Klinik-Streit im Allgäu:Ärzte gegen Manager

Klinik-Streit im Allgäu: Aus ganz Süddeutschland kommen Kinder und Jugendliche in die "Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie" des Krankenhauskonzerns Waldburg-Zeil im baden-württembergischen Wangen im Allgäu.

Aus ganz Süddeutschland kommen Kinder und Jugendliche in die "Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie" des Krankenhauskonzerns Waldburg-Zeil im baden-württembergischen Wangen im Allgäu.

(Foto: Google Maps)
  • An einer Kinderklinik in Wangen im Allgäu haben zahlreiche Fachärzte gekündigt. Nun werden nur noch Notfälle behandelt.
  • Die Vorgänge in dem Krankenhaus sind ein dramatisches Beispiel für den Machtkampf zwischen Ärzten und Klinikverwaltungen.

Von Uwe Ritzer, Wangen

Es ist eine verhältnismäßig kleine Klinik, um die da seit Wochen gestritten wird, aber eine mit großem Einzugsgebiet. Aus ganz Süddeutschland kommen Kinder und Jugendliche in die Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie des Krankenhauskonzerns Waldburg-Zeil in Wangen im Allgäu, um sich wegen Atemwegserkrankungen, Allergien und Neurodermitis behandeln lassen. Der Ruf des Krankenhauses war lange exzellent. Plötzlich aber vergleicht ein Kinderarzt es öffentlich mit einem "sinkenden Schiff, das gnadenlos untergehen wird". Kollegen von ihm wählen Begriffe wie "ruchlos" und "Niedergang". Und einer sieht gar Vandalen am Werk, die in mehr als 15 Jahren gewachsene Strukturen mutwillig zerstören. Was ist geschehen?

Es ist ein Konflikt in den Kulissen der deutschen Gesundheitspolitik, wie er sich häufig abspielt, seit in deutschen Krankenhäusern nicht mehr Chefärzte, sondern Manager das Sagen haben, die nicht anhand von Krankenblättern, sondern nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen handeln. Auf Medizinern und Pflegepersonal lastet ein ökonomischer Druck wie noch nie. Normalerweise fechten speziell Manager und Ärzte ihre Machtkämpfe intern aus, arrangieren sich irgendwie - oder aber man trennt sich diskret. In der Kinderklinik in Wangen, die zum Firmenimperium der Adelsfamilie Waldburg-Zeil gehört, ist ein solcher Konflikt nun aber mit einer seltenen Wucht öffentlich geworden.

Vor gut einem Monat kündigte das Management an, die Leistungen besagter Kinderklinik "vorübergehend einzuschränken" und nur noch Notfälle zu behandeln. Schuld sei "der in ganz Deutschland grassierende Fachärztemangel", der auch in Wangen dazu führe, dass man "den hohen medizinischen Standard" nicht mehr sicherstellen könne. Prompt meldeten sich zahlreiche Kinderärzte zu Wort. Die Entscheidung sei de facto eine Schließung und sorge für einen "massiven Notstand in der Versorgung", sagte ein nach eigenem Bekunden "fassungsloser" niedergelassener Kinderarzt der Schwäbischen Zeitung.

Exodus an Fachärzten

Vor allem aber, so der Tenor vieler Kritiker, sei an der Misere keineswegs der allgemeine Facharztmangel schuld. Die Krise sei vielmehr hausgemacht. So schrieb es auch eine ehemalige Klinikmitarbeiterin in einem Leserbrief: "Die Bewerberlage war immer sehr gut, bis es zu schwierigen Entscheidungen und Änderungen durch die Verwaltungsführung kam." Selbiges habe "ein perfekt funktionierendes Team von Ärzten und medizinischem Personal, das sehr gute und nachhaltige Arbeit zum Wohle der Kinder/Patienten geleistet" habe, "komplett zerstört".

Tatsächlich erlebt die 1928 gegründete Kinderklinik einen Exodus an Fachärzten. Als Erster warf nach 20 Jahren Thomas Spindler, 61, hin, zuletzt elf Jahre lang Chefarzt der Akutklinik und Spezialambulanz für pädiatrische Pneumologie und Allergologie, sowie einer von zwei Chefärzten der angeschlossenen Rehaklinik für Kinder und Jugendliche. Ende 2017 reichte der in Fachkreisen hoch angesehene Mediziner seine Kündigung ein. Seine Stelle ist bis heute unbesetzt. Nach Spindler kündigten mindestens acht weitere Fachärzte, teilweise nach langjähriger Klinikzugehörigkeit. "Gegangen sind wir, weil wir die von der Verwaltung und Geschäftsführung vorgegebenen Arbeitsbedingungen nicht mehr hinnehmen konnten", sagt Spindler und spricht von "nicht nachvollziehbaren Struktur- und Personalentscheidungen".

