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Vor Gericht:Anklage wegen Einsturz des Kölner Stadtarchivs erhoben

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Am 3. März 2009 gab plötzlich der Boden nach unter dem Kölner Stadtarchiv. Ein Zittern, ein Rumpeln, dann stürzte das größte deutsche Kommunalarchiv in sich zusammen - und riss mehrere Nachbarhäuser mit sich. Zwei Anwohner starben in den Trümmern. Tonnenweise wertvolle Archivgüter wurden in der Tiefe begraben, der Schaden belief sich auf mehr als eine Milliarde Euro.

Von Anfang an wurde vermutet, dass unterirdische Bauarbeiten den Einsturz ausgelöst hatten. In diese Richtung zielt nun auch die Staatsanwaltschaft mit ihrer Anklage. Sieben Personen, die am Ausbau der Kölner U-Bahn beteiligt gewesen waren, sollen sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten.

Zwei Angeschuldigten wird vorgeworfen, "entgegen den technischen Regeln eine Meldung an ihre Bauleitung unterlassen und den Aushub eigenmächtig fortgesetzt zu haben". Durch ihr Handeln, so lässt sich die Mitteilung der Staatsanwaltschaft zusammenfassen, hätten sie im Erdreich Bedingungen geschaffen, die schließlich zum Einsturz des Gebäudes führten.

Bei den fünf übrigen Beschuldigten handelt es sich um "Personen mit Prüfungs- und Überwachungsaufgaben", die nicht sorgfältig genug gearbeitet haben sollen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen hatte nach dem Einsturz stets argumentiert, es habe einen sogenannten hydraulischen Grundbruch gegeben, bei dem Wassermassen durch die Baustellensohle dringen - eine Art Naturereignis also, gegen das sie machtlos waren.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte in den vergangenen Jahren gegen insgesamt 94 Beschuldigte - weil die Verjährung drohte wurde einen großer Kreis möglicher Verdächtiger benannt, um sich die Chancen auf eine Anklage zu sichern. Denn wenn das Landgericht Köln nicht bis zum 2. März 2019 - zum Ende der Zehnjahresfrist - ein Urteil gesprochen hat, verjährt der Fall. Dann bliebe die strafrechtliche Schuldfrage für immer ungeklärt.

Nach dem Einsturz lagen 30 Regalkilometer Dokumente durchnässt und teils in kleine Stückchen zerfetzt in der Grube. Am Ende gelang es, 95 Prozent der Bestände zu bergen. Mit aufwendigen Verfahren machten sich Experten daran, die Dokumente zu trocknen und wieder zusammenzusetzen.

Die Stadtverwaltung beziffert den Schaden, der durch den Einsturz entstanden ist, auf 1,2 Milliarden Euro. Wer dafür haften muss, wird in einem anderen Verfahren, einem Zivilprozess entschieden - zu erwarten ist ein Gutachterstreit durch mehrere Instanzen. Der Zeitdruck ist in diesem Fall nicht so groß wie im Strafprozess: Ein möglicher Anspruch würde erst nach 30 Jahren verjähren.

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