Waldbrände in Kalifornien:Angst vor der nächsten Katastrophe

Waldbrände in Kalifornien: Wer verbrannte Hügel von seinem Haus aus sehen kann, der ist von Erdrutschen bedroht, weil die Erde derzeit keinen Regen absorbieren kann.

Wer verbrannte Hügel von seinem Haus aus sehen kann, der ist von Erdrutschen bedroht, weil die Erde derzeit keinen Regen absorbieren kann.

(Foto: AFP)
  • Für Ende dieser Woche sind im Norden Kaliforniens Regenfälle angekündigt, später auch im Süden.
  • Die Kalifornier fürchten derzeit kaum mehr als diese Regenschauer.
  • Wegen der durch die jüngsten Waldbrände verbrannten Flächen erhöht Niederschlag die Wahrscheinlichkeit auf Erdrutsche enorm.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Kalifornien sieht derzeit nicht aus wie Kalifornien. Es ist keine Sonne zu sehen über dem Ozean - ach, vor lauter Rauch ist noch nicht mal ein Ozean zu sehen. Kalifornien sieht gerade eher aus wie Großbritannien in einem Edgar-Wallace-Krimi, und die Leute benehmen sich auch so. Kaum einer geht vor die Tür, weil die Luft so stickig ist, und wer es doch tut, der zieht einen Mundschutz auf und spürt bereits nach ein paar Minuten diese kribbeligen Rauchpartikel auf seiner Haut. Die Feuer wüten noch immer, im Norden und im Süden, auch wenn die Feuerwehr sie langsam eindämmen kann. Für Ende dieser Woche sind zumindest im Norden des Bundesstaates an der Pazifikküste ein paar Regenfälle angekündigt, später auch im Süden.

Und, so paradox das nun klingen mag, weil Regen ja grundsätzlich beim Kampf gegen Waldbrände hilft: Die Kalifornier fürchten kaum mehr als diese Regenschauer.

Sie erinnern sich noch daran, was im vergangenen Januar im südkalifornischen Städtchen Montecito passiert ist. Gerade erst hatte dort der Wald gebrannt, die zuvor evakuierten Bewohner waren in ihre Häuser zurückgekehrt und hatten trotz der neuerlichen Warnungen keine Lust, schon wieder abzuhauen und schon wieder bei Freunden oder Verwandten zu übernachten. In der Nacht zum 9. Januar begann es dann zu regnen. Heftig und kräftig. Bäche wurden zu Strömen, Flüsse traten über die Ufer, und dann rollte eine Schlamm- und Gerölllawine biblischen Ausmaßes von den Santa-Ynez-Bergen auf den Pazifischen Ozean zu. 21 Menschen wurden getötet, mehr als 100 Häuser zerstört.

"Als Faustregel gilt: Wer verbrannte Hügel von seinem Haus aus sehen kann, der ist von Erdrutschen bedroht, weil die Erde derzeit keinen Regen absorbieren kann", sagt Eric Boldt, Meteorologe beim National Weather Service: "Gefährlich ist nicht steter Regen, sondern ein kurzer und kräftiger Schauer mit heftigen Winden - da können schon 15 Minuten für einen gewaltigen Erdrutsch reichen." Genau solche Schauer und Stürme erwarten sie nun in Kalifornien, und wer in der vergangenen Woche mal in Malibu oder Thousand Oaks gewesen ist, hat bemerkt, wie viele Bewohner von ihren Häusern aus verbrannte Hügel sehen können.

Die kalifornische Wetterbehörde hat Grafiken herausgegeben mit den Wahrscheinlichkeiten auf Erdrutsche, für den Fall, dass es innerhalb von 15 Minuten eine Niederschlagsmenge von mehr als sechs Millimetern gibt. Diese Grafiken verdeutlichen: Im Norden von Malibu liegt die Wahrscheinlichkeit auf derart heftige Schauer bei mehr als 80 Prozent, die Wahrscheinlichkeit auf Erdrutsche im Fall solcher Schauer bei knapp 100 Prozent. Die Hügel in den Santa Monica Mountains sind steil, aufgrund ihrer Struktur ist zum einen keine Absicherung möglich, zum anderen dürfte bei einem Erdrutsch kaum Zeit zur Flucht bleiben.

In einigen Gegenden Nordkaliforniens wurde bereits der Notstand wegen möglicher Überschwemmungen ausgerufen, die Warnung gilt bis mindestens Freitagabend. "Im besten Fall wird nichts passieren. Im schlimmsten Fall wird sich die Erde bewegen", sagt Boldt: "Wir können nicht prognostizieren, was passieren wird. Wir müssen abwarten und auf das Schlimmste vorbereitet sein - was wir nämlich sicher wissen: Es dürfte heftig regnen." Es könnte für viele Bewohner bereits zu spät sein, wenn es zu regnen beginnt. "Dann bleibt wirklich nicht viel Zeit."

Die Gefahr auf Schlamm-und Gerölllawinen besteht der Wetterbehörde zufolge nicht nur in dieser Woche, sondern in den kommenden zwei Jahren, erst dann dürfte sich die verbrannte kalifornische Erde erholt haben. "Wir wissen nicht, ob gleich die ersten Regenschauer und die ersten Stürme für eine Katastrophe sorgen werden", sagt Boldt. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden beiden Jahren einen solchen Sturm geben wird, ist jedoch ziemlich hoch."

Sie kämpfen gerade noch gegen die heftigen Waldbrände, gegen die eine Katastrophe, da müssen sie schon wieder Angst vor der nächsten haben. Und dann gibt es da noch den Hinweis des kalifornischen Erdbebenzentrums aus dieser Woche: Die Wahrscheinlichkeit auf "The Big One", das Megabeben, liege in den kommenden 30 Jahren bei mehr als 99,7 Prozent.

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