Von Baumstumpf getroffener Junge:Familie des Verdächtigen steht unter Polizeischutz

Berlin: Trauer um erschlagenen Jungen

Blumen, Kerzen und Karten wurden vor dem Hochhaus im Märkischen Viertel abgelegt, vor dem der Junge tödlich getroffen wurde.

(Foto: dpa)
  • Am vergangenen Sonntag ist ein Achtjähriger im Märkischen Viertel in Berlin von einem Baumstumpf tödlich getroffen worden.
  • Der Baumstumpf war aus einem Hochhaus geworfen worden; ein Zehnjähriger hat die Tat gestanden, unklar ist, ob er den Jungen bewusst treffen wollte.

Von Verena Mayer, Berlin

Es werden immer mehr Blumen und Kerzen im Märkischen Viertel in Berlin. Und immer mehr Leute kommen zu der Stelle, an der am Sonntag ein achtjähriger Junge von einem Baumstumpf getötet wurde, den ein zehnjähriger Junge aus einem fünfzehnstöckigen Hochhaus geworfen hatte. Familien, Nachbarn, Leute aus dem Viertel, Jugendliche auf dem Fahrrad. Sie legen Stofftiere auf den Bürgersteig, Zettel oder Karten. "Warum?" steht auf vielen.

Das ist auch fünf Tage nach der Tat noch nicht ganz klar. Fest steht, dass der Zehnjährige nicht direkt in dem hell gestrichenen Haus lebt, aus dem der Baumstumpf fiel, sondern in der Nähe. Die Ermittler kamen ihm auf die Spur, nachdem sie Videoaufnahmen aus Kameras ausgewertet hatten, die im Fahrstuhl und auf den Fluren des Hochhauses installiert sind. Erst geriet ein Zwölfjähriger unter Verdacht, der mit der Tat aber nichts zu tun hatte. Bei der Familie des Zehnjährigen fand sich schließlich die Kleidung, die der Junge bei der Tat getragen haben musste. Er hat die Tat gestanden.

Näheres will die Staatsanwaltschaft Berlin dazu nicht sagen. Berliner Medien zufolge soll der Junge den Baumstumpf über eine frei zugängliche Balustrade geworfen haben. Bewusst, aber ohne die Folgen bedacht zu haben. Wahrscheinlich konnte er, als er den Baumstumpf über den Balkon hievte, gar nicht sehen, ob unten jemand vorbei ging. Wie er den massiven Baumstumpf transportierte und ob er dabei vielleicht Hilfe hatte, wird derzeit noch ermittelt. Juristisch ist der Fall erst mal abgeschlossen: Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig. Allerdings hat sich das Jugendamt des Bezirks eingeschaltet, es prüft die Familienverhältnisse und welche Maßnahmen nun ergriffen werden müssen.

"Ich hoffe, du bist bald im Paradies", hat jemand in krakeliger Schrift auf einen roten Zettel vor dem Hochhaus geschrieben. "Es war ein Kind, wir werden ihm verzeihen", sagt eine junge Frau mit Kopftuch, die mit Blumen gekommen ist. Doch es gibt auch viel Wut. Auf die Zustände im Märkischen Viertel im Norden der Hauptstadt, das mit seinen riesigen Hochhäusern und Tausenden Wohnungen auf engstem Raum als sozialer Brennpunkt gilt.

Immer wieder würden Dinge aus den Fenstern geworfen, beklagen Anwohner, Flaschen, Müll, Windeln. Der Baumstumpf selbst habe schon länger vor dem Hochhaus herumgelegen. Von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, die für die Gebäude zuständig ist, fühlen sie sich im Stich gelassen. Und es gibt Wut auf die Familie des Zehnjährigen. Die Polizei hat die Familie daher vorläufig unter Polizeischutz gestellt. Immer wieder sieht man Polizisten durch das Viertel gehen, man will Eskalationen verhindern.

Der achtjährige Ibrahim ist der Sohn eines Lehrers, der vor zehn Jahren aus Tschetschenien gekommen war. Er war am Sonntagnachmittag mit seinem BMX-Rad unterwegs und wollte gerade in die Pedale treten, als ihn der Baumstumpf am Kopf traf. Ein Junge, der mit ihm auf dem Fahrrad stand, wurde verletzt. Ibrahim soll nun nach Tschetschenien gebracht und dort beerdigt werden.

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Ein Baumstumpf wird aus einem Fenster geworfen und trifft einen Achtjährigen am Kopf, der Junge ist sofort tot. Anwohner des Viertels sind bestürzt, aber nicht überrascht über das Unglück.

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