Wahre Welt (27):Ein wenig überdreht

Nie wieder Batterien! Den Strom einer Taschenlampe mit eingebautem Handyladegerät und Radio produziert man kurbelnd selbst. Nur was für Camping-Freaks oder wirklich gesellschaftsfähig?

Anja Tiedge

In der manchmal verwunderlichen Warenwelt hat sich doch Folgendes bewährt: Wenn alles schon da ist und es scheinbar nichts mehr gibt, das dem Verbraucher aufgeschwatzt werden könnte, der Markt im Fachjargon also gesättigt ist - dann gilt es, alles miteinander zu kombinieren, um den potenziellen Käufern wieder Appetit auf Konsum zu machen.

Wahre Welt (27): Der "Sunartis Everlight Voyager".

Der "Sunartis Everlight Voyager".

(Foto: Foto: Thiessat)

So kommen Handys mit integriertem Fotoapparat, MP3-Spieler und - im Extremfall - Mini-TV zustande. Oder Computer, die gleichzeitig Fernseher sind. Oder Armbanduhren mit eingebautem Taschenrechner, die ihre Blütezeit allerdings schon lange hinter sich haben. Aber das fällt im Zweifelsfall unter die Rubrik "Retro".

"Perfekter Reisebegleiter"

Das Phänomen, Kombinationen zu kreieren, um Trendsettern neue Nahrung zu geben, machte sich auch die Firma "Sunartis" zu Nutze. Die Idee: Man nehme erstens eine Taschenlampe, zweitens ein Handy-Aufladegerät und drittens ein Radio. Dazu gebe man eine Kurbel, mit der man das Ganze manuell mit Strom versorgen kann. Im Handumdrehen entsteht die "Sunartis Everlight Voyager", ein laut Gebrauchsanweisung "perfekter Reisebegleiter".

Das leuchtet ein. Ein Gerät, das den Namen eines Raumschiffes hat und aussieht wie eine aus der Form geratene Taschenlampe, will auf Reisen ausprobiert werden. In der Öffentlichkeit - unter Leuten, die neugierig diesen Knüppel mustern, an dem der Nutzer eifrig herumkurbelt. Inmitten von Menschen, die regelrecht gezwungen sind, sich das Szenario anzuschauen, weil ihr Blickwinkel eingeschränkt ist - in der Bahn also.

Ein Zugabteil, das bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt ist, bietet die angemessene Testatmosphäre. Die Drehbewegung der Kurbel aus Plastik und Gummi ist anfangs noch langsam und schüchtern, wird aber bald schneller und gleichmäßig. Zwei Drehungen pro Sekunde sind ideal, um den Kondensator aufzuladen, ist aus der Gebrauchsanweisung zu erfahren. Aber Vorsicht ist geboten: "Das Überdrehen der Lampe könnte zu irreparablen Schäden führen."

Das Surren der Kurbel

Das Ganze ist etwas gewöhnungsbedürftig. Im stillen Kämmerlein mag das Kurbeln einfach sein - in der Bahn wird es zur Mutprobe. Das Surren ist etwas laut, wenn ringsherum nur das gedämpfte Rattern des Zuges zu hören ist. Wo sind denn all die schreienden Kinder heute? Stattdessen Zeitungsleser und Brotesser, deren raschelndes Papier und knisternde Alu-Folie die Kurbel mühelos übertönt. Der Voyager macht trotzdem einen soliden Eindruck.

Nach vier Minuten, wenn das Drehen schon fast selbstbewusst wirkt, zeigt die Ladezustandsanzeige, dass Voyager genügend Stromvorrat hat. Nun kann er 30 Minuten lang helles Licht, 20 Minuten lang extrem helles Licht und 120 Minuten lang Warnblinklicht spenden, wie wiederum die Gebrauchsanweisung lehrt.

Ein wenig überdreht

Licht an - Das klappt schon mal. Da es in deutschen Zügen normalerweise sehr hell ist, ist schwer festzustellen, ob die Lampe wirklich extrem hell leuchten kann. Auch unter dem Sitz ist der Lichtkegel nur schwerlich zu erkennen. Die Mitreisenden können dagegen nicht erkennnen, wozu man im Zug unter den Sitz leuchten muss. Insgesamt drei Leuchtdioden sind jedoch für die meisten Campingnächte und Nachtwanderungen ausreichend.

Radio für 50 Minuten

Das Radio kann leider nur über die mitgelieferten Kopfhörer gehört werden. Bei voll geladenem Akku funktioniert es ganze 50 Minuten lang in guter Qualität. Der Haken: Die Sender werden über einen automatischen Suchlauf eingestellt, der nur durch das Drücken eines Knopfes beeinflusst werden kann. Die Frequenz ist nicht erkennbar. Hat der Lieblingssender nicht die ausreichende Sendestärke, wird er vom Voyager übersprungen.

Nach einer Stunde Lampen- bzw. Radiotätigkeit hat Voyager keinen Strom mehr, was für batteriebetriebene Lampen-Handyauflade-Radio-Geräte das eindeutige Aus bedeutet hätte. Nicht aber für den Voyager. Nach erneutem vier- bis fünfminütigem Kurbeln zeigt er wieder grünes Licht für einen letzten Test: das Handyladegerät.

Für die Marken Nokia, Motorola, Sony, Ericsson, Siemens und Samsung sind passende Adapter im Lieferumfang enthalten. Bei allen anderen Marken solle man sich laut Hersteller an ein Telefon-Fachgeschäft wenden, um den richtigen Adapter zu erhalten.

Drehen um zu laden

Mit dem Handy am einen Ende der Schnur und Voyager am anderen sieht der Versuchsaufbau gelungen aus. Das Telefon macht allerdings keine Anzeichen des Aufladens. Also umstecken, vielleicht funktioniert es anders herum. Nichts. Nach einem kurzen Blick in die Gebrauchsanleitung wird klar, warum: "Allein durch das Kurbeln wird Ihr Handy direkt durch den Dynamo aufgeladen." Man muss also während des Ladevorgangs kurbeln. Bei dem Gedanken an die Zeit, die ein Handy zum Aufladen benötigt, wird klar: Das kann nur eine Notlösung sein. Für seltene Fälle, in denen der Ladebalken des Handys verschwindend klein wird und keine Steckdose in Sicht ist. Die Anleitung bestätigt dies: "Zwei Minuten kurbeln ermöglichen Ihnen ein dringendes Telefongespräch von ca. 2 Minuten Dauer oder 1 Stunde stand-by."

In diesem Testfall ließe sich jedoch auch kein noch so dringendes Gespräch führen: Nach circa zehn Sekunden bricht der Ladevorgang ab, auch bei einem erneuten Versuch. Das könne laut Anleitung zwar vorkommen und liege allein am internen Schaltkreis des Handys. Nur würde das in eben jenen seltenen Fällen auch nicht weiterhelfen und eine ständige Unterbrechung ist Gift für den Akku.

Fazit

Wer eine allzeit bereite Taschenlampe oder ein Radio ohne Batterien benötigt, liegt mit dem Voyager richtig. Bei Anlässen, an denen es an Stromanschlüssen mangelt, wie beim Zelten oder Trekking, kann er durchaus hilfreich sein. Mit einem Gewicht von circa 185 Gramm ist der Voyager dabei unwesentlich schwerer als eine Taschenlampe. Auf die Handyladefunktion war im Falle dieses Tests kein Verlass. Was praktisch gesehen aber nicht weiter schlimm ist, denn wer vergisst, seinen Handy-Akku aufzuladen, wird wohl kaum daran denken, den Voyager mit auf Reisen zu nehmen.

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