Weihnachtsbäume:Tanne zum Ausleihen

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Start-up-Unternehmer Sebastian Schönfeld (li.) und Jan Wehmeyer mit einer ihrer Topf-Tannen. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Weihnachtsbäume vermieten ist nachhaltiger, als sie zu verkaufen, sagen zwei junge Unternehmer. Selbst Umweltschützer bezweifeln das.

Von Kristiana Ludwig und Martin Zips

Klar, auch Waldemar hat Bedürfnisse. Zum Beispiel, das sagen seine Züchter Sebastian Schönfeld und Jan Wehmeyer, möchte er auch mal "einfach nur Baum sein". Im Januar, wenn 29 Millionen deutsche Weihnachtsbäume verdorren und auf dem Müll landen, wird Nordmanntanne Waldemar wieder abgeholt und eingepflanzt, um sein Baumleben glücklich fortzusetzen: Das ist die Geschäftsidee des Düsseldorfer Start-up Happy Tree, das schon im vergangenen Jahr 400 Bäume in Köln und Düsseldorf verliehen hat und in diesem Jahr 3000 Topfpflanzen in zwölf deutsche Städte liefern will. Baumschmuck und Topfständer kosten extra, bezahlt wird per Paypal oder Kreditkarte. Die Unternehmer sind überzeugt: "Wir bieten die erste nachhaltige Alternative".

Ganz neu ist die Idee natürlich nicht. Eine Baumschule im luxemburgischen Steinsel etwa bietet seit Jahren an, Mietbäume im Topf wieder zurückzunehmen und bis zum nächsten Fest zu pflegen. Auch in der Schweiz hat ein Gartencenter in Filisur seit zwei Jahren Tannen auf Zeit im Sortiment, die auf Wunsch jedes Jahr in die selbe Familie zurückkehren: "Ein Besuch Ihres Familienbaumes im Sommer in Filisur ist willkommen", heißt es hier sogar.

Das Wiener Unternehmen Green Tree wiederum liefert seine lebenden Christbäume bis nach München. Zum Mietversprechen gehört in diesem Fall ebenfalls, die Bäume später wieder fachgerecht einzupflanzen: "Lebende Christbäume sind die logische Alternative zur jährlichen Baumvernichtung."

Mieten ist nicht unbedingt günstiger als Kaufen

Traditionelle Großhändler wie Steven Hämmerle, dessen Familie seit 1994 auf der Münchner Theresienwiese Weihnachtsbäume verkauft, stehen dem Miet-Konzept naturgemäß skeptisch gegenüber. Topfgezogene Weihnachtsbäume, die größer sind als 1,50 Meter, überlebten seiner Erfahrung nach die Zeit in der warmen Stube nicht.

Zwar spürt auch der Münchner den Trend zur Baum-Vermietung, doch liefert er vor allem fertig geschmückte Tannen an Autohäuser oder Hotels und holt sie anschließend wieder ab. Solchen Kunden geht es nicht um Nachhaltigkeit, sondern um Komfort. Etwa 250 Leihbäume bringt Hämmerle pro Saison zu Kunden, sagt er: "Tendenz steigend".

In Deutschland macht der Trend zum Wanderbaum nach Angaben des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger bisher nur einen sehr geringen Anteil aus. Das dürfte einerseits damit zu tun haben, dass Mieten nicht günstiger ist als Kaufen. So werden im Happy-Tree-Onlineshop zwischen 65 Euro (Modell "Tanneliese", nicht größer als 1,50 Meter) und 80 Euro ("Thorwald", nicht größer als 2,25 Meter) verlangt - die wurzellose Stangenware aus dem Baumarkt kommt da billiger und gibt später einen idealen Kaminzunder ab. Zum anderen wird der angebliche Öko-Vorteil sogar von Umweltschützern angezweifelt.

Im Wohnzimmer droht den Tannen "Knospenstress"

Temperaturschock und Wasserarmut seien der Tod einer jeden Topftanne, erklärt Rudolf Fenner von der Organisation Robin Wood. Im Wohnzimmer werde der Baum zur Unterbrechung seiner Winterruhe gedrängt, das führe zu "Knospenstress". Zudem würden viele Mieter sein Sterben gar nicht mitbekommen, da die "Nadeln grün bleiben und nicht verwelken". Trägt der Mensch das geschundene Gewächs dann nach dem "Fest der Darstellung des Herrn" (Lichtmess, 2. Februar) in die Kälte zurück, drohe selbst dem stärksten Baum der Tod.

Dem wiederum widerspricht Sebastian Schönfeld, Geschäftsführer der Mietfirma Happy Tree, ganz entschieden. Im vergangenen Jahr seien immerhin drei Viertel seiner Bäume wieder angewachsen. Mit neuen Töpfen und neuen Baumarten werde man den Anteil noch steigern. Gezüchtet würden seine Objekte übrigens mit fair gehandelten georgischen Samen (Robin Wood: "Über die bei der Aufzucht eingesetzten Pestizide und Düngemittel sagt das gar nix aus.") Zudem sei die Auslieferungsroute des Mietbaum-Logistik-Partners ausgetüftelt und absolut nachhaltig.

Das Ganze erinnert ein bisschen an den Streit, ob nun Papier- oder Stoffwindeln ökologisch korrekt sind und mit welchem Computer-Programm die CO₂-Kompensationsabgabe für eine Flugreise am besten berechnet werden kann. Sicher ist: Nur ein Topfbaum, der in seinem Topf auch großgeworden ist, hat nach Weihnachten überhaupt eine Chance. Und: Plastikbäume sind echt das Allerletzte.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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