Waldbrände in Griechenland:Lodernde Flammen und wütende Bürger

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In Griechenland herrschen Trauer, Verzweiflung und Wut. Während die Feuerwehr mit Unterstützung aus dem Ausland weiter gegen die Flammen kämpft, wird Kritik am Krisenmanagement der Regierung laut.

"2500 Jahre Geschichte in Flammen" - so titelte am Montag die Sportzeitung Spor tou Vorra über die Feuerhölle in Griechenland. "Unfähig", schrieb die linksliberale Eleftherotypia und veröffentlichte auf der ersten Seite ein Bild von den Zerstörungen in der antiken Stätte von Olympia.

Die Presse brachte zum Ausdruck, was die Griechen angesichts der Feuerkatastrophe empfinden: Trauer und Verzweiflung. Mindestens 63 Menschen starben nach offiziellen Angaben seit Freitag. Tausende Tiere verendeten.

Zahllose Familien verloren ihre Existenz: Olivenhaine und Zitrusbäume, die Haupteinkommensquelle auf dem Peloponnes, wurden zerstört. Mehr als 3000 Menschen sind obdachlos geworden. Wütend sind die Menschen auf die Verantwortlichen, viele fühlen sich im Stich gelassen. "Die Politiker sind alle Lügner und interessieren sich nur für sich selbst.

Diejenigen, die jetzt regieren und die, die vorher regiert haben. Schande," sagte ein Lehrer aus Olympia. Die Zeitungen druckten apokalyptische Bilder der über das Land rollenden Feuerwalze. Eine 70 Jahre alte Frau beklagte den Verlust ihrer Ziegen und Hühner: "Ich habe nichts mehr in diesem Leben."

Kritik gab es an der Koordination der Löscharbeiten: Pensionierte Feuerwehroffiziere sagten im Fernsehen, es gebe in Griechenland keine Stelle, die die Kräfte bündele. Außerdem haben die freiwillige Feuerwehren nur wenige Mitglieder. "Wir sehen jetzt, wie wichtig die freiwillige Feuerwehr ist. Hätten wir solche Leute überall gehabt, würden wir vielleicht jetzt nicht so viele Tränen vergießen", sagte Nikos Sachinidis, Präsident des Verbandes der freiwilligen Feuerwehr.

Am 16. September wählt Griechenland ein neues Parlament. Wie die Bürger abstimmen werden, kann niemand einschätzen. Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Kostas Karamanlis spricht von einer Verschwörung.

"Feinde aus dem Ausland sind am Werk" schrieb auch die populistische Zeitung Avriani. Kritiker sprachen dagegen von einem Ablenkungsmanöver der Regierung. Der Sozialistenführer Giorgos Papandreou forderte, "die bürgerliche Regierung muss weg. Sie ist unfähig."

Die Politiker kümmerten sich einen "Dreck" um die Menschen in den Orten der Tragödie bei Zacháro, Kalamata, Sparta und auf der Insel Euböa, sagte ein Fernsehkommentator und beklagte die Zerstörungen in der antiken Stätte von Olympia. "Eroberer kamen und gingen. Keiner hat Olympia angetastet. Wir werden anscheinend die einzige Generation sein, die Olympia beschädigt an die nächste Generation übergeben wird", sagte ein Reporter des TV-Senders MEGA am Montag.

Viele Menschen verbrachten die Nacht aus Furcht vor der Brandkatastrophe erneut unter freiem Himmel an den Stränden der Ägäis oder des Ionischen Meeres. Die griechischen Behörden kündigten die Bereitstellung von tausend Zelten an. Mehrere Dörfer wurden durch das Flammeninferno zerstört, zahlreiche Einwohner verloren ihr gesamtes Hab und Gut.

Binnen 24 Stunden sind 89 neue Feuer ausgebrochen, wie Feuerwehrsprecher Nikos Diamandis mitteilte. 28 von ihnen seien als besonders gefährlich einzustufen. Landesweit seien 20 Löschflugzeuge und 19 Hubschrauber im Kampf gegen die Flammen im Einsatz.

Belohnung für die Ergreifung von Brandstiftern ausgesetzt

Für Hinweise, die zur Ergreifung von Brandstiftern führen, lobte die Regierung in Athen Belohnungen zwischen 100.000 und einer Million Euro aus. Die Regierung sah Chaoten oder eine unbekannte Art von Terroristen als Drahtzieher einiger Brände, vor allem im Raum Athen. Der griechische Minister für Öffentliche Ordnung Vyron Polydoras sprach von einer Art "asymetrischen Bedrohung" ohne dabei zu sagen, wer dahinter stehen könnte.

Auch die Polizei vermutet, dass viele Feuer vorsätzlich gelegt wurden. Insgesamt wurden am Wochenende zehn Menschen als mutmaßliche Brandstifter oder wegen grober Fahrlässigkeit festgenommen. Griechische Medien berichteten, die Feuer seien zum Teil nachts im Auftrag von Bodenspekulanten gelegt worden.

