Produktwerbung mit jungen Frauen:Ein Zacken? Die ganze Krone!

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Die Pfälzische Weinkönigin von 1938, Maria Poh aus Hambach. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/Arkivi)

Der Verein Pfalzwein schafft seine Königin ab, bei einigen Lokalpolitikern verursacht das Schnappatmung.

Von Kerstin Lottritz

Der Adel ist längst abgeschafft, und doch hält sich in der Republik Deutschland hartnäckig eine kleinteilige Obst- und Gemüsemonarchie. In den ländlichen Regionen von Nord nach Süd regieren diverse Wein- und Spargelköniginnen, dazu Kartoffel-, Apfel- und Zwetschgenköniginnen – und nicht zu vergessen die schleswig-holsteinische Grünkohlkönigin. Standesgemäße Auftritte verschafft ihnen etwa der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Bei den Bayreuther Festspielen ließ er sich vor einer Woche von einer Frau mit Krönchen begleiten: Lena I., Kirschenkönigin der Fränkischen Schweiz. Zwei Jahre zuvor war Aiwanger hier schon mit der fränkischen Weinkönigin aufgetreten.

In Deutschland gibt es eine ganze Reihe an Weinköniginnen. Dieser Kopfschmuck stammt aus der Region Saale-Unstrut. (Foto: imago stock&people/imago/Köhn)

Repräsentieren und nicht politisch regieren, das haben die deutschen Produktköniginnen mit den meisten Vertretern des europäischen Hochadels gemeinsam. Mindestens ebenso wichtig ist dabei ein standesgemäßes Outfit: ein Diadem auf dem Haupt in Kombination mit einem wallenden Gewand und gold beschrifteter Schärpe. Es lebe die Königin!

Doch in der Rebenregion Pfalz rührt sich jetzt der republikanische Aufstand. Der Verein Pfalzwein schafft seine Königin ab. Zukünftig soll eine Frau oder ein Mann als „PfalzWeinBotschafterin“ oder „PfalzWeinBotschafter“ kein Krönchen, sondern eine Anstecknadel tragen. Man möchte als moderne Weinregion wahrgenommen werden, sagt Boris Kranz vom Verein Pfalzwein. In der Lokalpolitik verursacht das Schnappatmung. Einem Medienbericht zufolge drohen manche Landräte gar, ihre Vorstandsposten im Verein Pfalzwein ruhen zu lassen. „Ich bin kein Anhänger der Monarchie“, sagte Marc Weigel, Oberbürgermeister aus Neustadt, der Deutschen Presse-Agentur. „Aber das Glamouröse und Märchenhafte gehört zur Figur. Das lässt sich nicht so einfach auf einen Mann übertragen, nur weil man sagt, wir leben in einer gleichberechtigten Gesellschaft, und alles muss allen Geschlechtern offenstehen.“

Es geht vor allem ums Äußere

Davon einmal abgesehen, dürfte der Grund für die Empörung über die Abschaffung der Produktmonarchie auf der Hand liegen: Produkte, die von jungen, attraktiven Frauen präsentiert werden, lassen sich besser verkaufen, wissen Werbepsychologen schon lange. Klar, seit den 50er-Jahren hat sich auch das Frauenbild in der Werbung geändert – aber doch eher langsam. Beispielsweise hat erst 2008 das EU-Parlament empfohlen, sexistische Stereotype in Werbung zu verbieten – allerdings nur im Fernsehen. Eine Studie aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen zwar mittlerweile auch öfter mal als Expertinnen in Werbespots gezeigt werden, aber überwiegend noch immer im traditionellen Bild der Hausfrau feststecken – oder auf das Äußere reduziert werden wie die Produktköniginnen.

Vielleicht ließe sich bei den deutschen Obst- und Gemüsemonarchen ja ein Kompromiss finden: Frauen und Männer treten zwar weiterhin mit Krone auf, präsentieren sich aber vor allem als Expertinnen und Experten, die sich beispielsweise auch für biologische Landwirtschaft oder bessere Arbeitsbedingungen der Erntehelfer einsetzen.

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