Volksabstimmung:"Schweiz enthornt ihr Nationaltier"

Der Biobauer Armin Capaul scheitert mit seiner Initiative, Kühen ihre Hörner zu lassen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Machen Hörner Kühe glücklicher?

Kuh in der Schweiz.

(Foto: Gian Ehrenzeller/ dpa)

Es ist noch nicht lange her, da war das Verb "enthornen" den meisten Schweizern unbekannt. Am Sonntag dagegen konnte der Biobauer Armin Capaul mit diesem Wort zu einer allgemeingültigen Beleidigung ausholen. Trotz beachtlicher 45,3 Prozent Zustimmung ist seine Hornkuhinitiative bei der Volksabstimmung am Wochenende gescheitert. Capaul, 67, hatte dafür gestritten, dass Landwirte, die auf das Enthornen ihrer Kühe verzichten, zusätzliche Unterstützung vom Staat erhalten. Am Sonntagnachmittag sagte er im Schweizer Fernsehen, die internationalen Schlagzeilen würden mit dieser Niederlage nicht aufhören, im Gegenteil. "Die Schweiz enthornt ihr Nationaltier" würde man im Ausland schreiben, und das völlig zu Recht.

Capaul, der selber Kühe, Ziegen und Schafe hält, hatte die ungewöhnliche Verfassungsänderung aus eigener Kraft vors Volk gebracht. Im Alleingang sammelte er die nötigen 100 000 Unterschriften, brachte ein Komitee aus Biolandwirten, Esoterikern und Wissenschaftlern hinter sich - selbst im traditionell konservativen Bauernverband gelang es dem Tierfreund und Alt-68er, Mitstreiter zu gewinnen. Der Verband beschloss, seinen Mitgliedern weder ein Ja noch ein Nein zu empfehlen.

Auch sonst wagte es kaum ein Landwirt, sich Capaul in den Weg zu stellen. Trotz ihres zum Teil etwas entrückten Auftretens genossen die Hornkuhfreunde Sympathie. Viele Schweizer ließen sich überzeugen, dass es Kühen mit Hörnern besser geht. Das Anliegen, Landwirte, die Kühen ihre Hörner lassen, finanziell zu unterstützen, klang angesichts der gewaltigen Landwirtschaftssubventionen der Schweiz nicht mal besonders radikal. Dass Capaul und seine Mitstreiter am Sonntag enttäuscht wurden, liegt vor allem an einem krassen Gegensatz: Kuhhörner hätten in der Verfassung nichts verloren, argumentierten viele Intellektuelle, die zunächst mit Capaul sympathisiert hatten. Dass die Initiative vom Wall Street Journal bis zur Arte-Dokumentation überall auf der Welt für Aufsehen gesorgt hatte, ging einigen Schweizern auf die Nerven. Ausgerechnet Kühe, dieses zwar beliebte, aber immer auch etwas naiv wirkende Nutztier hatte das Land in die Schlagzeilen gebracht - mehr Klischee geht kaum.

In der Schweiz ist Capaul vor allem eines gelungen: Die Hörner, die auf keiner Milchpackung und in keiner Werbung fehlen dürfen, in der Realität aber selten vorkommen, sind zum Politikum geworden. Wer eine Kuh sieht, achtet nun auf dieses Detail. Bauern, die ihre Kühe früher selbstverständlich enthornten, müssen sich kritischen Fragen stellen. Zudem ist das politische System der Schweiz auf Kompromiss bedacht: Wenn 45 Prozent der Bürger für die Hörner stimmen, könnte die Politik mit einer Regelung nachziehen.

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