Regierungschef Kostas Karamanlis hatte in einer Fernsehansprache gesagt, es könne kein Zufall sein, dass es so viele Waldbrände innerhalb kürzester Zeit gebe. Seine Regierung werde alles tun, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.

In den Bergen um Athen waren in der Nacht mehrere Patrouillen mit Soldaten und Polizisten unterwegs. Hunderte Freiwillige Helfer nahmen an der Überwachungsaktion teil, berichtete das griechische Fernsehen. An mindestens drei Stellen fanden die Behörden auf den Hügeln bei Athen Brandsätze.

Mindestens 3000 Menschen obdachlos

Auf der griechischen Halbinsel Peloponnes erlebten die Menschen eine dritte Horrornacht in Folge: Mehr als 20 Großbrände tobten im Westen bei Olympia, im Süden bei Kalamata und im Südosten bei Sparta. Bis zum Sonntag wurden mindestens 3000 Menschen obdachlos.

Auch auf der Insel Euböa und in der Region um Korinth wüteten riesige Feuer. Am Sonntagabend kamen fünf Menschen bei Waldbränden auf Euböa ums Leben. Zwei Menschen erlitten schwere Verbrennungen und schweben in Lebensgefahr. Nach Medienberichten handelt es sich bei den Toten um junge Leute aus einem Ort nahe der Kleinstadt Aliveri, die versucht hatten, ihr Dorf vor dem Flammeninferno zu retten.

Immense Schäden um OIympia

Auch in der Umgebung des antiken Olympia brannte es weiter, wenngleich die Stätte den Angaben zufolge selbst nicht mehr unmittelbar bedroht war. Nachdem ein Großaufgebot der Feuerwehr die antiken Stätten von Olympia gerettet hatte, hielten 60 Feuerwehrleute und sechs Löschfahrzeuge dort Wache, um neue Brände zu stoppen.

Nach ersten Erkenntnissen konnte eine "ganz große Katastrophe" in der Weltkulturerbe-Stätte abgewendet werden. "Das Museum und das Stadion wurden nicht beschädigt", sagte der griechische Kulturminister Giorgos Voulgarakis.

Die Feuerwalze sei an den Anlagen des Heiligen Hains, des antiken Stadions und des Museums vorbeigerollt. Die Schäden sollen dennoch immens sein, da die gesamte Umgebung Olympias zerstört wurde. Der griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis sprach am Vortag von einer "nationalen Katastrophe" gesprochen und rief für das gesamte Land den Notstand und eine dreitägige Staatstrauer aus.

Eine wochenlange Hitzewelle mit Temperaturen um die 40 Grad hatte das Land austrocknen lassen, seit Monaten hat es nicht mehr geregnet. Nach inoffiziellen Schätzungen verbrannten allein in den vergangenen drei Tagen 70.000 Hektar Land. Die Temperaturen sollen nach einer Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auch in den kommenden Tagen kaum unter 30 Grad sinken.

Die sozialistische Opposition und die linksgerichtete Presse kritisierten, dass es keine vorbeugenden Maßnahmen gegeben habe und der Kampf gegen die Flammen schlecht organisiert gewesen sei. In Griechenland finden am 16. September vorgezogene Parlamentswahlen statt.

Im Kampf gegen das Flammeninferno kamen den erschöpften Feuerwehrleuten am Sonntag auch Hubschrauber, -flugzeuge und Löschtrupps aus anderen europäischen Ländern zu Hilfe. Am Montag wurde weitere internationale Hilfe erwartet.

Auch drei Hubschrauber aus Deutschland wurden am Abend im Luftwaffenstützpunkt von Elefsina 30 Kilometer westlich von Athen erwartet. Vier französische Flugzeuge kamen bereits am Sonntag zum Einsatz und entlasteten die völlig erschöpften griechischen Piloten.

Größte EU-Zivilschutz-Aktion

Russische Löschflugzeuge helfen den Griechen bereits seit Ende Juli bei der Bekämpfung der Waldbrände, die sich seit Freitag vor allem im Süden unkontrolliert ausbreiten. Auch Spanien, Norwegen und Italien entsandten Löschflugzeuge.

Die Schweiz unterstützt die griechischen Feuerwehrkräfte mit vier Superpuma-Hubschraubern. Österreich kündigte die Entsendung zweier Hubschrauber und eines Transportflugzeugs sowie von 20 Feuerwehrleuten an. Israel, Rumänien, Slowenien, Serbien, die Niederlande und Zypern sagten ebenfalls ihre Hilfe zu.

Die griechische Regierung bat am Freitag die Europäische Union um jede erdenkliche Hilfe im Kampf gegen das Flammeninferno. Nach EU-Angaben handelt es sich bei der jetzt angelaufenen Hilfe um die größte Unterstützungsaktion dieser Art für ein Mitgliedsland seit der Schaffung eines Zivilschutz-Mechanismus in der Union im Jahre 2001.

Seit Freitag werden große Teile Griechenlands von Bränden heimgesucht. Feuerwehrleute sprachen am Sonntag von einer Feuerbrunst mit biblischen Ausmaßen, wie sie seit 30 Jahren nicht mehr vorgekommen sei.

© AFP/AP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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