Süddeutsche Zeitung

Wassersparen:Abreibung für Warmduscher

Gibt es eigentlich noch Politiker, die sich noch nicht zum Waschlappen geäußert haben? Ein paar Anekdoten zu einem lange geschmähten Utensil, dem plötzlich ganz viel zugetraut wird.

Von Violetta Simon

Unter der Dusche kommen einem die besten Ideen, heißt es ja oft, und wenn da was dran ist, müsste man sich angesichts steigender Energiepreise womöglich langsam Sorgen machen um das Land. Jetzt, da Regierende im festen Willen, Vorbild für das Volk zu sein, offenbar kaum noch Zeit unter der Dusche verbringen: Erst verkündete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, er habe seine "Duschzeit noch mal deutlich verkürzt", dann meldete die Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch, sie begnüge sich morgens mit einer Katzenwäsche - angeblich liefert sich ihre Familie eine regelrechte Schnelldusch-Challenge.

Die Geschichte mit dem Duschen und den Ideen nahm eine weitere Wendung, als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Debatte im SWR auf das nächste Level hob. Auf das Duschen, befand er, könne man hin und wieder ganz verzichten. "Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung!"

Zur Information: Waschlappen, das sind diese Stoffstücke, die man mit Seife benutzte, bevor Einweg-Feuchttücher und Duschgel erfunden wurden. Suchanfragen im Internet ("Was macht man mit einem Waschlappen?") belegen: Es gibt tatsächlich Menschen, die wissen mit dem Ding gar nichts anzufangen. Dabei scheint der Waschlappen für unseren Kulturraum immerhin so charakteristisch und repräsentativ zu sein, dass ausländische Influencer auf Deutschlandbesuch den für sie offenbar sehr kuriosen Stoffhandschuh schon mal gerne in die Kamera halten für ihre Follower. Und auch für Geflüchtete ist der Waschlappen im Care-Paket öfter mal das erste Stück Willkommenskultur.

Relikt einer anderen Zeit

Die Entdeckung des saugfähigen Schlingenstoffs, aus dem das Utensil gemacht wird, war früher mal eine kleine Sensation: 1850 als Stoffprobe aus dem Vorderen Orient von einem Engländer namens Henry Christy importiert, konnte das Material in den Fairfield-Werken von Droylsden erstmals maschinell erzeugt werden. Die Rede ist vom sogenannten Frottee, was im Französischen (frotter) "abreiben" bedeutet. Klar, dass Kretschmann von der Textilindustrie gleich mal Beifall bekam, von den meisten anderen aber eine Abreibung kassierte. So spottete etwa der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auf Twitter: "Putin kann sein Gas behalten. Wir haben #Waschlappen". Ein anderer Nutzer forderte dazu auf, alte Waschlappen in ein Kuvert zu stecken und an die Privatadresse des Ministerpräsidenten zu schicken.

Es stimmt schon, der Waschlappen an sich ist nicht besonders sexy. Das fängt damit an, dass sich in seiner Mitte das Wörtchen "schlapp" verheddert hat, guter Stoff für Witze. Sitzt ein Junge in der Wanne und fragt: "Mama, wo ist denn der Waschlappen?" Antwort: "Der sitzt auf dem Sofa und trinkt Bier." Weicheier und Warmduscher, dafür steht der Waschlappen, für Menschen ohne Kante, die wenig können, wollen, wagen. So verzagt, dass Clint Eastwood 2016 in einem Interview mit dem Esquire drohte, er würde Donald Trump schon deshalb wählen, weil die heutige Generation voller Waschlappen sei. Also fast, eigentlich sagte er: Pussies.

Heute, da die meisten täglich ausgiebig duschen, gilt er eher als Relikt einer Zeit, in der man samstags den Badeofen anheizte, um in fester Reihenfolge - erst die Kinder, dann Mutti und am Ende Vati - die ganze Familie mit einer Wannenfüllung zu säubern. Ein krumpeliges Teil, das weder trocken noch nass funktioniert, sodass man ihm vor Gebrauch erst mal mit beiden Händen den Hals umdrehen muss.

Ashton Kutcher als Vorbild?

Wenn der Waschlappen also das Statussymbol einer Generation von Wassersparern werden soll, dann braucht er erst mal ein neues Image - und prominente Markenbotschafter. Die Schauspieler Ashton Kutcher und Mila Kunis zum Beispiel waschen ihre Kinder bekanntlich erst, "wenn man den Schmutz an ihnen sieht", und beschränken ihre Morgenroutine auf wesentliche Körperteile. "Ich wasche mir täglich die Achseln und den Schritt und sonst nichts", verriet Kutcher vor einem Jahr im Podcast "Armchair Expert", was in den USA damals eine veritable Gesellschaftsdebatte auslöste. Jetzt, ein Jahr später, liegen die beiden plötzlich voll im Trend.

Wenn jetzt noch Silver-Ager, Lohas und all die anderen gesundheitsbewussten Lifestyle-Optimierer anbeißen, dann wird der Lappen als ökologisch-politisch-korrektes Accessoire imagemäßig bald mindestens auf einer Stufe mit der veganen Bowl stehen, ganz sicher. Wenn nicht gar mit dem Lastenfahrrad. Und die Aussage "Du bist vielleicht ein Waschlappen!" wird nurmehr freundlich erwidert werden: "Danke, wie nett - du aber auch!"

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