Die Stadt Vilshofen in Niederbayern wollte umweltbewusste Bürger belohnen, mit grünen Hausnummern. Es gab Empörung, vom "Öko-Pranger" war die Rede. Jetzt wird es Urkunden statt grüner Hausnummern geben. Bürgermeister Florian Gams, 36, SPD, erklärt den Kompromiss.
SZ: Herr Gams, Grün statt Blau - wo liegt das Problem?
Florian Gams: Das wussten wir bis vor Kurzem auch noch nicht. Dann ist das über die sozialen Medien und Boulevardmedien hochgekocht und uns wurde vorgeworfen, man werde Bürger stigmatisieren. Da macht man sich natürlich Gedanken, daher mein Kompromissvorschlag. Damit es die Gefahr der Spaltung nicht gibt.
Welche Spaltung?
Dieser Kritikpunkt hat ja schon eine gewisse Berechtigung. Menschen mit grünen Hausnummern könnten unter besonderer Beobachtung stehen.
Bei anderen Kommunen, die grüne Hausnummern eingeführt haben, heißt es, die überwiegende Mehrheit habe immer noch blaue Hausnummern. Von "Pranger" könne man also nicht wirklich sprechen.
Ich glaube auch nicht, dass es in Vilshofen jetzt fast nur noch grüne Hausnummern gegeben hätte. Aber man kann das nicht vorhersagen.
Es heißt, im Stadtrat ging es sehr hitzig zu.
Na ja, das ist immer relativ. Das ist ein politisches Gremium. Man kann auch nicht Koch werden, wenn es einem in der Küche zu heiß ist.
In Amberg-Sulzbach, wo Leute seit 1999 grüne Hausnummern bekommen können, haben die Verantwortlichen Unverständnis darüber geäußert, dass es in Vilshofen so ein "Riesen-Trara" gibt.
Ich glaube nicht, dass das ein Vilshofener Thema ist, sondern eines, das der Zeit geschuldet ist. Der Hype um Greta, die Klimadiskussionen, all das ist omnipräsent. Manche reagieren deswegen gerade sehr gereizt oder aggressiv, weil sie eine Bevormundung befürchten.
Autoscham, Flugscham und nun auch noch: Hausnummernscham.
Ja, viele denken: Was will uns die Politik noch alles verbieten oder wegnehmen? Unsere grüne Hausnummer ist vielleicht in diesen Strudel hineingezogen worden.
Wer bekommt denn nun die Urkunde?
Baumaterialien spielen eine Rolle, Dämmung, Bodenbeläge, Heizung Energieversorgung. Und die Frage: Wie lebe ich? Wasser- und Stromverbrauch, Gartengestaltung, Mobilität. Die Kriterien sind unterschiedlich gewichtet, wer insgesamt 150 Punkte sammelt, bekommt die Urkunde.
Eine Hausnummer wäre aber ein besserer Ansporn, umweltbewusster zu leben, als eine Urkunde.
Klar, da könnte ein Anreiz entstehen: Mein Nachbar hat das, ich möchte das auch gerne haben. Ich glaube aber, es geht eher um die Sache. Dass man sich mit der Thematik befasst.
Mit Klima- und Umweltschutz.
Genau. Wenn die Leute kleine Maßnahmen ergreifen, dann kann insgesamt etwas Großartiges entstehen. Wenn sie etwa sagen: Da hinten im Garten, da könnten wir doch eine Blumenwiese anlegen.