Vesper zum Jahresende:Papst ruft zu mehr Menschlichkeit auf

Papst Franziskus

Viele Bischöfe erhoffen sich durch Papst Franziskus (Archivbild) neuen Schwung für die Kirche.

(Foto: dpa)

In seiner Silvesterpredigt hat Papst Franziskus appelliert, mehr Solidarität mit Armen und Flüchlingen zu zeigen. Auch bei den Gottesdiensten der deutschen Bischöfe standen Notleidende im Mittelpunkt - neben dem neuen Papst.

Papst Franziskus hat in seiner Silvesterpredigt zu mehr Menschlichkeit und Nächstenliebe aufgerufen. "Wir sollten uns mutig fragen: Wie haben wir die Zeit verbracht, die Gott uns geschenkt hat? Haben wir sie vor allem für uns selbst verwendet oder haben wir es geschafft, sie auch für die anderen einzusetzen", sagte der Pontifex bei der Vesper im Petersdom in Rom. Jeder Moment des Lebens habe endgültigen Charakter: Für Christen sei jeder Augenblick unwiederbringlich, sie lebten immer in "ihrer letzten Stunde".

Jeder Mensch solle aufmerksam und großzügig gegenüber denjenigen sein, die in Schwierigkeiten steckten. In einer Stadt wie Rom, in der viele Touristen, aber auch Flüchtlinge und Arbeitslose lebten, müsse jeder gleich behandelt werden, forderte Franziskus. "Das Rom des neuen Jahres wird besser sein, wenn es keine Menschen mehr gibt, die wegschauen, die sich nicht in die menschlichen Probleme einmischen, Probleme von Männern und Frauen, die - ob wir es wollen oder nicht - unsere Brüder sind", sagte der 78-jährige Argentinier an seinem ersten Silvester als Papst.

Bei der Vesper wurde wie immer am Silvesterabend das "Te Deum" gesungen. Mit dem feierlichen traditionellen Lob-, Dank- und Bittgesang (vom lateinischen "Te Deum laudamus" - "Dich Gott loben wir") wird für das zu Ende gehende Jahr gedankt. Im Anschluss an die Zeremonie besuchte Franziskus die Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz.

"Ein Geschenk Gottes"

Der gesellschafliche und kirchliche Wandel stand im Mittelpunkt vieler katholischer Silvestergottesdienste. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat Christen zu mehr Einmischung und Einspruch gegen Ungerechtigkeit ermuntert. Die Kirche solle dem Vorbild von Papst Franziskus folgen und das Gespräch auch mit Kritikern und Zweiflern suchen.

"Unser Heiliger Vater ist ein Geschenk Gottes an die Kirche - und das gerade heute", sagte Zollitsch in seiner Predigt zum Jahresende im Freiburger Münster. "Seine unkomplizierte Art auf Menschen zuzugehen und seine erfrischende Weise, den Glauben zu leben und beherzt den Dialog zu suchen - gerade auch mit all jenen, die fragen und zweifeln und suchen -, soll uns nicht nur dankbar werden und staunen lassen, sondern Ansporn sein, es ihm gleich zu tun", mahnte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann begrüßte die "Blickwendung" mit der Wahl des nichteuropäischen Papstes Franziskus. "Wir waren vielleicht auch schon zu lange der Nabel der Welt oder haben uns dafür gehalten", sagte er laut Manuskript in seiner Silvesterpredigt. "Außerdem tut es den Kirchen Europas gut, wenn sie einmal nicht besonders beobachtet werden, vielmehr manches in Ruhe wachsen kann, bis man Kraut und Unkraut unterscheiden kann", fügte Lehmann in Mainz hinzu.

Dass der im März gewählte Pontifex aus Argentinien zentrale Forderungen und Werte der Verkündigung Jesu sehr zielorientiert aufgreife, gebe der Kirche neuen Schwung. Lehmann mahnte: "Lassen wir Papst Franziskus nicht allein. Es genügt nicht, dass wir seinen frischen, direkten und verständlichen Stil mit den konkreten Gesten bewundern."

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, sprach sich ebenfalls für eine neue Debattenkultur innerhalb der Kirche aus: "Wir brauchen einen geistlichen Austausch und den Mut, verschiedene Meinungen miteinander in Verbindung zu bringen." Der Kirche sei ein neuer Papst geschenkt, "voller Schwung, Begeisterungsfähigkeit, neuen Ideen und Herzenswärme". Mit ihm gehe sie nun voller Hoffnung ins neue Jahr, "mit großen Erwartungen, die manchmal vielleicht auch zu groß sind".

Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner machte den Wechsel im Vatikan zum Thema der Messe im Kölner Dom. Dass erstmals ein Nichteuropäer Papst geworden sei, mache deutlich, "dass in der Weltkirche Europa nicht mehr die Führung auf allen Gebieten hat". Meisner beklagte eine immer gottlosere Gesellschaft. In dem Maße, in dem sich die Menschen von Gott entfernten, werde auch die Welt immer gottloser.

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