Süddeutsche Zeitung

Wehrhafter Gottesdiener:Der Don Camillo von Meckenheim

Zu wenig "Ehrfurcht und Gehorsam": Ein Pfarrer aus dem Rheinland hat sich mit Kardinal Meisner angelegt - und wurde prompt vom Priesteramt suspendiert.

Johannes Nitschmann

Bei der Polizei im rheinischen Meckenheim ging am vergangenen Freitag ein ungewöhnlicher Notruf ein. Der katholische Kreisdechant Bernd Auel hatte die Ordnungshüter alarmiert, um einen rebellischen Gottesdiener zur Räson bringen. Der vom Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner seines Amtes enthobene Pfarrer Michael Jung weigerte sich, die Schlüssel für die fünf Kirchen in seinem Meckenheimer Sprengel herauszurücken.

Auch das ihm vom Dechanten präsentierte Absetzungsdekret mochte der 42-jährige Seelsorger partout nicht unterschreiben. Jung hätte sich im Sonntagsgottesdienst selbst abkanzeln und ein "Proklamandum" über die Strafaktion Meisners verlesen sollen.

Während die alarmierten Polizisten "keine Rechtsgrundlage" für ein Einschreiten im Meckenheimer Pfarrhaus sahen und rasch wieder abrückten, erwirkte der abberufene Pfarrer beim Amtsgericht Rheinbach eine einstweilige Verfügung gegen die Verlesung des "Proklamandums".

In dieser bischöflichen Verlautbarung wird Jung vorgeworfen, das Erzbistum "der Veruntreuung von Kirchensteuern" bezichtigt, eine Visitation des Weihbischofs in seinem Seelsorgebereich sabotiert und seine Mitarbeiter zur "Illoyalität" gegenüber der Kölner Kirchenleitung aufgerufen zu haben. Zudem wird dem umstrittenen Pfarrer angelastet, Arbeitsunterlagen des Bischofs "unterschlagen" und von der Kanzel zur Abwahl der örtlichen CDU-Bürgermeisterin aufgerufen zu haben.

"Ich bin und bleibe Pfarrer von Meckenheim", beharrte Jung und ignorierte seine Abberufung durch den Kardinal. Der bestellte ihn daraufhin zum Rapport in die Domstadt. Doch der Meckenheimer "Don Camillo", wie ihn seine Schäfchen liebevoll nennen, ließ sämtliche Ultimaten aus Köln verstreichen. Stattdessen schrieb er an seinen "sehr geehrten" Dienstherrn Meisner: "Sie brechen permanent das Kirchenrecht."

In dem "rechtswidrig" durchgeführten Amtsenthebungsverfahren sei der Kardinal gegen ihn "als Ankläger und Richter in einer Person" aufgetreten, beklagt Jung. "In sechs Fällen" habe Meisner "Rechtsbruch" begangen, weil er ihn zu den Anschuldigungen nicht angehört habe.

Aber die katholische Kirche ist eben kein Rechtsstaat. Hier regieren Befehl und Gehorsam. Bei seiner Weihe verspricht ein Priester seinem Bischof und dessen Nachfolgern "Ehrfurcht und Gehorsam". Solchen autoritären Spielregeln mag sich der geschasste Pfarrer aus Meckenheim nicht unterwerfen. Keck nennt Jung seinen gestrengen Kardinal "Rotkehlchen". Mit seinen kantigen Äußerungen eckte er bei den Kirchenoberen immer wieder an. Dabei ist Jung weder theologischer Linksausleger noch Kirchenrevolutionär. Eine Provinzposse?

Den Kölner Kardinal stört die ungezogene Renitenz des Meckenheimer Pfarrers. "Er legte ein völlig inakzeptables und unangemessenes Verhalten in Wort und Ton an den Tag." Eine neue Eskalation erreichte der Konflikt am Mittwoch. Meisner suspendierte Jung auch vom Priesteramt und untersagte ihm damit alle liturgischen Handlungen.

Die Höchststrafe verhängte der Kardinal, weil der unerschrockene Pfarrer seine Amtsenthebung "sogar durch die Einschaltung staatlicher Gewalt zu verhindern suchte". Der Pfarrgemeinderat, der geschlossen hinter Jung steht, reagierte "mit Bestürzung und Wut".

Der kaltgestellte Priester lud auf dem Kirchplatz zu einer improvisierten Pressekonferenz ein. Unter Polizeischutz warf Jung dort dem 74-jährigen Kardinal vor, "die Kontrolle über sein Generalvikariat verloren" zu haben. Seinen Dienstherrn Meisner forderte er auf: "Es ist Zeit, dass Sie Konsequenzen ziehen!"

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SZ vom 19.09.2008/aho/grc
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