Von Lawine erfasste Bergsteiger im Himalaja:Todesdrama am Shishapangma

Deutsche Bergsteiger im Himalaya

Die beiden Bergsteiger Benedikt Böhm (re.) und sein später von einer Lawine verschüttete Kollege Sebastian Haag (li.) Mitte September am Eisbruch des Shishapangma.

(Foto: dpa)

Zwei Bergsteiger sterben bei einem Rekordversuch im Himalaja. Auf Facebook gibt es neben Beileid auch Kritik an riskanten Expeditionen, die "dem Kommerz geschuldet" seien. Abgesehen davon, wie taktlos solche Vorwürfe direkt nach einem Unglück sind - in diesem Fall führen sie in die falsche Richtung.

Von Titus Arnu

Es waren nur noch 100 Höhenmeter bis zum Gipfel des Shishapangma. Wenn alles gut gegangen wäre, hätten die Bergsteiger eine Stunde später den höchsten Punkt erreichen können, 8013 Meter. Von dort wollten sie mit Skiern abfahren, bis zum Basecamp auf 5600 Meter. Doch es ging diesmal nicht alles gut. Eine Lawine erfasste den Münchner Sebastian Haag, 36, den Italiener Andrea Zambaldi, 32, und den Deutschen Martin Maier, 40. Maier konnte sich selbst aus den Schneemassen befreien, doch Haag und Zambaldi wurden rund 600 Meter in die Tiefe gerissen und verschüttet.

Die beiden anderen Team-Mitglieder, Benedikt Böhm, 37, und Ueli Steck, 38, versuchten vier Stunden lang, von verschiedenen Seiten aus in die Lawinenzone zu gelangen, aber sie mussten schließlich aufgeben, da der Zustieg nicht möglich war. Als die überlebenden Alpinisten Stunden später im Basecamp ankamen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als die traurige Nachricht über das tragische Ende der Expedition nach Europa durchzugeben.

Der Tod von Sebastian Haag und Andrea Zambaldi war am Donnerstagabend noch nicht offiziell bestätigt, da wurden die beiden auf Wikipedia schon für tot erklärt. Unter die vielen Beileidsbekundungen auf der Facebook-Seite der Expedition mischten sich bald auch kritische Kommentare. Solche Katastrophen seien auch "dem Kommerz geschuldet", hieß es da, und es sei sowieso "total unsinnig" und zu riskant, wenn mittlerweile jeder Laie auf einen Achttausender renne. Mal abgesehen davon, wie taktlos und unqualifiziert solche Vorwürfe direkt nach einem tragischen Unglück sind - in diesem Fall führen sie in die falsche Richtung.

"Die härtesten sieben Tage meines Lebens"

Deutsche Bergsteiger im Himalaya

Benedikt Böhm und Sebastian Haag (l.) am Eisbruch des Shishapangma in 6300 Meter Höhe.

(Foto: Dynafit/PrimaLoft/dpa)

Benedikt Böhm und Sebastian Haag sind nicht als leichtsinnige Touristen nach Tibet aufgebrochen, sie trainieren seit Jahren zusammen und haben ihre Touren akribisch geplant. Ueli Steck, mit dem sie zusammen unterwegs waren, gilt als einer der besten Alpinisten weltweit, die beiden anderen waren auch keine Anfänger. Böhm und Haag hatten sich auf Speed-Begehungen spezialisiert, ihr Ziel war es, Berge wie den Shishapangma mit Hilfe von Tourenski möglichst schnell zu besteigen, mit möglichst wenig technischem Aufwand und extrem leichter Ausrüstung. Diese Art des Bergsteigens hat den Vorteil, dass man sich im Idealfall kürzer in der Todeszone aufhält, weil man schneller ist - doch wenn etwas schief geht, hat man nicht mal ein Zelt, in das man sich vor einem Sturm retten kann.

"Eines ist sicher: Das werden die härtesten sieben Tage meines Lebens", hatte Böhm vor dem Start am Dienstag gesagt. Denn er hatte vor, zusammen mit Haag einen Rekord aufzustellen: Nach der Abfahrt vom Shishapangma wollten die beiden mit dem Mountainbike zum 170 Kilometer entfernten Cho Oyu radeln und diesen auch per Speed-Begehung innerhalb eines Tages bewältigen. Das "Double 8"-Projekt hätte nur eine Woche lang gedauert. Doch schon der Start war schwierig. Einen ersten Gipfelversuch hatten Haag und Böhm am 17. September abgebrochen, weil die Bedingungen problematisch waren: zu viel Schnee, hohe Lawinengefahr.

Spiegel online hatte die "Double 8"-Expedition mit einer aufwendig gemachten Internet-Präsentation begleitet, auf einer interaktiven Grafik konnte man die GPS-Position der Bergsteiger verfolgen, dazu gab es kurze Status-Meldungen, Informationen der Redaktion und Interview-Schnipsel. Auf einem der letzten Videos vor dem Lawinenunglück ist zu sehen, wie die Bergsteiger bis zur Brust im Schnee stecken und sich mühsam eine Spur bahnen, was extrem kräfteraubend ist.

Schon mehrere Male hatten Sebastian Haag und Benedikt Böhm großes Glück bei ihren Touren gehabt. Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 23. September 2012, entgingen sie knapp einem der größten Lawinenunglücke Nepals. 30 Menschen wurden damals am Manaslu unter den Schneemassen begraben, elf kamen ums Leben. Haag und Böhm retteten Verschüttete, mussten aber auch Tote bergen. Nach dem Lawinenunglück am Manaslu sagte Benedikt Böhm in einem Interview: "Jeder weiß, dass der Tod Teil dieses Sports ist. Er ist immer eine Option." Bergprofis wie Böhm und Haag wussten genau, welche Gefahren in der Todeszone auf sie zukommen - und dazu gehört auch, dass man einen Lawinenunfall nicht ausschließen kann. Für Sebastians Haags Familie ist es ein weiterer schwerer Schicksalsschlag. Sein Bruder war 2006 am Mont Blanc ums Leben gekommen.

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