Vergewaltigungsprozess gegen Weinstein:"Ich fand, dass er einen Freund verdient hat"

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Paul Feldsher wird von Weinsteins Anwältin Donna Rotunno befragt. (Foto: Jane Rosenberg/Reuters)
  • Im Weinstein-Prozess hat mit Paul Feldsher der erste Zeuge der Verteidigung ausgesagt.
  • Zunächst läuft es gut für den Angeklagten, Feldsher scheint die Aussage von Annabella Sciorra zu entschärfen. Diese hatte Weinstein im Zeugenstand einer Vergewaltigung bezichtigt.
  • Doch dann ergreift Staatsanwältin Joan Illuzzi das Wort - und zitiert aus Textnachrichten zwischen Feldsher und Weinstein.

Von Johanna Bruckner, New York

Paul Feldsher will ein angenehmer Zeuge vor Gericht sein. Er ist dem Anlass entsprechend gekleidet, trägt Anzug und Krawatte. Er entschuldigt sich bei Richter James Burke, wenn er kurz überlegen muss, um eine Frage zu beantworten, oder seine Antwort länger ausfällt als ein paar Sätze. Und er lächelt und scherzt in Richtung der Jury, die in den vergangenen zwei Wochen Zeugenaussagen gehört hat, die mitunter schwer zu ertragen waren. An diesem Donnerstagnachmittag aber, als Feldsher seine Aussage im Prozess gegen Harvey Weinstein beginnt, ist die Stimmung gelöst. Sogar Weinsteins Anwältin Donna Rotunno scheint gut gelaunt, auf jeden Fall ist sie nicht mehr im Angriffsmodus wie in den Tagen zuvor im Kreuzverhör.

Ihre ersten Fragen klingen freundlich, so, als würde sie Smalltalk mit einem Bekannten machen. Paul Feldsher ist ihr Zeuge. Noch am Morgen sagten Frauen vor Gericht aus, die die Staatsanwaltschaft geladen hatte, um ihre Anklage gegen den Ex-Filmmogul zu beweisen. Weinstein muss sich vor der Strafkammer des New York State Supreme Courts wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verantworten, er selbst bestreitet die Anschuldigungen, spricht von einvernehmlichen sexuellen Kontakten. Rotunno, eine ausgewiesene Spezialistin für die Verteidigung von Sexualstraftaten, will nun diese Version der Geschehnisse belegen, Feldsher soll ihr dabei helfen.

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Mit Harvey Weinstein ist er nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren bekannt und, noch wichtiger, es gab eine Zeit, in der er sehr eng befreundet war mit der Schauspielerin Annabella Sciorra - sie bezichtigt Weinstein, sie in den frühen 90er-Jahren in ihrem Appartement in Manhattan vergewaltigt zu haben. Sciorras Anschuldigungen sind nicht Teil der offiziellen Anklage. Ihre Zeugenaussage vor gut zwei Wochen, die erste richtig wichtige in diesem Verfahren, sollte zeigen, dass Weinstein Frauen gegenüber ein kriminelles Verhaltensmuster hatte.

Feldsher erinnert sich im Zeugenstand an einen langen Spaziergang mit Sciorra, ebenfalls irgendwann in den frühen 90ern, man sei mehrere Stunden durch Manhattan gelaufen, und irgendwann habe Sciorra zu ihm gesagt: "Mir ist eine verrückte Sache mit Harvey Weinstein passiert." Ins Detail gegangen sei sie nicht, und er habe auch nicht nachgefragt. Aber, so sagt Feldsher vor Gericht: "Ich habe es so verstanden, dass sie rumgemacht haben." Wie Sciorra gewirkt habe, will Rotunno wissen. Nichts an Sciorras Schilderung sei schockierend oder alarmierend gewesen, sagt Feldsher.

