Süddeutsche Zeitung

Verschwundene Arctic Sea:Polizei ermittelt wegen Erpressung

Lesezeit: 2 min

Die Entführer der Arctic Sea fordern Lösegeld, der Aufenthaltsort des Frachters ist weiterhin unklar. Nun hat sich die finnische Polizei eingeschaltet.

G. Herrmann, Stockholm

Für das verschwundene Frachtschiff Arctic Sea ist eine Lösegeldforderung eingegangen. Wie die finnische Polizei am Wochenende bestätigte, ermittelt sie in der Sache wegen Erpressung. Damit verstärkt sich der Verdacht, dass es sich beim Verschwinden der Arctic Sea um den ersten Fall von Piraterie in europäischen Gewässern in der jüngeren Geschichte handelt.

Da Gefahr für Leben und Gesundheit der Besatzung bestehe, könne man derzeit keine weiteren Informationen veröffentlichen, heißt es in einer Pressemitteilung der finnischen Polizei. Über die Höhe der Lösegeldsumme und die Absender des Erpresserschreibens ist nichts bekannt.

Die russische Marine sucht derzeit mit mehreren Schiffen nach der Arctic Sea, deren 15-köpfige Besatzung Russen sind. Der russische Nato-Botschafter Dmitrij Rogosin sagte im Fernsehen, die Suche entwickle sich erfolgreich, nannte aber keine Einzelheiten. Unterdessen blühen die Spekulationen um das verschwundene Schiff. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll es in den vergangenen vier Tagen im spanischen Hafen San Sebastian, in der Biscaya und vor den Kapverdischen Inseln, 460 Kilometer westlich von Afrika, gesichtet worden sein. Keines dieser Gerüchte wurde bestätigt.

Vor der französischen Atlantikküste verliert sich die Spur

Die Arctic Sea gehört einer finnischen Reederei und fährt mit russischer Besatzung unter maltesischer Flagge. Sie hatte am 22. Juli mit einer Ladung Holz im Wert von einer Million Euro den finnischen Hafen Pietarsaari verlassen und hätte am 4. August im algerischen Bejaia eintreffen sollen. Doch vor der französischen Atlantikküste verliert sich die Spur des 98 Meter langen und 4000 Tonnen schweren Schiffes. Dass es gesunken ist, gilt als unwahrscheinlich. Dann hätte man wohl Ölflecken und Teile der hölzernen Fracht entdeckt.

Die Arctic Sea war auf ihrer Fahrt offenbar angegriffen worden. Jedenfalls erstattete die finnische Reederei Anzeige, weil ihr Schiff am 24. Juli vor der schwedischen Insel Gotland von Unbekannten geentert worden sei. Finnische, schwedische und maltesische Behörden ermitteln gemeinsam wegen dieses Zwischenfalls. Aber wie die finnische Polizei am Wochenende mitteilte, konnte man bislang nicht feststellen, ob tatsächlich ein Überfall stattfand. Auch habe man keinen Zusammenhang zum Verschwinden des Schiffs herstellen können.

Ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel berichtete Ende voriger Woche von neuen Informationen, denen zufolge es einen zweiten Überfall vor der portugiesischen Küste gegeben habe. Die dortigen Behörden dementierten jedoch, dass das Schiff überhaupt in ihren Gewässern gewesen sei. Die letzte bestätigte Sichtung des Frachters meldete die britische Küstenwache. Sie registrierte die Arctic Sea am 28. Juli im Ärmelkanal.

Rätselhaft ist vor allem der Grund für das Verschwinden. Die Holzfracht dürfte kaum ein Anreiz für eine risikoreiche Kaperung mitten in Europa sein. Experten spekulieren daher, dass es noch etwas Wertvolleres an Bord gibt. Einer Theorie zufolge war die Arctic Sea in den Drogenschmuggel verwickelt und wurde Opfer einer Auseinandersetzung in der Unterwelt.

In der Moskauer Boulevardzeitung Moskowski Komsomelz mutmaßte der Vizechef der russischen Seefahrergewerkschaft, Sergej Portenko, der Frachter habe Waffen für Westafrika geladen. Dies solle "vertuscht" werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.173411
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.08.2009
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.