Verkehrsunfall:Tödliche Geschwindigkeit

Lesezeit: 3 min

Bei einem mutmaßlich illegalen Autorennen ist eine 43-jährige unbeteiligte Autofahrerin verletzt worden. Sie starb im Krankenhaus. (Foto: dpa)

Eine unbeteiligte Frau stirbt nach einem mutmaßlich illegalen Autorennen in Moers an ihren Verletzungen. Nun ermittelt die Mordkommission.

Von Oliver Klasen

Auf einem der Fotos, die es vom Tatort gibt, sieht man einen blauen Kleinwagen, der quer zur Fahrtrichtung zum Stehen gekommen und dessen hintere Partie völlig zusammengedrückt ist. Drei Tage nach dem verheerenden Unfall ist die Fahrerin, eine 43-Jährige, am Donnerstag gestorben, mutmaßlich als unbeteiligtes Opfer bei einem illegalen Autorennen.

Die Bismarckstraße in Moers, einer 100 000 Einwohner-Stadt am Rand des Ruhrgebietes, ist kein mehrspuriger Autobahnzubringer, der zum Schnellfahren verleiten würde. Es ist eine "relativ schmale, innerstädtische Wohnstraße", wie Oberstaatsanwalt Günter Neifer sagt. Hier gilt Tempo 50, auf Fotos erkennt man zweistöckige Häuser und eine Baumreihe, rechts und links der Fahrbahn parken Autos von Anwohnern. Gegen 21.50 Uhr am Ostermontag, so hat es die Polizei aus Zeugenaussagen und mithilfe von Unfallsachverständigen rekonstruiert, liefern sich zwei Autos, ein Range Rover und ein Mercedes, offenbar ein Rennen. Der Mercedes-Fahrer, so berichtet Neifer, soll versucht haben, den Range Rover zu überholen. Er fuhr wohl auf der Gegenfahrbahn, als er mit voller Wucht in das Auto der 43-Jährigen krachte, die aus einer Seitenstraße nach links die Bismarckstraße einbog.

Zwei Fahrer kommen in Frage

Der Mercedes-Fahrer konnte nach dem Unfall aussteigen. Er ließ sein Fahrzeug zurück und, so berichten es Zeugen, humpelte davon. Der zweite Fahrer habe noch bremsen können, sei aber weitergefahren. Inzwischen hat die Polizei auch sein Auto sichergestellt. Außerdem nahm sie zwei Verdächtige fest, ließ sie aber nach kurzer Zeit wieder frei. Es sind die Halter der beiden Fahrzeuge. "Wir wissen inzwischen, dass sie sehr wahrscheinlich nicht die Fahrer waren", sagte Neifer. Man habe aber Hinweise auf zwei andere Männer, die als Fahrer infrage kommen.

Derzeit untersuchen Kriminaltechniker die Autos auf DNA-Spuren. Daneben versucht die Polizei festzustellen, ob zum Tatzeitpunkt ein Handy mit dem Bluetooth-System des Autos gekoppelt war, um die Daten später einem Verdächtigen zuzuordnen. Dringend gesucht von den Ermittlern wird außerdem eine Zeugin, die der Frau nach dem Unfall geholfen, sich bisher aber nicht bei der Polizei gemeldet hat. In Moers ermittelt die Mordkommission. Die Frage, ob Raser Mörder sein können, beschäftigt Gerichte und Politik seit einigen Jahren. Für großes Aufsehen sorgte der Fall der "Kudamm-Raser", die vom Landgericht Berlin wegen Mordes verurteilt wurden. Ob das Urteil endgültig Bestand hat, wird der Bundesgerichtshof entscheiden müssen. In einem Fall aus Hamburg hat der BGH kürzlich klargestellt, dass eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht kommt, wenn Raser den Tod anderer billigend in Kauf nehmen.

Schon bei der Teilnahme an einem illegalen Rennen droht seit 2017 Gefängnis, selbst dann, wenn niemand zu Schaden gekommen ist. Die Gesetzesverschärfung war damals auch eine Reaktion auf den Raser-Fall in Berlin. Neben illegalen Rennen macht der Polizei zunehmend ein weiteres Phänomen Sorgen: Autokorsos bei Hochzeiten, die außer Kontrolle geraten. In Nordrhein-Westfalen gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche Vorfälle. Auf der A3 bei Düsseldorf stoppte die Polizei im März mehrere Sportwagen, die auf allen Fahrstreifen hin- und hergewechselt waren und andere Verkehrsteilnehmer ausgebremst hatten. Ein Cabrio hatte mitten auf der Fahrbahn mit quietschenden Reifen einen Kreisel gedreht, ein Manöver, das in der Szene als "Donut" bekannt ist, weil der Gummiabrieb der Reifen Spuren hinterlässt, die an die Form des Süßgebäcks erinnern.

70 Vorfälle an zwei Wochenenden

Die Landesregierung in Düsseldorf will sich einen Überblick verschaffen und hat die Polizeidienststellen im Land gebeten, Vorfälle mit gefährlichen Hochzeitskorsos an das Innenministerium zu melden. Allein für das Osterwochenende und das Wochenende davor wurden etwa 70 solcher Vorfälle gemeldet. Teilweise, so das Ministerium, hätten die Polizisten Führerscheine einbehalten oder Fahrzeuge stillgelegt. "Die Polizei ist sensibilisiert und geht auch konsequent vor, wenn es zu Straftaten kommt", sagt Pressesprecher Wolfgang Beus.

Auch wenn es in allen Fällen um Straftaten geht, bei denen Autos im Spiel sind, mahnt Beus, unterschiedliche Phänomene auseinanderzuhalten: Es gebe auf der einen Seite die Tuningszene und die sogenannten Autoposer, die vor allem durch Ruhestörung auffallen, oder weil Teile ohne Zulassung an die Fahrzeuge montiert wurden. "Das geht auch nicht und wird geahndet, aber illegale Rennen und riskante Korsos sind eine ungleich größere Gefahr", sagt Beus. Bei dem Autokorso auf der A3 stellte sich ein ähnliches Problem wie jetzt bei dem tödlichen Unfall in Moers: Die Tatverdächtigen waren nicht die Halter der Fahrzeuge. Mehrere Politiker in Nordrhein-Westfalen fordern daher, Fahrzeughalter, die ihre Wagen an Personen verleihen, die damit Rennen fahren oder ansonsten den Verkehr gefährden, stärker als bisher in Haftung zu nehmen.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: