Mord in Voerde:Zugschubser wird in forensische Psychiatrie eingewiesen

Voerde Zugschubser Prozess

Der Angeklagte beim Prozessauftakt Anfang Januar.

(Foto: dpa)

Der 28-jährige Angeklagte hatte am Bahnhof in Voerde eine Frau vor einen Zug gestoßen. Die Tat wird trotz der psychischen Erkrankung des Täters als Mord gewertet.

Von Jana Stegemann, Düsseldorf

"Ich mache so was doch nicht, ich würde eine Frau nicht schubsen", hatte der Angeklagte Jackson B. dem Schwurgericht am ersten Tag seines Mordprozesses mitteilen lassen. Seine Verteidigerin verlas seine Erklärung. Er "glaube nicht", dass er die Frau "berührt oder angestoßen" habe. Wenn dieses doch so gewesen wäre, dann habe er es "nicht extra gemacht". Vielmehr sei es ihm an diesem Morgen schlecht gegangen: "Mein Kopf hat sich gedreht, ich habe geschwankt." Er könne sich "höchstens vorstellen", so der 28-jährige neunfache Vater aus Hamminkeln, "dass ich mich bei der Frau abgestützt habe".

"Die Frau" ist Anja N. aus Voerde, 34 Jahre alt, Mutter einer Tochter. Gestorben nach dem Zusammenstoß mit einem Zug um kurz vor neun Uhr am 19. Juli 2019 im Gleisbett des kleinen Bahnhofs Voerde in Nordrhein-Westfalen.

"Sie ist im Flug mit dem Zug kollidiert"

Die 5. Große Strafkammer am Landgericht Duisburg glaubte Jackson B. nicht. Nach Überzeugung der Richter stieß er Anja N. absichtlich mit beiden Händen und "mit massiver Kraft" vor einen einfahrenden Regionalexpress auf Gleis 1. Die Kammer wertete Jackson B.s Tat als Mord, sie sieht das Merkmal der Heimtücke erfüllt. Jackson B. habe bewusst den Umstand ausgenutzt, dass Anja N. nicht mit einem Angriff rechnete und sich deswegen auch nicht habe wehren können. Die 34-Jährige habe auf ihr Handy geschaut, während sie auf den Zug wartete. "Die Frau hatte keine Chance", sagte ein Zeuge vor Gericht. Eine Rechtsmedizinerin hatte gesagt: "Sie ist im Flug mit dem Zug kollidiert."

Der Vorsitzende Richter Joachim Schwartz sprach in seiner Urteilsbegründung in Duisburg "von einer verstörenden Tat", unklar bleibe das Motiv des Mannes, denn Jackson B. und Anja N. kannten sich nicht. Die Frau wurde zum Zufallsopfer. Ihr Tod löste damals bundesweit Bestürzung aus.

Weil bei Jackson B. von einem Sachverständigen eine schwere Schizophrenie diagnostiziert worden war, ordnete das Gericht die Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen forensischen Psychiatrie an, unbefristet. Das Gericht geht davon aus, dass Jackson B. auch zukünftig eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Der Gutachter hatte viermal mit B. gesprochen. Klar wurde, dass B. wohl schon länger nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden konnte. Der Polizei war er zudem immer wieder wegen Einbruchs, Diebstahl, Körperverletzungen und Betrügereien aufgefallen. Zweimal saß er im Gefängnis, weil er Geldbußen nicht gezahlt hatte. Im Ortsteil Brünen der Stadt Hamminkeln habe er nach übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum immer wieder randaliert und Nachbarn und Einwohner belästigt. Einmal waren danach sogar zwei Polizisten dienstunfähig.

Jackson B. war Zeugen schon vor der Tat am Bahnhof Voerde aufgefallen. Ein irakischer Familienvater fühlte sich bedroht, weil B. seinen kleinen Sohn angesprochen und ihm zum Ticketautomaten gefolgt war - mit einem Schraubendreher in der Hand. Der Iraker nahm ihm das Werkzeug weg und sagte ihm, er solle "verschwinden". Aus Angst, Jackson B. könnte zurückkommen, beobachtete der Familienvater ihn auf dem Bahnsteig weiter. So sah er den Angriff auf Anja N., überwältigte Jackson B. direkt nach der Tat und hielt ihn gemeinsam mit einem anderen Mann fest, bis die Polizei eintraf. Diese lobte später den "heldenhaften Einsatz" des Mannes.

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