Süddeutsche Zeitung

Waldbrände in Russland:Minister fürchtet radioaktiven Rauch

Immer neue Brandgefahren: Nun warnt die Regierung, dass in der an die Ukraine angrenzenden Region Erde in Brand geraten könnte, die nach der Tschernobyl-Katastrophe verseucht wurde.

In Russland kämpfen Zehntausende Einsatzkräfte weiter gegen die schlimmsten Waldbrände seit Jahrzehnten. Während die Gesamtzahl der Feuer nach Angaben des Katastrophenschutzministeriums am Donnerstag sank, breiteten sich die Brände dennoch weiter in den Süden des Landes aus.

Dem Katastrophenschutzministerium zufolge wurden insgesamt 589 Wald- und Torfbrände registriert, 196.000 Hektar Land standen in Flammen. Die Zahl der Toten stieg demnach trotz des Einsatzes von 162.000 Brandbekämpfern auf 50. Wegen der Gefahr durch die Waldbrände ordnete das russische Militär die vorsorgliche Evakuierung von Depots in der Region Moskau an. Artilleriemunition und Raketen seien "an einen sicheren Ort" gebracht worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge.

Angesichts der Waldbrände befürchten die Behörden nun auch, dass in Gebieten, die bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 24 Jahren verstrahlt wurden, radioaktive Stoffe freigesetzt werden könnten. "Wir kontrollieren sorgfältig die Situation in der Region Brjansk, besonders im Süden im Distrikt Nowosybkow, der infolge der Tschernobyl-Katastrophe schwer verunreinigt wurde", sagte Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu in Moskau. "Wenn dort ein Feuer ausbricht, könnten mit dem Rauch radioaktive Partikel emporsteigen" sagte Schoigu weiter. In der Folge könnten weitere Gebiete verstrahlt werden.

Die Region Brjansk, die im Westen Russlands an die Ukraine und Weißrussland grenzt, wurde im April 1986 durch die radioaktive Wolke aus dem Atommeiler Tschernobyl erheblich verseucht. Die Explosion des Reaktors in der heutigen Ukraine war die größte Reaktorkatastrophe der Geschichte.

Unterdessen gefährden die Feuer weiterhin die russische Hauptstadt. Das Verteidigungsministerium ordnete die Räumung mehrerer Munitionsdepots in der Nähe Moskaus an. "In den vergangenen 24 Stunden hat die Zahl der Feuer abgenommen, aber das ist kein Grund zum Jubeln", sagte Schoigu. "Heute hat sich die Situation in der Region Rostow verschlimmert und wir stellen fest, dass die Feuer weiter Richtung Süden wandern", erklärte der Minister.

In der Hauptstadt stieg angesichts der seit Wochen anhaltenden Gluthitze nach Angaben von RIA Nowosti die Zahl der Todesfälle erheblich an. "Gewöhnlich werden täglich zehn Todesfälle in den Leichenschauhäusern registriert, im Sommer ist die Zahl niederiger", zitiert die Nachrichtenagentur eine Bestatterin aus der russischen Hauptstadt. "Doch diesen Sommer gab es Tage, wo bis zu 30 Tote gebracht werden." Die Hitzewelle in Moskau hielt unterdessen weiter an.

Eine Entspannung der katastrophalen Lage ist nicht in Sicht. Die Temperaturen sollen am heutigen Freitag in vielen Regionen auf mehr als 40 Grad steigen und mindestens weitere fünf Tage anhalten: Es gibt weiter keinen Regen in der größten Gluthitze seit mehr als 130 Jahren.

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AFP/dpa/grc
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