Süddeutsche Zeitung

Ryanair-Verspätung:Wütende Passagiere sollen an Bord rebelliert haben

Die Fluggäste nahmen sich Alkohol, Zigaretten, Parfüm und "alles, was sonst irgendwie wertvoll war" - so berichten französische und britische Medien von turbulenten Szenen an Bord einer Ryanair-Maschine. Die Fluggesellschaft dementiert: Von einer "Meuterei" könne keine Rede sein.

Fliegen ist prinzipiell eine vergleichsweise schnelle Möglichkeit, um von A nach B zukommen. Doch oft bedeutet es auch eine ganze Menge Wartezeit. Warten am Check-in-Schalter. Warten bei der Sicherheitskontrolle. Warten auf das Boarding. Warten, wenn die Landebahn oder das Gate blockiert ist. Warten auf das Gepäck. Und wenn es schlecht läuft, kommen noch weitere Verzögerungen dazu, zum Beispiel, wenn ein Flug umgeleitet werden muss.

So geschehen bei einer Ryanair-Maschine, die am vergangenen Samstag von Marokko nach Frankreich unterwegs war, einen außerplanmäßigen Zwischenstopp hinnehmen musste - und am Ende nicht am eigentlichen Ziel ankam. Über die zahlreichen Zwischenfälle waren die Passagiere offenbar derart erzürnt, dass die Situation eskalierte. Mehrere Personen sollen an Bord randaliert haben.

Der Ryanair-Flug FR 1545 startete gegen 17:30 vom Flughafen Rabat. Ziel war der Regionalflughafen Beauvais nördlich von Paris, gut zweieinhalb Stunden Flugzeit waren vorgesehen. Zunächst verlief alles planmäßig, doch über Spanien bekam einer der Passagiere plötzlich ernsthafte gesundheitliche Probleme.

Damit er medizinisch versorgt werden konnte, war eine außerplanmäßige Zwischenlandung in Madrid fällig. Es kam zu einer langen Verzögerung, schließlich flog die Maschine weiter in Richtung Frankreich, doch weil es inzwischen zu spät für eine Landung in Paris-Beauvais war - dort gilt ein Nachtflugverbot - mussten die Piloten auf den Flughafen Nantes ausweichen, der fast 400 Kilometer von der französischen Hauptstadt entfernt liegt. Dort, so heißt es von Seiten der Crew, sollten die etwa 170 Passagiere eine Nacht im Hotel verbringen und dann weiterreisen. Inzwischen war es nach zwei Uhr in der Nacht.

Was sich dann am Bord des Ryanair-Jets ereignete, beschreiben französische und englische Medien so: Einige Passagiere weigerten sich, die Maschine zu verlassen. Sie verlangten, sofort nach Beauvais gebracht zu werden und sie forderten Essen und Trinken. Als sie nichts bekamen, plünderten sie die Vorräte im Bordshop. Sie nahmen sich Essen, Getränke - vor allem Alkohol - sowie steuerfreie Waren wie Zigaretten, Parfüm und "alles, was sonst irgendwie wertvoll war", wie es ein Gepäckmitarbeiter in Nantes dem französischen Portal Metronews beschreibt.

"Ich bin kein Plünderer oder Geiselnehmer"

Die Stimmung an Bord sei extrem aufgeheizt gewesen. Sogar die Polizei musste gerufen werden, um die aufgebrachte Menge zu bändigen. Das Verhalten der Passagiere gegenüber der Crew und dem Bodenpersonal nennt der Mitarbeiter "beinahe tierisch" und "barbarisch". Eine Gruppe von "unzufriedenen und besonders respektlosen Passagieren" hätte die Crew quasi "als Geiseln genommen", so der Zeuge.

Vorkommnisse mit aufgebrachten Ryanair-Passagieren, deren Flüge umgeleitet wurden, gab es in der Vergangenheit bereits häufiger. Die Airline hat bei Kunden und Verbraucherschützern einen schlechten Ruf, weil sie nur sehr wenig Service bietet. So gibt es für Beschwerden oder Nachfragen zum Beispiel nur eine sehr teure Servicetelefonnummer. Außerdem werden für sämtliche Extraleistungen zum Teil hohe Gebühren berechnet. In Spanien ermitteln außerdem die Flugsicherheitsbehörden gegen das Unternehmen, weil es im vergangenen Jahr drei Vorkommnisse gab, bei denen Ryanair-Maschinen wegen Spritmangels außerplanmäßig landen mussten.

Haben sich die Fluggäste im aktuellen Fall also zu Recht beschwert oder ist ihr Verhalten rücksichtslos, gar kriminell? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Ein Youtube-Video, das angeblich zeigen soll, wie die Passagiere sich selbst bedienen, wurde inzwischen wieder von der Plattform entfernt.

Einige Passagiere widersprechen der Darstellung des Bodenpersonals in Nantes und stellen die Vorkommnisse an Bord anders da: "Ich bin kein Plünderer oder Geiselnehmer. Wir waren müde und angesichts der Situation mit den Nerven am Ende. Wir hatten Hunger und Durst und wir bekamen keinerlei Informationen", sagt ein Fluggast zu Metronews.

Ein anderer Mann sagt: "Wir haben uns erlaubt, uns selbst bei Getränken und Essen zu bedienen. Nachdem wir sieben Stunden im Flugzeug eingesperrt waren, anstatt zweieinhalb Stunden, wie eigentlich geplant, mussten die Leute einfach etwas essen."

Und auch Ryanair hat einen Aufruhr genervter Passagiere bestritten. Entsprechende Berichte seien "nicht korrekt". Eine Ryanair-Sprecherin erklärte am Dienstag in Dublin: "Es hat keine Meuterei gegeben." Die Passagiere hätten eine Hotel-Übernachtung bezahlt bekommen und seien am nächsten Morgen per Bus nach Paris Beauvais gebracht worden.

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