Vermisste Maddie McCann:Das Madeleine-Virus

Die Polizei setzt bei ihrer Suche nach der vor zwei Jahren in Portugal verschwundenen Maddie nun auf ein Video im Internet. Das Mädchen aus Großbritannien wäre heute sechs Jahre alt.

Wolfgang Koydl

Bei Google und anderen Internet-Suchmaschinen ist man über die Unart gar nicht glücklich. Ja, man versucht es nach Kräften zu bekämpfen, wenn sich unzählige Nutzer zusammentun und miteinander verlinken, um auf diese Weise einen Begriff oder eine Website ganz nach oben zu schreiben, sodass sie die mit Abstand meisten Treffer erhält.

Vermisste Maddie McCann: Maddie wird seit mehr als zwei Jahren vermisst, ihre Eltern haben danach eine groß angelegte Suche aufgenommen.

Maddie wird seit mehr als zwei Jahren vermisst, ihre Eltern haben danach eine groß angelegte Suche aufgenommen.

(Foto: Foto: dpa)

Doch diesmal sind die Computerriesen mit von der Partie und sogar die Polizei ist mit im Bunde: Ausdrücklich hat Scotland Yard in London die weltweite Netzgemeinde dazu ermutigt, das jüngste Video der vor zwei Jahren entführten Madeleine McCann wie ein Virus zu verbreiten - von Blogs über Twitter zu Facebook. Wer Maddie eingibt, so das eindeutige Ziel der Kampagne, der soll als ersten Treffer den neuen Filmclip erhalten.

Mit der ungewöhnlichen Aktion will die britische Kinderschutzorganisation Child Exploitation and Online Protection Centre (Ceop) erneut Bewegung in den Fall des englischen Mädchens bringen, das am 3. Mai 2007 während einer Urlaubsreise mit ihren Eltern und kleineren Geschwistern in Portugal aus ihrem Hotelzimmer verschwunden war.

Die Eltern Gerry und Kate McCann sind weiterhin davon überzeugt, dass ihre Tochter am Leben ist. Fälle wie jene der Österreicherin Natascha Kampusch oder der Kalifornierin Jaycee Lee Dugard, die nach jahrelanger Gefangenschaft lebend aus den Händen ihrer Entführer freikamen, haben diese Hoffnung genährt. Insgesamt sind es elf entführte Kinder auf der ganzen Welt, die man in den letzten Jahren wohlbehalten wieder auffand.

Heftiger Verfremdungseffekt

Maddie wäre inzwischen sechs Jahre alt, und der Film zeigt sie so, wie sie vermutlich heute aussehen würde: blond und hellhäutig und mit demselben unschuldigen Lächeln, das um die ganze Welt gegangen ist. Auf einem zweiten Foto indes wurden sowohl ihr Teint als auch ihre Haare nachgedunkelt. Damit versucht man darzustellen, wie Madeleine aussähe, wenn sie in einem heißen, sonnigen Land festgehalten würde und ihr Entführer die Haare gefärbt hätten.

Gerry und Kate McCann sollen dem Vernehmen nach "schockiert" gewesen sein beim Anblick der dunkelhäutigen Maddie. Sie hatten allerdings keine Einwände gegen diese Verfremdung, zumal Kate der festen Überzeugung ist, dass ihre Tochter in einem nordafrikanischen Staat oder irgendwo in Südeuropa festgehalten wird. "Sie glaubt", so teilte der Sprecher der Eltern, Clarence Mitchell, mit, "dass Nordafrika eine wichtige Rolle in dem Fall spielt".

Das neue Video unterscheidet sich auch in anderer Hinsicht deutlich von früheren Hilfsaufrufen. Denn es wendet sich nicht mehr allgemein an die Öffentlichkeit, mit der Bitte um sachdienliche Hinweise, sondern gezielt an Personen in der unmittelbaren Umgebung der mutmaßlichen Kidnapper - an einen Partner, ein Familienmitglied, einen Freund oder Kollegen, die vielleicht im Internet nach neuen Nachrichten über die Fahndungsbemühungen für Madeleine suchen und dabei über das Video stolpern sollen.

Appell an das Gewissen

Eindeutig wird dabei an das Gewissen dieser Person appelliert: "Wenn Sie jemanden kennen, der verwickelt ist und wenn Sie diese Kenntnis geheim halten, dann denken Sie daran, dass es nie zu spät ist, das Richtige zu tun", heißt es in dem Video, das außer auf Englisch auch auf Arabisch, Portugiesisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch verfasst wurde. Ceop-Direktor Jim Gamble gesteht zu, dass jemand dieses Geheimnis nicht nur aus Furcht oder fehlgeleiteter Loyalität bewahren könnte, sondern auch aus Liebe.

"Wir haben mit Psychologen über die Frage von Schuldgefühlen gesprochen", erläuterte Gamble die Strategie, "und darüber, wie wir für jemanden die Möglichkeit schaffen können, sich zu rehabilitieren, indem er das Richtige tut. Es ist die Überlegung, wie normale Menschen damit umgehen, ein Geheimnis zu bewahren und wie man sie dazu bringen kann, sich an die Öffentlichkeit zu wagen." Gerry McCann schloss sich dem Aufruf an, mit dem Film "das Internet zu infiltrieren": "Wir müssen das so weit wie möglich verbreiten", sagte er, "damit die Botschaft so oft wie möglich ankommt."

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