Ob Sciorra zu dieser Zeit Alkohol getrunken und verschreibungspflichtige Medikamente genommen habe, fragt Weinsteins Verteidigerin. Beides bejaht der Zeuge - es läuft gut für die Verteidigung. Rotunno fragt weiter, es geht um ein Filmprojekt, für das Weinstein Feldsher 2018 anheuerte, am Ende wartete der auf sein Geld, ein Anwalt wurde eingeschaltet, man einigte sich auf einen Vergleich. "Ich fand, dass ich einen sehr guten Job gemacht hatte, und war sauer, dass ich nicht bezahlt wurde", sagt Feldsher. Auch dieser Satz spielt Rotunno in die Karten - die Episode soll zeigen, dass Feldshers Aussage kein Freundschaftsdienst ist.

Zum ersten Mal nimmt dann Staatsanwältin Joan Illuzzi einen Zeugen ins Kreuzverhör. Sie hakt nach, wird auch laut dabei, irgendwann reicht sie dem Zeugen einen Stapel Papiere. Es sind Ausdrucke von Textnachrichten zwischen ihm und Harvey Weinstein, sie datieren aus dem vergangenen Jahr. Der Streit ums Geld ist da offenkundig schon wieder vergessen, man steht regelmäßig in Kontak. Ob er mit dem Angeklagten darüber gesprochen habe, wie es ihm gehe, will Illuzzi wissen. Feldsher bejaht. Ob ihm Harvey Weinstein leid getan habe, fragt Illuzzi weiter. "Ich fand, dass er einen Freund verdient hat", sagt Feldsher.

Der erste Entlastungszeuge der Verteidigung ist zur Belastung geworden

Dann beginnt die Staatsanwältin vorzulesen aus jenen Gesprächen, die Feldsher und Weinstein via Messenger-Dienst führten. Es geht um Weinsteins Verhältnis zu Frauen (Feldsher: "Du hast einen unbändigen Appetit auf Frauen") - und es geht um Annabella Sciorra. "I think, she's full of shit", schrieb Feldsher, also in etwa: "Sie redet nur Scheiße". "Wenigstens hat ihr ihre Vergewaltigungs-Version einen Agenten eingebracht", lautet ein anderer von Feldshers Sätzen, ein weiterer: "Annabella ist ein Arschloch." Die Frauen, die den Filmproduzenten beschuldigen, beschreibt er als "dog pile", eine abwertende Bezeichnung für eine Gruppe Menschen. Gleichzeitig schrieb er: "Wenn viele dieser Mädchen meine Tochter gewesen wären, hätte ich dir (gemeint ist: Weinstein) die Scheiße aus dem Leib prügeln wollen."

Paul Feldsher schiebt sich nun immer wieder seine schwarzumrandete Brille hoch, stolpert über die eigenen Worte. Er habe nicht gewusst, dass diese Gespräche irgendwann öffentlich gemacht würden, sagt er. "Haben Sie Dinge gesagt, von denen Sie dachten, dass Harvey Weinstein sie hören wollte?", fragt die Staatsanwältin. "Ja", sagt Feldsher. Eigentlich könnte Illuzzi an dieser Stelle bereits aufhören, aber sie ist noch nicht am Ende, ihre Stimme peitscht durch den Saal. "Und das", sagt sie, "ist genau das, was Sie heute tun, nicht wahr? Sie sagen Dinge in diesem Gerichtssaal, von denen Sie denken, dass Harvey Weinstein sie hören will?"

Die Staatsanwältin erwartet darauf keine Antwort, Feldsher liefert sie trotzdem: "Kategorisch: nein", sagt er. Am Ergebnis dieses Tages ändert das nichts mehr. Der erste Entlastungszeuge der Verteidigung ist gerade zur Belastung für Harvey Weinstein geworden.

Anm. d. Red: In einer früheren Version dieses Artikels wurde ein Zitat von Paul Feldsher falsch wiedergegeben. Er schrieb laut zitierter Telefondaten nicht "Wenn diese Mädchen meine Töchter wären, würde ich ihnen die Scheiße aus dem Leib prügeln wollen", sondern "Wenn viele dieser Mädchen meine Tochter gewesen wären, hätte ich dir die Scheiße aus dem Leib prügeln wollen". Der Fehler war den schlechten akustischen Verhältnissen im Saal geschuldet, wir haben die Stelle berichtigt.

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