Verspäteter Rosenmontagszug:Düsseldorfer trinken Kölsch aus Dosen

Düsseldorf holt mitten in der Fastenzeit seinen Rosenmontagszug nach. Zehntausende feiern mit. Sogar manche aus Köln.

Von Kristiana Ludwig, Düsseldorf

Der Moderator im hellblauen Jackett ist an diesem Vormittag für den Spaß zuständig. Er hat sich deshalb eine Spaßbrille aufgesetzt. Das Gestell ist bunt, die Gläser sind klappbar und ragen in alle Himmelsrichtungen. Lustig sieht das aus. Der Moderator hüpft auf dem Pflaster vor dem Düsseldorfer Rathaus auf und ab, eine Konfettikanone knallt und bläst der Sonne Papierkreise entgegen. "Einhaken, bitte", ruft der Moderator in sein Mikrofon. Ein Schlager erklingt, die Menschen am Straßenrand schunkeln, es ist Karneval. So einfach ist das.

Am Sonntag hat Düsseldorf seinen Karnevalsumzug nachgeholt, knapp fünf Wochen nach Rosenmontag. Am 8. Februar hatte der Deutsche Wetterdienst vor einem Sturm gewarnt. Wie auch andere Städte in Nordrhein-Westfalen oder die Fastnachts-Hochburg Mainz hatte sich Düsseldorf noch am Montagmorgen gegen die Veranstaltung entschieden. Köln dagegen ließ seine Jecken laufen, wenn auch ohne Pferde und mit einer eigens eingerichteten Wetterstation. Dort schien tagsüber die Sonne.

Der erste Motivwagen, der am Sonntag durch die Nachbarstadt rollte, war deshalb ein Kölner Dom aus Pappmaché, der den Düsseldorfern eine lange Nase macht. Der Künstler Jacques Tilly, der die Großfiguren für den Düsseldorfer Umzug bastelt, hat in den vergangenen Wochen sechs neue Wagen gebaut. Noch bis Samstagnacht arbeitete er am aktuellsten Motiv: Eine weinende Flüchtlingsfamilie, eingekeilt zwischen zwei Stieren. Auf einem steht: "Krieg & Terror". Auf dem zweiten: "EU". Ein Symbol für die Balkanroute, sagt Tilly.

"Noch hält sich der Arsch"

Früh am Sonntagmorgen fährt er mit dem Fahrrad zum Rheinufer. Er hat sich eine spitze Mütze auf den Kopf gesetzt und einen Fotoapparat in die Tasche gesteckt. Hier stehen seine Plastiken aufgereiht: Kanzlerin Merkel, der CSU-Chef Horst Seehofer nachruft: "Kreuzigt sie!" Tilly knipst ein Bild. Ein nackter Po mit der Frisur Donald Trumps. "Wackelprobe", sagt Jacques Tilly zum Zugleiter Hermann Schmitz und rüttelt an seinem Werk. "Noch hält sich der Arsch", sagt Schmitz.

Der Düsseldorfer Umzug gilt als der politischste des Landes. Eine der Figuren, die Tilly bereits zum Rosenmontag gefertigt und dann bloß vor dem Rathaus ausgestellt hatte, löste Kritik vom polnischen Außenminister aus. Tilly zeigte Polen als gebückte Frau unter dem Stiefel des nationalkonservativen Parteichefs Jarosław Kaczyński. Doch die Bundesregierung stellte sich hinter die Düsseldorfer Satire. Auch die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht thematisierte Tilly in einem Motiv. An diesem Sonntag begleitete die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) diesen Wagen mit violetter Federboa.

Die Herstellung eines einzigen Wagen, sagt Tilly, koste zwischen 5000 und 15 000 Euro. Der ausgefallene Rosenmontagszug verursachte aber nicht nur deshalb einen hohen Versicherungsschaden. Lagerhallen mussten länger genutzt werden, Sicherheitspersonal ein zweites Mal bezahlt. Bei dem Nachholtermin mussten sich die Karnevalisten außerdem auf neue Probleme einstellen.

Viele tragen dunkle Jacken statt Kostüme

Eine neue Bahnlinie in Düsseldorf zwang die Feiernden auf den rund 70 Umzugswagen zum Absteigen - die Oberleitungen sind nun zu gefährlich. Außerdem mussten Tonnen von Süßigkeiten durchsucht werden. Der Schokoriegel-Fabrikant Mars hatte nach Rosenmontag seine Riegel zurückgerufen. Etwa 250 000 Schokoladen wurden aussortiert. Und dann war da auch noch die Weinmesse: In der Altstadt, in der sonst nach Ende des Zugs gefeiert wird, hatten sich die Gastronomen diesmal auf Besucher der "Pro Wein" vorbereitet. Hier fiel die Party am Sonntagnachmittag aus.

Die Straßen sind leerer als in anderen Jahren. Viele Leute tragen dunkle Jacken statt Kostümen. "Morgen müssen alle arbeiten", sagt ein Herr in bunt, an seiner Brust hängen goldene Broschen. Er ist im Ruhestand. Als er noch Polizist war, begleitete er den ersten Zug, den Düsseldorf nach einer Unwetterwarnung nachholen musste. Das war im Mai 1990.

Eigentlich pflegen Köln und Düsseldorf eine Feindschaft

Heute halten nur einzelne Lokale dagegen. In der "Pinte" öffnen kostümierte Kellnerinnen um 10 Uhr morgens die Tür. Drinnen: Lichtanlage, Karnevalshits und Altbier für Clowns im mittleren Alter. In der Auslage einer Bäckerei in der Altstadt liegt marmeladenbefülltes Süßgebäck. "Nicht nur für unsere Kölner Gäste", steht auf einem Schild im Schaufenster. Tatsächlich sind für diesen Rosenmontagszug viele Menschen aus Köln nach Düsseldorf gefahren. In Gruppen haben sie sich Busse gemietet und stehen nun mit Käsewürfeln in Tupperdosen und Kölsch aus Dosen am Zugweg. Eine Facebookgruppe hatte zur Reise in die Nachbarstadt aufgerufen: "Mir kumme mit allemann vorbei".

Eigentlich pflegen die beiden Städte eine Feindschaft, die bei der Biersorte beginnt und beim Karnevalsruf endet. In Düsseldorf sagt man: "Helau". Im Rathaus ist man heute aber plötzlich froh über die Gäste aus anderen Städten. Der Kölner Jean Pütz ist gekommen und der Karnevalspräsident aus Aachen.

Kurz bevor der Zug startet, passiert deshalb das bisher absolut Undenkbare: "Alaaf", ruft der Düsseldorfer Oberbürgermeister.

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