"Das stimmt so nicht", sagt Ellio Schneider, Geschäftsführer der Waldburg-Zeil-Kliniken, auf Anfrage. "Es haben zwar einige Ärzte das Haus verlassen, aber eine gewisse Fluktuation ist normal." Drei Medizinerinnen seien schwanger geworden, drei Fachärzte hätten sich niedergelassen. Was Spindlers Nachfolge angehe, befinde man sich nach langwieriger Suche "in fortgeschrittenen Gesprächen" mit potenziellen Nachfolgern. "Es ist auch keine Schließung der Kinderstation an den Fachkliniken geplant, sondern lediglich eine vorübergehende Reduktion sowie eingeschränkte Behandlung."

Mitarbeiterbefragungen sollen ein positives Bild ergeben haben

Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat mit zum Teil scharfen Konflikten zwischen Ärzten und Managern zu tun, die vor Spindlers Kündigung begannen. Darauf deuten nicht nur viele Statements von Kinderärzten hin, die in der Schwäbischen Zeitung abgedruckt wurden, sondern auch Aussagen von Insidern und Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung  vorliegen.

Die Auseinandersetzungen entzündeten sich an einem neuen Organigramm, das die Manager den leitenden Ärzten einfach übergestülpt haben sollen. Gestritten wurde auch über die Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes oder Personalentscheidungen. Von Orientierungslosigkeit und einer "aus ärztlicher Sicht fehlenden Strategie" ist die Rede. Im Zuge all dessen habe sich der Ton verschärft, der Umgang sei rau und der Führungsstil seitens des Managements autoritär geworden, sagen Insider; mindestens ein Arzt fühlte sich gemobbt.

Unternehmensführung und Klinikleitung seien "entsetzt über die erhobenen Vorwürfe", sagt Krankenhauschef Ellio Schneider. Hätten doch Mitarbeiterbefragungen "ein durchweg positives Bild von den Arbeitsbedingungen" in Wangen ergeben. Berichte über heftige Konflikte zwischen Ärzteschaft und Klinikmanagement hält Schneider für wenig glaubwürdig; eine Berichterstattung der SZ über einige Vorwürfe hätte er am liebsten verhindert. "Ausnahmslos alle Entscheidungen wurden und werden im Kollektiv auf der Arbeitgeberseite entwickelt sowie besprochen, mit allen Beteiligten konstruktiv erörtert und im Rahmen der vorhandenen speziell ökonomischen und machbaren Rahmenbedingungen umgesetzt", sagt er.

"Wangen hatte einen hervorragenden Ruf, solange dort ein Team in hoher Wertschätzung von allen Seiten erfolgreich arbeiten konnte", sagt Otto Laub, Vorsitzender von Paednetz Bayern, einem Zusammenschluss von 750 niedergelassenen Kinderärzten. In einem Leserbrief an die Schwäbische Zeitung fällte er ein scharfes Urteil. Es sei "einfach unglaublich", wie die Klinikleitung "eine Einrichtung von höchstem medizinischem Niveau" auf ein "Maß von Drittklassigkeit heruntergewirtschaftet" habe. Für Laub offenbart sich in Wangen aber auch ein Grundsatzproblem: "Nur mit Zahlendenken kann man nicht medizinisch und empathisch arbeiten."

"Sicher sind auch bei uns im Einzelfall Fehler passiert"

Naturgemäß agieren Klinikmanager nicht im luftleeren Raum. Private Konzerne wie Waldburg-Zeil, aber auch Kliniken öffentlicher Träger sollen Gewinne erwirtschaften. Das hat Auswirkungen tief in die medizinische Arbeit hinein. Vorige Woche schlugen im Stern Ärzte Alarm und starteten einen Appell "gegen das Diktat der Ökonomie an unseren Krankenhäusern".

Dieses Diktat hat Folgen. Während in der Wangener Kinderklinik eine eklatante Versorgungslücke klafft, arbeiten der frühere Chefarzt Spindler und einige Ex-Kollegen lieber auf schlechter bezahlten Teilzeitstellen anderswo. Klinikchef Schneider sieht beim Management keine Schuld. "Sicher sind auch bei uns im Einzelfall Fehler passiert. Was jedoch unsere grundsätzlichen Entscheidungen angeht, haben wir uns nichts vorzuwerfen, auch nicht bei der Personalführung. Andere Kliniken haben die gleichen Probleme, Facharztstellen zu besetzen." Thomas Spindler hingegen versichert, bis 2018 habe es in Wangen nie einen Bewerbermangel gegeben.

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