Mord auf der "Viking Sally":34 Jahre nach der Tat: Finnisches Gericht spricht Angeklagten frei

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Auf dem Helikopterdeck der "Viking Sally" wurden die beiden Deutschen in der Nacht zum 28. Juli 1987 mit einem Schweißerhammer attackiert. Der junge Mann starb, seine Freundin überlebte schwer verletzt. (Foto: Hannu Vallas/Imago Images/Lehtikuva)

Die brutale Attacke auf ein deutsches Urlauberpaar auf einer Ostseefähre bleibt unaufgeklärt. Die Indizien gegen einen ehemaligen Pfadfinder reichen nicht aus, um ihn des Mordes zu überführen. Angehörige der Opfer wollen das nicht hinnehmen.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Der tödliche Angriff auf zwei junge Stuttgarter Interrailtouristen an Bord des Fährschiffs Viking Sally im Juli 1987 bleibt unaufgeklärt. Das Bezirksgericht der südwestfinnischen Stadt Turku sprach am Mittwoch einen 52 Jahre alten Dänen frei, den die finnische Staatsanwaltschaft 34 Jahre nach der Tat als möglichen Täter identifiziert und vor Gericht gestellt hatte. Das Gericht bezeichnete die von der Staatsanwaltschaft gesammelten neuen Indizien jedoch als zu schwach und sprach dem Freigesprochenen eine Entschädigung von 3000 Euro zu.

Der Däne war damals, 1987, mit seiner Pfadfindergruppe an Bord des Schiffes gewesen, das von Stockholm ins finnische Turku unterwegs war. Die Pfadfinder waren die ersten am Tatort. Die beiden Deutschen hatten sich mit ihren Schlafsäcken auf dem Helikopterdeck der Fähre ein Nachtlager errichtet. Im Morgengrauen des 28. Juli alarmierten die Pfadfinder die Mannschaft des Schiffes: Die jungen Deutschen lagen in ihrem Blut, sie waren Opfer eines brutalen Angriffs geworden. Der 20 Jahre alte Klaus Schelkle starb wenig später im Krankenhaus von Turku, seine Freundin, die 22-jährige Bettina Taxis, lag noch einige Wochen im Koma und überlebte.

Der Mörder wurde nie gefunden, obwohl die finnischen Behörden das Schiff nach dem Einlaufen in Turku abriegelten. Der damals 18-jährige Däne wurde als einer der Hauptzeugen behandelt, er gab mehreren Zeitungen Interviews, in denen er seine Version der Nacht schilderte.

Die Boulevardpresse taufte ihn "Dänemarks Ausbrecherkönig"

Später änderte der Mann seinen Namen und schlug eine kriminelle Laufbahn ein. Mehrfach wurde er verurteilt wegen Diebstahls, Raubes und illegalen Waffenbesitzes. Unter neuem Namen erlangte er zwielichtigen Ruhm: Die Boulevardpresse ernannte ihn zu Dänemarks Ausbrecherkönig, nachdem er viermal die Flucht aus dem Gefängnis geschafft hatte.

Hellhörig wurde die finnische Staatsanwaltschaft, als seine von ihm getrennt lebende Ehefrau sich bei der Polizei meldete. Sie sagte, ihr Mann habe ihr einen Mord gestanden, um sie einzuschüchtern. "Ich bin ein Mörder und ich kann es beweisen", lautete eine seiner Textnachrichten. "Ich kann böse sein, denn ich habe schon zweimal getötet", eine andere. Auch Mithäftlinge des Angeklagten und sogar Polizeibeamte berichteten, dieser habe ihnen den Mord auf der Viking Sally gestanden.

Das Gericht allerdings erklärte zum Beispiel das Geständnis gegenüber den Beamten aus dem Jahr 2016 als nicht verwertbar: Die Unterhaltung hatte ohne Anwalt stattgefunden und nicht in der Muttersprache des Angeklagten. Die Verteidigung hatte von Anfang an argumentiert, sämtliche Geständnisse seien lediglich Wichtigtuerei oder Provokation gewesen. Die Ex-Frau des Angeklagten erklärte zudem während des Prozesses überraschend, nicht aussagen zu wollen.

Der angeklagte Pfadfinder (rechts) und sein Anwalt Henrik Hasseris Olesen in dessen Kanzlei in Kopenhagen. (Foto: Nils Meilvang/AFP)

Das Gericht befand nun, keines der Geständnisse reiche aus, um die Schuld des Dänen zu beweisen. Auch die Tatsache, dass er in einem Interview nach der Tat 1987 von einem Hammer als möglicher Tatwaffe gesprochen habe, beweise keineswegs, dass er über exklusives Täterwissen verfügt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte genau das behauptet. Ihren Forensikern zufolge waren die Deutschen wohl mit einem Schweißerhammer angegriffen worden.

Berufung angekündigt

Die finnische Anwältin des Freigesprochenen, Martina Kronström, sagte dem finnischen Sender Yle, dieser sei "sehr erleichtert". Enttäuscht zeigten sich dagegen Vertreter der Angehörigen der Opfer. Sie kündigten an, in Berufung gehen zu wollen.

Das Verfahren war ein reiner Indizienprozess. Neue Erkenntnisse vom Tatort kann es auch gar nicht geben: Die Viking Sally änderte 1993 ihren Namen. Sie wurde zur MS Estonia - und sank nur ein Jahr später, 852 Menschen starben. Das Schiff liegt heute in 80 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund.

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