Waldbrände in Griechenland:Schutt, Asche und offene Fragen

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Die Küstenstadt Mati nahe Athen - hier hat das Feuer heftig gewütet. (Foto: REUTERS)
  • Die Zahl der Todesopfer ist hoch, höher noch als bei den Waldbränden von 2007, als im ganzen Land 70 Menschen starben.
  • Einige der mehr als 180 Verletzten sind in kritischem Zustand.
  • Angehörige posten in den sozialen Netzwerken Fotos derer, die verschwunden sind.

Von Luisa Seeling

Es gibt nicht viele gute Nachrichten an diesem Mittwoch in Griechenland, vielleicht nur diese: Die meisten Brände, die in den vergangenen Tagen bewohnte Gebiete bedrohten, seien unter Kontrolle, hieß es bei der griechischen Feuerwehr. Am Abend fiel starker Regen und löschte einen seit Tagen tobenden Brand auf dem Berg Gerania rund 70 Kilometer westlich von der Hauptstadt Athen. Doch das war es dann auch mit den positiven Meldungen.

Denn die Zahl der Todesopfer ist hoch, höher noch als bei den verheerenden Waldbränden von 2007, als im ganzen Land 70 Menschen starben. Griechenland trauert nun um mindestens 80 Menschen, die in den Flammen oder auf der Flucht umkamen. Und es steht zu befürchten, dass diese Zahl noch steigt. Einige der mehr als 180 Verletzten sind in kritischem Zustand, am Mittwoch starb ein Mann im Krankenhaus an seinen Verbrennungen.

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Die Lage in Griechenland hat sich beruhigt, nun suchen Rettungskräfte nach Vermissten, Bewohner stehen in den Trümmern ihrer Existenz. Bilder der Katastrophe.

Zudem wird eine unbekannte Zahl von Menschen vermisst. Die Flammen zerstörten weit mehr als 1000 Häuser. In der Gegend um die Hafenstadt Rafina in Ost-Attika, die es besonders schwer getroffen hat, durchkämmen Rettungskräfte und freiwillige Helfer die verkohlten Ruinen. Sie schauen in ausgebrannte Autos, in verrußte Gärten, auf der Suche nach weiteren Leichen. Die Behörden haben eine Vermisstenhotline eingerichtet, Angehörige posten in den sozialen Netzwerken Fotos derer, die verschwunden sind. "Den ganzen Tag über ist das Feuer das einzige Thema im Fernsehen und in den restlichen Medien, die Menschen in der Stadt sprechen und diskutieren nur darüber", erzählt Georg Evgenidis, 28, Journalist in Athen. "Selbst dann, wenn sie keine Freunde oder Bekannte haben, die direkt betroffen oder gestorben sind."

Immer neue, furchtbare Details treten zutage. Da ist das 13-jährige Mädchen, das sich mit brennenden Kleidern in einen Steilhang stürzte, weil es keinen anderen Ausweg sah. Es war sofort tot. Da sind jene, die sich ins Meer flüchteten - und dort ertranken. Da ist die Familie, die im Auto verbrannte, die Kinder an den Hals der Eltern geklammert. Bereits am Dienstagmorgen wurden 26 Menschen nahe Rafina entdeckt, die alle an derselben Stelle verbrannten; offenbar hatten sie wegen des Rauchs den Pfad zum Meer nicht gefunden. Die Identifizierung der Leichen dürfte sich schwierig gestalten, nach Einschätzung der Gerichtsmediziner könnte sie Wochen dauern, weil DNA-Tests nötig sind.

Alexis Tsipras, Griechenlands Premierminister, hat Fragen nach Brandursache und Krisenmanagement hintangestellt. Das Land trauere, sagte er am Dienstag. Doch die Debatte hat längst begonnen. Die oppositionelle Zeitung Ta Nea titelt: "Das Land ist nackt" - und meint damit die "Unfähigkeit" der Regierung, die Bürger zu schützen. Ekathimerini zitiert Feuerwehrleute, die das Fehlen eines Notfall- und Evakuierungsplans bemängeln. Die Behörden seien nicht genug vorbereitet gewesen, obwohl am Montag für Attika die höchste Gefahrenstufe galt, Stufe 4. Andere widersprechen: Die Brände wären in jedem Fall schwer aufzuhalten gewesen, zu stark war der Wind, der die Flammen vorantrieb. Erschwerend kam hinzu, dass viele Hilfskräfte zunächst zur Brandstelle bei Kineta im Westen Attikas geschickt wurden; später wurde klar, dass Rafina in größerer Not war, Rettungskräfte wurden umdirigiert. So ging wertvolle Zeit verloren.

Offiziell war am Mittwoch die Brandursache weiter ungeklärt

Spekuliert wird auch über die Brandursache. Manche glauben, die zahlreichen Feuer in der Region könnten das Ergebnis konzertierter Brandstiftung gewesen sein. Ein Regierungssprecher hatte erklärt, in der Region Attika seien gleichzeitig 15 Brände an drei verschiedenen Fronten ausgebrochen; Tsipras nannte die Gleichzeitigkeit "besorgniserregend". In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle von Brandstiftung im Zusammenhang mit Grundstücksspekulation; war der Wald erst abgebrannt, ließ sich der Boden leichter in Bauland umwidmen. Experten verweisen jedoch darauf, dass es in den Sommermonaten nicht unüblich sei, dass mehrere Feuer gleichzeitig ausbrechen.

EU-Kommissar Christos Stylianides, zuständig für humanitäre Hilfe, nutzte den Anlass, um eindringlich auf die Folgen des Klimawandels hinzuweisen. Offiziell war am Mittwoch die Brandursache weiter ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft am Obersten Gerichtshof leitete Ermittlungen ein.

Am Mittwoch waren noch Hunderte Feuerwehrleute im Einsatz. Sie löschten Brandnester und verhinderten ein Wiederaufflammen. Am Dienstagabend trafen erste Einsatzkräfte aus dem EU-Katastrophenschutz ein - 64 Helfer aus Zypern, wie ein Sprecher der EU-Kommission sagte.

Georg Evgenidis, der Athener Journalist, erzählt, er habe am Dienstag im Norden der Stadt kaum atmen können. Überall habe dunkler Rauch in der Luft gehangen, selbst über der Akropolis. Nun sei der Himmel wieder etwas heller.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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