiefel gesehen haben", antwortete er. Der Rest ist Geschichte.

Louise and Lottie Gray, and Ivanova compete in the annual Nettle Eating World Championships during a hen party at Bottle Inn pub in Marshwood

Brennesseln essen in Marshwood, Großbritannien.

(Foto: Chris Helgren/Reuters)

14. Juli: Brennnesseln essen

Die Sportart: Genauso regelmäßig wie man nachschauen muss, ob das Wort Brennnessel wirklich dreimal den Buchstaben n hintereinander enthält, kommen Gourmets jedes Jahr in den Süden Großbritanniens. Warum? Um sich innerhalb einer Stunde den Mund mit möglichst vielen jener Nesseln vollzustopfen. Wie sich das auf den Geschmack auswirkt, ist nicht bekannt, dafür weiß man, was die Größe der Pflanzen mit der Idee für den Wettkampf zu tun hat: 1997 sollen zwei Bauern eine Wette abgeschlossen haben, wer auf seinem Grundstück die größeren Brennnesseln hat. Der Verlierer musste zur Strafe einen ganzen Stängel der Pflanze essen. Nur logisch, dass man im nächsten Schritt eine Weltmeisterschaft ins Leben rief!

Der Austragungsort: Der Pub "The Bottle Inn" in Marshwood, Großbritannien.

Der Weg zum Sieg: Geht durch den Magen. Wie die Liebe, nur ohne Schmetterlinge. Dafür mit Schmerzen. Wer als Kind einmal über Wiesen gestrichen ist und auch nur am Bein mit der Pflanze in Berührung gekommen ist, der kann sich ungefähr vorstellen, was die Teilnehmer erwartet.

Suchspiele für Erwachsene, Landarbeiter mit großem Gerät

Hide and Seek World Championship/Nascondino World Championship in Consonno 2017

www.nascondinoworldchampionship.com

Von Kindern und Erwachsenen: Suchen und Finden in der italienischen „Geisterstadt“ Consonno.

(Foto: Nicola Carrara)

24.-26. August: Verstecken

Die Sportart: Durchtrainierte Körper, voller Einsatz - der Spielplatzklassiker als Leistungssport. Jedes Jahr strömen Hunderte Athleten nach Italien, um an den Weltmeisterschaften im Versteckspiel teilzunehmen. Zu gewinnen gibt es: Ein goldenes Feigenblatt.

Der Austragungsort: Das verlassene Dorf Consonno in der italienischen Lombardei.

Der Weg zum Sieg: Eine Reise in die eigene Vergangenheit. "Du musst wieder zum Kind werden" sagt Nicola Landi, der Kapitän des Teams Tana Madana aus Ravenna in Italien. Zu viel Ehrgeiz hilft aus seiner Sicht nicht. "Wenn du loslegst und an den Sieg denkst, hast du schon verloren."

Weltmeisterschaften: Felder pflügen bei Tübingen, Deutschland.

Felder pflügen bei Tübingen, Deutschland.

(Foto: WPM)

1.-2. September: Felder pflügen

Die Sportart: Besser als Fußball-WM oder Formel 1 zusammen: Die Weltmeisterschaft im Wettpflügen! Feuchtes Erdreich trifft auf viel PS. Dank der Elite der internationalen Agrarindustrie. Knapp drei Stunden haben die Teilnehmer Zeit, um mit ihren Traktoren ein Feld umzugraben.

Der Austragungsort: Das Hofgut Einsiedel nahe Tübingen.

Der Weg zum Sieg: Meist matschig. "Wichtig ist vor allem, dass man ein pingeliges und genaues Auge hat", erklärt Sebastian Murkowski, der für Deutschland in der Disziplin Drehpflügen antreten wird. Punkte werden hauptsächlich danach vergeben, wie gleichmäßig am Ende die Furchen sind, die sich durch das Feld ziehen.

23. September: Steine werfen

Die Sportart: Der erste Reflex am Ufer eines Sees? Steine reinwerfen, sie im besten Falle springen lassen. Wer sich darin für besonders begabt hält, sollte bei dieser WM mit dabei sein. Jedes Jahr zieht der Wettkampf Hunderte Athleten an. Ein bisschen unerwartet: Nicht die Zahl der Sprünge ist entscheidend, sondern wie weit der Stein mit mindestens drei Aufsetzern kommt.

Der Austragungsort: Die schottische Insel Easdale.

Der Weg zum Sieg: Kompliziert. Die derzeit amtierende Weltmeisterin Nina Luginbühl aus der Schweiz: "Viele Faktoren müssen stimmen: Technik, Kraft, Stein, Wind-und Wellengang und die Fähigkeit, im letzten Augenblick den Stein kontrolliert loszulassen." Aha. Frau Luginbühl ließ 2017 in Easdale einen Stein übrigens 44 Meter weit springen.

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