Musik statt Finanzen:Bürgermeister wird Schlagersänger

Er kann nicht nur gut rechnen, sondern auch singen. Deshalb gibt Peter Rist, Finanzbürgermeister von Reutlingen, seinen Job zugunsten einer Schlagerkarriere auf. Ein Gespräch über Politik, Freiheit und Musik.

Roman Deininger

Seit sieben Jahren ist Peter Rist Finanzbürgermeister in der 112 000-Einwohner-Stadt Reutlingen, er wacht über einen Jahresetat von 325 Millionen Euro. Kürzlich hat er seiner Oberbürgermeisterin allerdings mitgeteilt, dass er den Job 2013 hinwerfen wird. Der 42-Jährige will sich hauptberuflich als "Unterhalter und Schlagersänger" versuchen.

Musik statt Finanzen: "Der Titel ,Schalala' zum Beispiel ist eingängig und niveauvoll": Hobby-Schlagersänger Rist bei einem Auftritt, der Menschen glücklich machen soll.

"Der Titel ,Schalala' zum Beispiel ist eingängig und niveauvoll": Hobby-Schlagersänger Rist bei einem Auftritt, der Menschen glücklich machen soll.

(Foto: oh)

SZ: Herr Rist, Sie kennen sich doch aus mit Geld. Sie können doch ein sicheres Jahresgehalt von 100 000 Euro nicht einfach so aufgeben! Und auf die schöne Pension verzichten.

Rist: Ich habe vorher schon eine Rechnung aufgemacht, nur eine ganz andere. Klar, es gibt ein finanzielles Risiko. Aber der persönliche Gewinn ist viel größer. Ich singe gern von Freiheit, "Willkommen im Leben - Unendlich frei" heißt mein Album. Für diese Freiheit, für dieses Leben habe ich mich jetzt entschieden. Ob ich dann in der ersten Liga singe, in der zweiten oder in der dritten, das ist mir egal. Ich will nur ich sein.

SZ: Sagen Ihre Bürgermeisterkollegen nicht: "Der Rist spinnt"?

Rist: Die formulieren das ein bisschen netter. Aber die Leute, die mich nur von der Bühne kennen, fragen oft: Was, der macht eigentlich was anderes als Musik? Dann macht er das Falsche!

SZ: Wie konnte das denn passieren: Finanzbürgermeister?

Rist: Ich bin im Allgäu in einer Musikerfamilie aufgewachsen. Wir haben ein Wirtshaus, meine Eltern waren da immer die großen Unterhalter. Ich habe bereits als Kind für die Gäste getanzt, gesungen und musiziert. Bloß beruflich war ich der Ausreißer: Verwaltungswirt, Rechnungsprüfer. Ich kann halt einfach auch gut rechnen.

SZ: Hat Sie in der Politik mal jemand nicht ernst genommen, weil Sie in der Lederjacke Lieder singen, die "Schalala" oder "Mein Glücksstern" heißen?

Rist: Bestimmt. Ich nehme auch nicht alles ernst, gerade in der Politik. Aber solche Leute merken dann auch bald, dass ich nicht der Dümmste auf der Welt bin. Und dass ein bissle Musik auch in der Politik helfen kann: Als uns 2010 30 Millionen Euro im Haushalt weggebrochen sind, haben wir uns zwei Tage lang auf Klausur eingeschlossen. Da habe ich dann zwischenrein ein paar Gstanzl gesungen, damit die Zahlen nicht zu sehr auf den Magen schlagen. Oder unser Weihnachtsmarkt: Den musste ich nicht mit Worten eröffnen. Ich konnte stattdessen einfach ein paar schöne Weihnachtslieder singen.

SZ: In den Stadtratssitzungen singen Sie aber nicht.

Rist: Aber beinah! Die Botschaften sollen ja auch ankommen. Stundenlang nur reden, das hält doch kein Mensch aus.

SZ: Es gibt auch Leute, die halten Schlager nicht aus.

Rist: Ich habe zwei Prädikatsexamen, aber ich schäme mich nicht dafür, die Menschen mit meiner Musik glücklich machen zu wollen. Über Hansi Hinterseer sagen auch viele, er sei naiv, nur weil er in seinen Liedern Gefühle und Werte transportiert. Wenn das naiv ist, dann bin ich gerne naiv.

SZ: Über Sie wurde mal geschrieben, Ihre Musik. . .

Rist: . . .verursacht Ohrenkrebs. Die Kritiker dürfen schreiben, was sie wollen. Ich bin mal mit Reutlinger Stadträten aufgetreten, natürlich war das musikalisch kompromissbeladen. Aber wenn ich sehe, die Leute freuen sich bei mir am Leben, dann reicht mir das. Und wenn meine Musik wirklich Ohrenkrebs verursacht, was würde dann erst . . .

SZ: Sprechen Sie weiter!

Rist: Ich persönlich mag kein Partygegröle. Meine Lieder handeln vom Leben und der Freiheit, von der Natur, von Liebe und Freundschaft, vom Menschsein. Der Titel "Schalala" zum Beispiel ist eingängig und niveauvoll. Da geht es ums Glücklichsein. Und damit um den Sinn des Lebens. Es gibt aber Leute, die wollen nicht glücklich sein. Die kann ich dann auch nicht zwingen.

SZ: Ihr Album ist raus, aber Sie sind ja noch eineinhalb Jahre Bürgermeister. Das wird schwierig mit Konzerten.

Rist: Ein bisschen bremsen muss ich schon. Für 2012 haben wir eine richtig schöne Allgäu-Tour geplant. In Reutlingen habe ich dann Urlaub.

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